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       # taz.de -- Neuzugänge bei Schalke: „Eine richtige Gangstertruppe“
       
       > Kevin-Prince Boateng und Dennis Aogo tragen jetzt das königsblaue Trikot.
       > Und plötzlich spielen die Gelsenkirchner wieder mit der Wucht früherer
       > Tage.
       
   IMG Bild: Dennis Aogo (l.) und Kevin-Prince Boateng (r.) nehmen den Helden des Spiels, Jefferson Farfan, in die Mitte
       
       GELSENKIRCHEN taz | In manchem Momenten schien es, als sei Kevin-Prince
       Boateng geradezu peinlich berührt angesichts der Aufmerksamkeit, die ihm am
       Samstagabend zuteil wurde. „Die Leute stufen mich als Leader ein, aber ich
       sehe mich selber nicht so“, sagte er, nachdem er zuvor als Anführer einer
       völlig verwandelten Schalker Mannschaft 2:0 gegen Bayer Leverkusen gewonnen
       hatte.
       
       „Es war für mich eine Überraschung, dass ich von Anfang an spielen durfte“,
       meinte er im Bemühen, demütig zu klingen. Aber wer das Spiel gesehen hatte,
       konnte Jens Keller jedoch nur dazu gratulieren, den Neuzugang vom AC
       Mailand aufgestellt zu haben. Denn Boateng hatte hervorragend gespielt.
       „Kevin-Prince hat einfach die Autorität, die Präsenz auf dem Platz, er
       flößt dem Gegner Respekt ein, und er reißt andere mit“, verkündete
       Sportdirektor Horst Heldt stolz.
       
       Die Aura dieses Fußballers ist tatsächlich beeindruckend, und auch die
       stabilisierende Wirkung von Dennis Aogo für die chronisch labile linke
       Schalker Abwehrseite trug ihren Teil zur mit Abstand besten Saisonleistung
       der Schalker bei.
       
       Aber aufgrund welcher Kräfte sich hoch veranlagte Spieler wie Roman
       Neustädter, Marco Höger oder Jefferson Farfan innerhalb weniger Tage von
       blassen Fehlerproduzenten in souveräne Leistungsträger verwandelt haben,
       ist auch für Heldt ein Rätsel. „Ich sage ehrlich: Ich weiß es nicht“,
       meinte er und spekulierte: „Es ist wohl eine Mischung aus dem Weiterkommen
       in der Champions League, den neuen Spielern und der guten Stimmung im
       Stadion.“
       
       ## Provokante Fahne
       
       Die Atmosphäre war in der Tat ein Faktor, die jüngsten Ereignisse, zu denen
       auch der Polizeieinsatz vor zwei Wochen zählt, als zahlreiche Unbeteiligte
       Pfefferspray abbekamen, haben den ganzen Klub homogenisiert. Am Samstag
       forderten die Fans auf einem Transparent die Absetzung des Einsatzleiters
       der Polizei, weil der beim letzten Heimspiel nach einer Drohung der
       Gästefans aus Griechenland unter Gewaltanwendung den Schalker Block stürmen
       ließ, um eine provokante Fahne zu entfernen. Diese Fahne, die nach Angaben
       der Polizei den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, hing nun in rund
       50-facher Ausführung im Stadion, ohne dass etwas passierte.
       
       Die Wut über die Polizei vereint den Klub, auch deshalb befand Schalke sich
       mal wieder in seiner Lieblingsrolle des Außenseiters, dem irgendwelches
       Unrecht widerfährt. Zu diesem Bild passen ja auch die beiden Zugänge. Aogo
       gilt als eigensinnig und war in Hamburg suspendiert worden, weil er sich
       mit einem Kurztrip nach Mallorca von der 1:5-Niederlage gegen Hoffenheim
       erholte, und Boateng hat schon immer den Ruf des Bad Guys. „Wir haben jetzt
       eine richtige Gangstertruppe“, sagte Felipe Santana. Der Innenverteidiger
       klang sehr zufrieden.
       
       Aber Santana meinte natürlich nicht nur Muskeln, Tattoos und eine Neigung
       zur Grenzüberschreitung, sondern auch die Rückkehr zu einer Schalker
       Tradition, die von Spielern wie Marcelo Bordon, Jermaine Jones oder Mladen
       Krstajic geprägt wurde: das Element der Wucht im eigenen Spiel.
       
       ## Champions-League-würdig
       
       Der Held des Tages war aber trotz des Hypes um Boateng und Aogo Jefferson
       Farfan. Der Peruaner schlug den Freistoß, den er mit der Schulter zum 1:0
       ins Tor lenkte (30.), und zehn Minuten vor dem Ende entschied er das Spiel
       per Strafstoß. Die Offensive mit Farfan, mit dem unermüdlichen Adam Szalai,
       der dabei ist, zum ernsthaften Konkurrenten für den verletzten Klaas-Jan
       Huntelaar zu reifen, mit Boateng und Julian Draxler ist in jedem Fall
       Champions-League-würdig.
       
       Und nun scheint auch die Defensive wieder zu funktionieren. Bis auf einen
       Kopfball von Emir Spahic (80.) hatte Bayer Leverkusen keine Torchance.
       Trainer Keller bescheinigte Aogo ein „überragendes Debüt“, und auch das
       Innenverteidiger-Duo Matip/Santana verteidigte ungewohnt stabil.
       
       Die Schalker haben wieder eine Spitzenmannschaft – zumal Julian Draxler
       entgegen anders lautenden Gerüchte wohl bleiben wird, auch wenn Boateng ihn
       auf den linken Flügel verdrängt hat. „Wir wollen mit Julian weiterarbeiten,
       er will mit uns weiterarbeiten, Montag wird die Diskussion zu Ende sein“,
       sagte Heldt. Aber welche zwischenmenschliche Dynamik sich in der
       Gangstertruppe ergibt, bleibt eine spannende Frage.
       
       1 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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