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       # taz.de -- NSU-Bericht als Wortwolke: Von „Akten“ bis „Zschäpe“
       
       > Mehr als 6 Millionen Zeichen hat der Abschlussbericht des
       > NSU-Untersuchungsausschusses. Die häufigsten Begriffe sind nicht immer
       > die erwartbaren.
       
   IMG Bild: Die Bewertung der SPD.
       
       BERLIN taz | 1.357 Seiten, mit Anhängen sind es sogar 1.409. Der vor
       wenigen Tagen veröffentlichte [1][Abschlussbericht des
       NSU-Untersuchungsausschuss] ist ein mächtiges Werk. Wer sich alle 6.188.344
       Zeichen dieses Berichts durchlesen will, muss einiges an Zeit mit sich
       bringen.
       
       Für einen schnellen Überblick hat taz.de den kompletten Text deshalb in
       eine Wortwolke* verwandelt, in der einzelne Begriffe je nach ihrer
       Häufigkeit größer oder kleiner dargestellt werden. Dabei zeigen sich beim
       genaueren Hinsehen überraschende Details.
       
       „Deutscher“, „Bundestag“, „Verfassungsschutz“, „BKA“, „Ermittlungen“,
       „Zeugen“, „Vernehmung“, „Akten“, „GEHEIM“, „Mundlos“, „Böhnhardt“,
       „Zschäpe“. All diese Begriffe stehen im NSU-Abschlussbericht wie erwartet
       sehr häufig.
       
       Interessanter wird es aber bereits, wenn man sich die Namen der
       Bundesländer anschaut. Denn nach „Thüringen“ mit 1.567 Nennungen taucht
       nicht etwa „Sachsen“ am häufigsten auf – obwohl sich das Neonazi-Trio dort
       mehr als zehn Jahre versteckt hat.
       
       ## Überraschende Schwerpunkte
       
       „Baden-Württemberg“ ist das Bundesland, mit dem sich der Ausschuss in
       seinem Bericht am zweithäufigsten befasst. Das hat mehrere Gründe.
       
       Zum einen hat der NSU dort im April 2007 an der Polizistin Michèle
       Kiesewetter seinen zehnten und nach wie vor mysteriösesten Mord verübt. Bei
       den Ermittlungen nach Auffliegen des NSU kam unter anderem ans Licht, dass
       ehemalige [2][Kollegen der Polizistin einst Mitglieder eines deutschen
       Ablegers des Ku-Klux-Klan] waren – auch hiermit beschäftigte sich der
       Untersuchungsausschuss zwischenzeitlich, auch wenn die Spur sich im Nichts
       verlor.
       
       Zum anderen hatte das Neonazi-Trio in Baden-Württemberg mehrere
       Szene-Freunde und besuchte diese mutmaßlich noch nach dem Abtauchen. Viel
       spricht sogar dafür, dass der [3][NSU 2003 in Stuttgart weitere
       Anschlagsziele ausspähte].
       
       Von Interesse für den Ausschuss war unabhängig hiervon auch das LKA
       Baden-Württemberg. Die Behörde hat zu der Mordserie an acht
       türkischstämmigen und einem griechischstämmigen Männern eine [4][„Operative
       Fallanalyse“] erstellt. Die Polizeiprofiler schlossen darin ein
       rechtsextremes Motiv aus und vermuteten stattdessen eine südosteuropäische
       Bande hinter den Taten.
       
       Der Fokus auf Baden-Württemberg könnte aber auch noch einen banaleren Grund
       haben: Zwei der fünf Obleute im Ausschuss, Clemens Binninger (CDU) und
       Hartfrid Wolff (FDP) kommen aus dem Bundesland.
       
       Wenn man in der Wortwolke umhersucht, fallen einem noch weitere
       Schwerpunktsetzungen des Ausschusses auf. So taucht der Name „Engelke“ 480
       Mal im Abschlussbericht auf. Gemeint ist Hans-Georg Engelke, der für das
       Bundesinnenministerium Licht in die Akten-Schredderei beim
       Verfassungsschutz nach Auffliegen des NSU bringen sollte. Auf über 50
       Seiten befasst sich der Bericht mit der Akten-Affäre.
       
       ## Was die Parteien sagen
       
       Zusätzlich zum [5][kompletten Abschlussbericht] hat taz.de auch noch die
       ergänzenden [6][Bewertungen der einzelnen Fraktionen] in Wortwolken
       verwandelt (mit Ausnahme der Union, die auf Ergänzungen zu einer
       gemeinsamen Bewertung aller fünf Fraktionen verzichtet hat).
       
       Die SPD-Mitglieder im Untersuchungsausschuss sprechen in ihrem Berichtsteil
       neben dem „Verfassungsschutz“ und den von ihm bezahlten „V-Personen“
       auffällig häufig von „Informationen“. Diese wurden mal schlecht
       ausgewertet, mal nicht übermittelt, mal wurde ihre Bedeutung nicht erkannt.
       
       „Zentral“ beziehungsweise „zentrale“ ist ein anderes Wort, das die SPD
       häufig nennt. Gemeint ist unter anderem die Forderung nach einer „zentralen
       Ermittlungsführung“ bei länderübergreifenden Mordserien wie der des NSU.
       
       In der Bewertung der FDP tauchen die Wörter „Geld“ und „Euro“ relativ
       häufig auf. Dass liegt daran, dass die Liberalen noch mal durchgerechnet
       haben, wie viel dem NSU-Trio im Untergrund zur Verfügung stand, und dabei
       finanzielle „Ungereimtheiten“ festgestellt.
       
       Kein Wunder ist es daher, dass „Frage“ ein weiteres häufig genanntes Wort
       im Berichtsteil der Liberalen ist; keine andere Fraktion betont so sehr,
       dass es noch viel Offenes im Zusammenhang mit dem NSU gebe - und fordert
       deshalb einen NSU-Ausschuss II nach der Wahl.
       
       Die Linksfraktion beschäftigt sich intensiv mit dem „BfV“, also dem
       Bundesamt für Verfassungsschutz und dessen „V-Leuten“ - beides will sie
       abschaffen. Außerdem nennt keine andere Fraktion in ihrer Bewertung so
       häufig das Wort „Rassismus“ oder „rassistisch“.
       
       Ausführlich beschäftigt sich die Linkspartei vor allem mit dem in ihren
       Augen bei den Ermittlungen erkennbar gewordenen „institutionellen
       Rassismus“ innerhalb der Polizei.
       
       Die Grünen beschäftigen sich in ihrem Berichtsteil von allen Fraktionen am
       ausführlichsten mit der „Polizei“ und ihren „Ermittlungen“, häufiger noch
       als mit dem „Verfassungsschutz“, den die Grünen in eine „Inlandsaufklärung“
       umwandeln wollen.
       
       Häufig fallen auch die Wörter „Zivilgesellschaft“ und
       „Menschenfeindlichkeit“, beziehungsweise „gruppenbezogene
       Menschenfeindlichkeit“. Das ist ein Begriff, der sich in den vergangenen
       Jahren in den Sozialwissenschaften etabliert hat, weil er umfassender ist
       als Begriffe wie Fremdenfeindlichkeit.
       
       * Für die Wortwolke wurden häufige Wörter wie „und“, „aber“, „das“, „bei“,
       „sind“, „können“ herausgefiltert. Ebenso Abkürzungen wie „MAT“,
       „Protokoll-Nr.“ oder „Bl.“, die auf fast jeder Seite in den Fußnoten des
       Berichts auftauchen.
       
       29 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!122284/
   DIR [2] /!99280/
   DIR [3] /!109872/
   DIR [4] /!91926/
   DIR [5] http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/ua/2untersuchungsausschuss/
   DIR [6] /Bericht-des-NSU-Ausschusses/!122333/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf Wiedmann-Schmidt
       
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