URI: 
       # taz.de -- Kolumne Später: Frau Dr. F. rettet den Backenzahn
       
       > Die Mittfünfzigerin braucht High-Tech-Medizin für ihre Zähne. So landet
       > man im Superzahnzentrum mit OP-Mikroskop und Ultraschall. Das kostet.
       
   IMG Bild: Erfordert Mut auch vom Patienten: Zahnarztbehandlung.
       
       Als ich mal wieder als Notfallpatientin am Pfingstmontag um 3 Uhr nachts
       auf einem Stuhl in der Zahnklinik landete, war mir klar: Es muss sich was
       ändern. Ich muss weg. Von meiner warmherzigen Zahnärztin in Kreuzberg, die
       zwar die Gala im Wartezimmer liegen hatte, aber ohne Lupenbrille arbeitete
       und bei der die Hälfte meiner Wurzelbehandlungen nicht funktionierte.
       
       „Wir arbeiten mit Kofferdamm zur sterilen Abdeckung des Operationsgebiets,
       reinigen mit Ultraschall und bestimmen die Länge des Wurzelkanals
       elektrometrisch, alles natürlich unter dem OP-Mikroskop“, klärt mich Frau
       Dr. F. auf. Ich sitze im Superzahnzentrum am Ku’-damm. Frau Dr. F. hat
       mehrere Jahre in den USA gearbeitet, sich dort auf Wurzelbehandlungen
       spezialisiert und ist daher Endodontologin, ein Begriff, den ich vorher
       nicht kannte.
       
       Hier wird man gleich am Empfang fotografiert für die Datenbank. Damit „Sie
       die Ärztin im Wartezimmer erkennt und persönlich ansprechen kann“, wie mich
       die modisch gestylte Helferin aufklärte. In den über zehn Behandlungsräumen
       bieten sie neben üblichen Verfahren die Hightech-Wurzelbehandlung,
       Bleaching, Implantate an. Am Tresen gibt es Ingwerwasser for free, im
       Wartezimmer mit dem riesigen Flachbildschirm ruht man auf Liegen, neben
       denen griffbereit eingestöpselte Ipads liegen. Ein Dekokamin mit
       Holzscheiten soll Wohnzimmerfeeling erzeugen. Ein Wartezimmer mit ungefähr
       30 Kuscheltieren sowie Brettspielen ist extra für Kinder gedacht. Vor dem
       Klo gibt es einen Waschtisch mit Zahnputzzeug für Patienten, die direkt vom
       Geschäftslunch ins Superzahnzentrum kommen. Alles ist in Gelborange
       gestrichen, man will einen Eindruck von Wüste und Sonnenaufgang vermitteln.
       Auch das Personal wirkt an Zähnen und Haaren gebleacht.
       
       Im Wartezimmer telefonierte eine aufgebrezelte Patientin in High Heels auf
       Russisch und schaffte es, sich noch nebenbei zu schminken. Ich versank in
       eine Liege und hatte mich ein bisschen fremd gefühlt. Fast sehnsuchtsvoll
       dachte ich an meine Kreuzberger Zahnärztin, die mir immer von ihrem letzten
       Mallorca-Urlaub erzählte, während sie mit irgendwelchen Stäbchen in den
       Wurzeln meiner Zähne herumstocherte („bei Ihnen verlaufen die Kanäle
       kompliziert“). Dabei verkünden sie im Superzahnzentrum auf dem Damenklo
       nonstop in einem Video: „Bei uns sind auch gesetzlich Versicherte herzlich
       willkommen.“
       
       ## 650 Euro extra für den Zahn
       
       Sind sie, aber 650 Euro an Extracash sind nötig für eine Wurzelbehandlung
       unter OP-Mikroskop, Kofferdamm und Elektrometrik, „weil die Kasse so was
       nicht zahlt“, klärt mich Frau Dr. F. auf. Ein 3-D-Röntgenbild, das
       Aufschluss gibt, welche anderen Zähne in den nächsten Jahren einer
       Behandlung im Superzahnzentrum bedürfen, kostet noch mal extra.
       
       Ich mach’s kurz: Mein 7er, ein Backenzahn mit labyrinthartigen Kanälen, ist
       gerettet. Das OP-Mikrosokop, die Elektrometrik und Frau Dr. F. haben einen
       tollen Job gemacht. Aber warum gibt es so was nicht auch bei Zahnärzten
       ohne Ipads im Wartezimmer, gebleachtem Personal und privater Zuzahlung? Das
       ist die Sauerei.
       
       26 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
   DIR Zahnarzt
   DIR Später
   DIR Frauen
   DIR Frauen
   DIR Später
   DIR Männer
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kolumne Später: Alte Hüte
       
       Viele Mützen in den Geschäften eignen sich für die Arktis. Oder eine
       Schiffstaufe. Aber nicht für den Gang auf die Straße.
       
   DIR Kolumne Später: Ächzend auf das letzte Schiff
       
       Inzwischen werde ich öfter auf 60.Geburtstage eingeladen. Nicht nur auf 50.
       Das hat seinen eigenen Reiz.
       
   DIR Kolumne Später: Andy Warhol kannte RTL nicht
       
       Wenn 1.500 Künstler ihr Lieblingsbild ausstellen, muss man dem
       Aufmerksamkeit schenken. Wenigstens ein bisschen.
       
   DIR Kolumne Später: Kein Strip im „Egoistka“
       
       Wenn alte Frauen jungen Männern hinterher schauen – ist das schon
       weiblicher Sexismus?