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       # taz.de -- „Traum“-Demonstration in USA: Mehr als Erinnerung
       
       > Vor 50 Jahren sprach Martin Luther King in Washington. Am Samstag ging es
       > in der „Traum“-Demonstration wieder ums Wahlrecht.
       
   IMG Bild: Seine Worte sind nicht aus Stein: Martin Luther King.
       
       WASHINGTON taz | Fotos von zwei afroamerikanischen Männern, die sich im
       Leben nie begegnet sind, waren am Samstag omnipräsent in der
       „Traum“-Demonstration in Washington: Martin Luther King und Trayvon Martin.
       50 Jahre nachdem der Bürgerrechtler King auf den Stufen des Lincoln
       Memorials die Rede von seinem Traum von einem Land hielt, in dem die
       Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, forderten Zigtausende Menschen erneut
       die Umsetzung dieses Traum.
       
       Der in Florida erschossene Teenager Martin stand dabei vor allem für
       jüngere Teilnehmer stellvertretend für die Gewalt gegen Afroamerikaner.
       Eindringlich forderten Redner – darunter VeteranenInnen der
       Bürgerrechtsbewegung von 1963, Prediger und demokratische PolitikerInnen –
       die Menge auf, nicht aufzugeben.
       
       „Ich habe Blut in Alabama für das Wahlrecht gelassen“, sagte John Lewis,
       der dieses Mal als Kongressabgeordneter, ein halbes Jahrhundert zuvor als
       studentischer Aktivist am Mikrofon stand: „Ich werde jetzt nicht tatenlos
       zusehen, wie unser Wahlrecht uns wieder genommen wird. Es ist das
       mächtigste gewaltfreie Werkzeug, das wir haben.“
       
       Lewis erhielt langen Beifall. Während der Bürgerrechtsbewegung ist er 40
       mal verhaftet und mehrfach blutig und bewusstlos geprügelt worden. Seit
       einer Entscheidung des Obersten Gerichtes Ende Juni dieses Jahres hat das
       alte Thema wieder neue politische Aktualität. Die RichterInnen haben es
       sämtlichen Bundesstaaten freigestellt, ihr Wahlrecht eigenmächtig zu
       verändern.
       
       Zuvor mussten bestimmte Südstaaten dafür die Zustimmung des
       Justizministeriums in Washington einholen. Unmittelbar nachdem das Oberste
       Gericht die Bestimmung von 1965 gekippt hat, legten North Carolina, Texas
       und andere Südstaaten Gesetze vor, die den Zugang zur Wahlurne erschweren.
       
       ## 40 Prozent der afroamerikanischen Kinder wachsen in Armut auf
       
       Die Veranstaltung in der Mall in Washington war zugleich Gedenken und der
       Versuch, eine neue Generation von AfroamerikanerInnen in die
       Bürgerrechtsbewegung hineinzuführen. Auf Transparenten und in Reden
       listeten TeilnehmerInnen die besonderen Probleme der schwarzen Bevölkerung
       der USA auf: Armut (40 Prozent der afroamerikanischen Kinder wachsen in
       Armut auf), doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie in der weißen Bevölkerung,
       mehr Schulabbrecher als in jeder anderen Bevölkerungsgruppe,
       Überrepräsentation in den Gefängnissen.
       
       In Sachen Wahlrecht kündigte der Prediger Al Sharpton an, dass in den
       kommenden Wochen Aktivisten in jene Bundesstaaten gehen werden, die das
       Wahlrecht für Minderheiten – u.a. mit der Einführung neuer Ausweispflichten
       – einschränken wollen. Und er schlug auch vor, im nächsten Jahr bei den
       Halbzeitwahlen eine Reihe von Abgeordneten auszuwechseln.
       
       Seine Liste von Themen, um die es heute geht, ist lang. Dazu gehört unter
       anderem die Schusswaffengewalt und die in mehr als 20 Bundesstaaten
       eingeführten „Stand-your-Ground“-Gesetze, die tödliche Schüsse zur
       „Selbstverteidigung“ erlauben. Sharpton versuchte auch, der jüngeren
       Generation, die „Dr. King“ nur aus den Geschichtsbüchern kennt, ins
       Gewissen zu reden.
       
       ## Racial Profiling
       
       Dabei sprach er ein paar unangenehme Themen an, die das Innenleben der
       afroamerikanischen Community betreffen. Sagte, dass kein Bürgerrechtler
       sein Leben gegeben habe, damit die Nachfahren Ganove spielen. Und dass
       heutige afroamerikanische Jugendliche ihre Chancen der Bürgerrechtsbewegung
       der 60er Jahre zu verdanken haben.
       
       Insbesondere: „Grossmüttern, die nie eine Schule von innen gesehen haben,
       und für Euch aufgestanden sind.“ Eindringlich appellierte der Prediger an
       junge Männer, ihre Frauen zu respektieren. „Der Kampf muss weitergehen“,
       sagte Luther King III, ältester Sohn des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers,
       an derselben Stelle, an der sein Vater 50 Jahre zuvor gesprochen hatte. Der
       56jährige schlug einen Bogen von der Segregation, gegen die sein Vater
       gepredigt hat, zu dem „racial profiling“ heute.
       
       Der ältesteste Redner hat mit „Dr. King“ die „Southern Christian Leadership
       Conference“ gegründet, die auf halber Strecke zwischen Kirche und Straße
       aktiv ist. Joseph Lowery, heute 92, forderte seine Zuhörer auf, es nicht
       bei einer Gedenkveranstaltung zu belassen. ‘‘Wir sind zur Erinnerung an
       Washington gekommen“, sagte er, „und wir fahren anschließend nach Hause und
       agitieren.“
       
       25 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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