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       # taz.de -- An der alten Frontlinie in Mali: Islamisten sind weg, die Angst nicht
       
       > Dort, wo der Vormarsch der Islamisten in Mali stoppte, sind die Folgen
       > des Konflikts nicht überwunden. Der arabische Islam dehnt seinen Einfluss
       > weiter aus.
       
   IMG Bild: Malis Islam hat eine eigene Tradition: die Moschee von Djenné.
       
       KONNA/MOPTI taz | Im Rathaus von Konna ist das obligatorische malische
       Präsidentenporträt von zwei Porträts weißer Männer flankiert. Links
       Frankreichs Präsident François Hollande, rechts der französische
       Luftwaffenpilot Damien Lame. „Wir verdanken ihnen unsere Freiheit“, sagt
       Bürgermeister Ibrahima Sory Diakité.
       
       Konna, ein Städtchen mit 30.000 Einwohnern, war einst Kriegsfront. Am 10.
       Januar besetzten islamistische Kämpfer aus dem Norden Malis den Ort. Wenn
       sie es geschafft hätten, auch die große Militärbasis Sévaré 70 Kilometer
       südlich einzunehmen, hätte ihnen der Weg in die Hauptstadt Bamako
       offengestanden.
       
       Aber sie kamen nicht weit, weil ihr Konvoi von französischen Hubschraubern
       und Kampfflugzeugen bombardiert wurde. Das war der Beginn der französischen
       Militärintervention in Mali. Konna wurde für die Islamisten zum Waterloo.
       
       Um Konna herum sind die weiten Felder, hier und da eine Akazie, leer.
       Bauern haben nichts angepflanzt aus Angst vor Landminen. Trotz der heiteren
       Musik aus einem Transistorradio macht die kleine Marktstadt einen
       verschlafenen Eindruck.
       
       „Viele Händler verschwanden. Sie hatten sich verbündet mit den Extremisten
       und wurden getötet oder sind geflohen“, erklärt Diakité. „Es sind auch
       viele junge Männer weg. Ihnen wurden damals 50 Euro versprochen, wenn sie
       den Milizen beitreten.“
       
       Es ist ihm noch immer ein Rätsel, wer die Angreifer wirklich waren. Er
       hörte viele fremde Sprachen, zahlreiche Kämpfer waren nicht schwarz. „Ich
       bin sicher, dass sie mit den Wahhabiten verwandt sind“, meint er. Der in
       Saudi-Arabien beheimatete ultrakonservative Wahhabismus erfühlt viele
       Malier mit Abscheu.
       
       ## „Geld aus Saudi-Arabien oder Golfstaaten“
       
       Die Soziologin Lalla Mariam Haidara glaubt, es habe einen Plan gegeben,
       Mali in ein fundamentalistisches Land zu verwandeln. „Im ganzen Land wurden
       Moscheen mit Geld aus Saudi-Arabien oder den Golfstaaten gebaut. Sie
       predigen den starren und traditionellen Islam, während wir historisch dem
       liberalen Sufi-Islam anhängen. Heute sind 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung
       Wahhabiten.“
       
       Der missionarische Eifer des Wahhabismus ist überall zu sehen. Selbst in
       den kleinsten Dörfern stehen heutzutage zwei Moscheen: eine ältere aus
       ungefärbten lokalen Baustoffen, in der die Sufi-Muslime beten – und eine
       neue aus weißgetünchten Steinen, in der Regel an der Straße, oft mit einem
       Schild der arabischen Geldgeber davor.
       
       Haidara macht sich wenig Mühe, ihr Haar zu bedecken. Ihr dünner weißer
       Schleier rutscht regelmäßig vom Kopf. Sie trägt ihn auch nur, weil Freitag
       ist und sie in die Moschee will.
       
       Die Soziologin stammt aus Timbuktu, der berühmten Wüstenstadt, die als
       Wiege des Sufi-Islams gilt. „Wahhabiten sind nicht direkt Extremisten, aber
       sie sind aggressiv und intolerant“, sagt sie.
       
       ## Die Motive des Metzgers von Mopti
       
       Warum werden Malier Wahhabiten? Metzger Sekou Traoré in der Stadt Mopti hat
       irdische Motive. „Weil es mir wirtschaftlich hilft“, erklärt er. „Die
       Wahhabiten sind jetzt meine Kunden. Und am Freitag verteilen sie Almosen in
       Form von Lebensmitteln.“
       
       Traoré sitzt mit Freunden unter einem Baum in der Nähe der wahhabitischen
       Moschee. Sie schauen zu, wie am Ende des Tages endlos Kühe vorbeiziehen.
       Die Freunde des Metzgers, alle Sufi-Anhänger, machen Witze über seinen
       Wechsel. Traoré zuckt mit den Schultern und lädt ein, seine Wahhabiten zu
       treffen.
       
       In einer engen Straße im Herzen der Stadt, wo kaum zwei Esel aneinander
       vorbeipassen, sitzen Männer im Schatten, Kinder spielen ohne Spielzeug
       unter einem Schild „Alsayida-Aicha-Zentrum für die Entwicklung von Frauen,
       finanziert vom Königreich Saudi-Arabien“.
       
       Die Tür ist offen. Drinnen sitzen auf Matten Dutzende junger Frauen,
       teilweise in Burka, andere in bunten Kleidern. „Wir geben Nähunterricht
       hier für Mädchen von armen Eltern“, sagt Institutsleiterin Kouroutime
       Traoré hinter ihrem schwarzen Schleier, der nur ihre großen runden Augen
       zeigt.
       
       Traoré lebte mit ihrem Mann fünf Jahre in Saudi-Arabien. „Ich lernte dort
       viel. Dort existiert der Islam auf einer höheren Ebene. Wir müssen hier
       noch viel lernen und ich trage dazu bei.“ Aber über die bewaffneten Gruppen
       hat sie nichts Gutes zu sagen. „Vagabunden sind es, Kriminelle!“
       
       ## Schlaflose Nächte an der Grenze
       
       Könnten die Islamisten zurückkehren? Balkissa Diarra, Dorfältester aus
       Diougounou an der Grenze zu Burkina Faso, ist nach Mopti gekommen, um die
       Behörden um Hilfe zu bitten. „Einige der vertriebenen Extremisten flohen
       über die Grenze nach Burkina Faso. Nachts kommen sie wieder und
       terrorisieren uns. Sie stehlen Vieh und Mopeds, manchmal töten sie auch.“
       
       In Diougounou gibt es keinen einzigen Polizisten oder Soldaten. „Wir haben
       unsere eigenen Milizen, die nachts patrouillieren. Ich gehe immer noch
       jeden Abend verängstigt schlafen.“
       
       30 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ilona Eveleens
       
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