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       # taz.de -- Krieg im Kongo: Eskalation vorerst abgewendet
       
       > Die M23-Rebellen ziehen sich aus dem umkämpften Gebiet im Ostkongo
       > zurück. Ruanda hatte zuvor mit einem Eingreifen gedroht.
       
   IMG Bild: Tansanische UN-Soldaten auf der Straße, die in Goma zur Grenze nach Ruanda führt.
       
       BERLIN taz | Unter dem Eindruck einer drohenden Internationalisierung des
       Krieges im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben die Rebellen der
       M23 (Bewegung des 23. März), die sich seit Wochen mit der Regierungsarmee
       nördlich der Provinzhauptstadt Goma heftige Gefechte liefern, einen
       Rückzieher gemacht.
       
       Die Rebellen verließen am Freitag morgen die strategisch wichtigen Hügel
       von Kibati rund 15 Kilometer nördlich von Goma aus, von denen sie bisher
       die Millionenstadt mit Artillerie unter Beschuss nehmen konnten und die in
       den letzten Tagen heftig umkämpft gewesen waren. Sie zogen sich Richtung
       Kibumba weitere 15 Kilometer nördlich zurück.
       
       „Dier Rückzug ist ein Preis, den wir zahlen, um einer politischen Lösung
       Vorrang zu geben“, erklärte die M23 über Twitter. Man wolle außerdem eine
       Untersuchung der jüngsten Mörserangriffe auf Goma und die ruandische
       Nachbarstadt Gisenyi ermöglichen, bei denen zuletzt in Gisenyi am
       Donnerstag eine Frau getötet und ihr Baby schwer verletzt worden war.
       
       ## Wer hat Ruanda beschossen? Kongos Armee oder Rebellen?
       
       Nach Angaben der UNO und der kongolesischen Regierung kommen die Beschüsse
       Gomas und Gisenyis von der M23. Die Rebellen weisen das scharf zurück, und
       Ruanda macht Kongos Armee für die Granaten auf ruandisches Gebiet
       verantwortlich.
       
       "Die UNO lügt, dass wir die Bomben auf Goma und Gisenyi geworfen hätten;
       also ziehen wir uns so weit zurück dass man aufhört, uns zu verunglimpfen",
       schrieb M23-Militärsprecher Vianney Kazarama auf Facebook am Freitag.
       "Jetzt sind wir weg, mal sehen was jetzt kommt. Im Notfall kostet es uns
       nichts, zurückzukommen". Er warnte Kongos Armee vor einer "Tracht Prügel",
       sollte sie versuchen, über Kibati hinaus die Rebellen anzugreifen.
       
       Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Goma hatten Sprecher der
       kongolesischen Armee und der UN-Mission im Kongo (Monusco) am späten
       Donnerstag erneut gesagt, man „bestätige“, dass die Geschosse auf
       ruandisches Gebiet und auf Goma von M23-Gebiet ausgegangen seien.
       Einzelheiten oder Beweise wurden nicht vorgelegt.
       
       Eine Untersuchung vor Ort an den angeblichen Abschussstellen wird erst
       durch den M23-Rückzug aus Kibati möglich. Ob es eine geben wird, ist
       unklar. In Ruanda sollen die Experten des „Joint Verification Mechanism“
       der Staaten der Region Untersuchungen der dortigen Einschlagorte vornehmen.
       
       ## Ruanda will "Provokationen nicht mehr hinnehmen"
       
       Am späten Donnerstag war in der Region die Angst vor einem direkten
       Eingreifen Ruandas im Kongo als Reaktion auf den Beschuss ruandischen
       Territoriums aus dem Kongo heraus gewachsen, nachdem Ruandas Regierung
       erklärt hatte, ihre Geduld sei nach insgesamt 34 Beschüssen Ruandas am
       Ende.
       
       „Wir haben uns so lange wie möglich zurückgehalten, aber diese Provokation
       kann nicht mehr hingenommen werden“, sagte Außenministerin Louise
       Mushikiwabo. Man habe Kongos Regierung „wiederholt aufgefordert, die
       Angriffe zu beenden, aber stattdessen nehmen sie in Häufigkeit und
       Intensität zu.“
       
       Es handele sich um gemeinsame Angriffe der kongolesischen Armee FARDC und
       der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung
       Ruandas), so die Erklärung weiter. „FARDC und FDLR schaden unseren Bürgern,
       als ob ruandische Menschenleben keinen Wert hätten“, wurde die Ministerin
       zitiert. „Die Angriffe von FARDC und FDLR haben eine neue Stufe erreicht.“
       
       Am Donnerstag Abend zeigte das ruandische Fernsehen Augenzeugen zufolge
       ausführliche Aufnahmen von Militärkolonnen, die aus Ruandas Hauptstadt
       Kigali Richtung Grenzgebiet fuhren. Zugleich reiste der deutsche Chef der
       UN-Mission im Kongo (Monusco), Martin Kobler, zu Gesprächen nach Kigali,
       und UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon rief Ruanda zur Zurückhaltung auf.
       Frankreich forderte eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.
       
       ## Französische und südafrikanische Warnungen
       
       In New York stellten es französische UN-Diplomaten als erwiesen dar, dass
       die M23 für den Beschuss Ruandas verantwortlich sei und Ruandas Armee die
       M23 direkt unterstütze - einen Vorwurf, zu dem die an vorderster Front bei
       den UN-Truppen kämpfende südafrikanische Armee am Freitag klarstellte, dass
       sie ihn nicht bestätigen könne.
       
       Zuvor hatte es aus südafrikanischen Militärkreisen kämpferische Äußerungen
       der Art gegeben, man werde reagieren, falls Ruanda gegen Südafrika in den
       Krieg ziehe. Südafrika hat der Monusco drei zusätzliche Kampfhubschrauber
       für den Kongo angeboten - unter der Bedingung, dass die UNO dafür bezahlt.
       
       ## Mit Diplomatie die Wogen glätten
       
       Beobachter spekulieren, Ruanda habe die M23 jetzt zurückgepfiffen in der
       Erwartung, dass sich auch auf UN-Seite die Wogen glätten und Druck auf
       Kongos Armee ausgeübt wird, sich nunmehr gegenüber Ruanda zurückzuhalten.
       Die Kämpfe um Kibati hatten in den Tagen zuvor eine nie dagewesene
       Intensität erreicht, und das Eingreifen südafrikanischer Elitetruppen auf
       Seiten der Blauhelme hatte die M23-Rebellen offenbar in starke Bedrängnis
       gebracht. Südafrikanischen Berichten haben Scharfschützen aus der
       Entfernung mehrere M23-Kommandeure getötet.
       
       Am Freitag früh sagte aber ein südafrikanischer Militärsprecher in
       Pretoria, der Einsatz im Kongo richte sich nicht ausschließlich gegen die
       M23, sondern gegen alle bewaffneten Gruppen, und am Ende müsse eine
       politische Verständigung im Land stehen.
       
       Auch der deutsche Monusco-Chef Kobler hat mittlerweile nach forschen ersten
       Auftritten in Goma mehrfach betont, es müsse eine politische Lösung des
       Konflikts im Kongo gefunden werden. Die Zeit einer erneuten Suche danach
       ist jetzt offenbar gekommen. Die Alternative wäre ein grenzüberschreitender
       Krieg.
       
       Ob Kongos Regierung bei der Suche nach einer politischen Lösung mitmacht,
       bleibt offen. Informationsminister Lambert Mende wies am Freitag nachmittag
       auf einer Pressekonferenz in Kinshasa den M23-Rückzug als „inakzeptabel“
       zurück: Die Gruppe müsse vielmehr „einfach aufhören zu existieren“. Er
       foderte internationale Unterstützung für Kongos „Kreuzzug gegen das Böse“.
       
       30 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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