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       # taz.de -- Die Wahrheit: Rosa für Rüde
       
       > Farblehre: Pink soll besänftigen, macht aber eher aggressiv. Das gilt für
       > Wandfarben wie für Unterhosen, wie viele Knackis erfahren mussten.
       
   IMG Bild: Wedelt der Torero mit einem großen pinkfarbenen Tuch vor seinen Augen herum, sieht selbst ein Stier rot.
       
       In Zeiten, wo die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft in Schwarz
       antritt, werden in unseren Gefängnissen immer noch Häftlinge in rosa Zellen
       gesperrt. Das gilt nicht als strafverschärfend, sondern soll eine
       beruhigende Wirkung auf aggressive Schwerverbrecher entfalten. Das nach
       zwei Gefängnisdirektoren benannte Baker-Miller-Pink soll den Blutdruck
       senken und schon nach 15 Minuten randalierende Rowdies besänftigen, wie die
       Kinderzeitschrift Geolino seinen Pink Kids einredet.
       
       Leider klappt das nicht überall. Die Häftlinge im Santa Clara Country Jail
       in Kalifornien haben offensichtlich die farbpsychologische Fachliteratur
       nicht richtig gelesen und fingen bereits nach den 15 Minuten an, die Farbe
       mit den Fingernägeln von den Wänden zu kratzen!
       
       Auch bei den Knastkollegen im Ruhrpott blieb der beruhigende Effekt leider
       aus: Die Justizvollzugsanstalten von Dortmund und Hagen strichen ihre rosa
       Zellen wieder weiß, nur Attendorn und Kleve halten in Nordrhein-Westfalen
       am Rosa fest, wie die Rheinische Post berichtet. Viele Knackis waren
       ohnehin misstrauisch gegen die Anstriche im kräftigen Rosa: Blutflecken
       sind darauf nicht so leicht auszumachen wie auf weißem Putz.
       
       Einen ganz anderen interessanten psychologischen Ansatz vertritt Sheriff
       Joe Arpaio aus Maricopa, Arizona. Der laut Selbstauskunft „toughest Sheriff
       of America“ drangsaliert seine Häftlinge damit, dass sie rosa Unterwäsche
       tragen müssen. Als Vorwand mussten Schmuggelversuche der ursprünglich
       weißen Anstaltsunterwäsche aus dem Zuchthaus herhalten. Der skrupellose
       Sheriff weiß genau, dass kein harter Mann freiwillig Rosa trägt, von Tim
       Wiese mal abgesehen, der seinerzeit bei Werder Bremen im rosa Torwarttrikot
       auflief, ehe er nach Hoffenheim ging und dort endgültig verrückt wurde.
       
       Der gnadenlose Sheriff Arpaio zwang sogar den ohrabbeißenden
       Schwergewichtsweltmeister Mike Tyson dazu, rosa Socken zu tragen, und ließ
       ihn mit rosa Handschellen fixieren, die der Sheriff vermutlich im
       Spielwarenhandel besorgen ließ. Im unerbittlichen Strafvollzug von Arizona
       müssen männliche Gefangene die Ausstattung ihrer Unterkünfte mit Plüsch-
       und Kuscheltieren akzeptieren.
       
       Im Kontrast dazu kommen Schäferhunde zum Einsatz, die auf deutsche
       Kommandos trainiert wurden: „Fass!“, „Sitz!“ … Auch im texanischen Maison
       Country setzt man auf das Prinzip Pink Jail. Sheriff Clint Low erklärte im
       Internetdienst Short News, „dass die Gefangenen Rosa tragen müssen. Aus
       diesem Grund verzichten viele Insassen gar darauf, aus den Zellen zu
       kommen, da sie nicht gesehen werden wollen.“ Das Gefängnis bietet leider
       nur fünf Häftlingen Platz.
       
       Das verträumte Zeit-Magazin hat die Abkehr vom Baker-Miller-Pink bei uns
       noch nicht mitbekommen und säuselt: „Die Erfahrungen damit sind so gut,
       dass es in immer mehr Haftanstalten eingesetzt wird.“ Noch trunkener vom
       Farbton Pink ist der Online-Versand einer rosa Farbtherapiebrille, die auf
       ihrer Website feststellt: „Selbst wenn eine Person versucht, in Gegenwart
       von Rosa aggressiv zu sein, kann sie es nicht. Die Herzmuskeln können nicht
       schnell genug sein … Sogar die Farbenblinden werden durch rosa Zimmer
       beruhigt (!)“. Die rosa Brillen gibt es schon ab 86 Euro.
       
       Auch die Amis glauben weiter an die sedierende Wirkung von Rosa: „Es
       mindert den Kampfgeist so sehr, dass Sportvereine die gegnerische
       Umkleidekabine nicht mehr in diesem Farbton streichen dürfen“, berichtet
       der Psychologe Dutton im Focus. Nur bei unseren ewig rotsehenden Wutbürgern
       funktioniert das nicht: Als kürzlich die rosarote
       Barbie-Erlebnisausstellung in Berlin ihre Pforten öffnete, protestierten
       die Rosa Pantherinnen gegen die „Pinkifizierung der Spielwarenwelt“.
       
       Eine barbusige Protestantin verbrannte eine rosa gekleidete Barbiepuppe am
       Kreuz. Schöner wäre allerdings ein rotes Kreuz gewesen. Die
       Busendemonstrantin jedenfalls verschwand unerkannt im Licht der
       orangefarbenen Sonne über dem rosa Barbieversum …
       
       27 Aug 2013
       
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