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       # taz.de -- Realitäts-Check Energie: Strompreis senken! Aber wie?
       
       > Die Parteien überbieten sich mit Ideen, wie Verbraucher durch niedrigere
       > Stromkosten entlastet werden können. Die Vorschläge im Realitäts-Check.
       
   IMG Bild: Wenn die Stromsteuer sinkt, sparen die Haushalte Geld: je nach Vorschlag 59 (FDP), 47 (Linke) oder 18 Euro (SPD) im Jahr
       
       Endlich hat der Wahlkampf ein Thema gefunden. Die Strompreise beschäftigen
       derzeit alle Parteien. Sie haben in den vergangenen fünf Jahren um 30
       Prozent für Privathaushalte zugelegt und werden zum Jahreswechsel wohl
       erneut steigen. Fast täglich werden Sofortprogramme angekündigt,
       Zehn-Punkte-Pläne veröffentlicht und Gutachten vorgestellt.
       
       Die taz gibt einen Überblick: Wie soll der Anstieg der Strompreise gebremst
       werden? Was bringt das einem Durchschnitts-Haushalt finanziell? Und wie
       realistisch ist die Umsetzung?
       
       ## 1. Börsenpreise weitergeben
       
       Worum geht es? An der Strombörse ist der Preis in den letzten Jahren
       deutlich gesunken – zum einen, weil immer mehr Ökostrom eingespeist wird,
       was die Nachfrage nach sonstigem Strom senkt, zum anderen weil der
       EU-Emissionshandel nicht funktioniert, was Kohlestrom verbilligt. Statt 7
       Cent im Jahr 2009 kostet etwa Strom, der ein Jahr im Voraus gekauft wird,
       derzeit unter vier Cent. Doch diese Preissenkung kommt bei vielen Kunden
       nicht an – vor allem nicht bei jenen 40 Prozent der Haushalte, die noch nie
       den Anbieter oder Tarif gewechselt haben.
       
       Um das zu ändern, fordert die Linkspartei, dass alle Strompreise staatlich
       genehmigt werden müssen. Die SPD will, dass die Kartellbehörden zumindest
       einschreiten, wenn die Grundtarife über 10 Prozent teurer sind als andere.
       Auch Greenpeace wünscht eine solche Aufsicht, meint aber im Gegensatz zur
       SPD, dass dafür das Gesetz geändert werden muss. Einen anderen Ansatz
       verfolgen Grüne und Verbraucherschützer: Sie wollen die Grundversorgung für
       jede Region ausschreiben und dadurch die Preise senken.
       
       Was bringt das? Nach Greenpeace-Berechnungen könnte ein
       Durchschnitts-Haushalt um mindestens 30 Euro im Jahr entlastet werden, wenn
       die Grundversorger sinkende Preise weitergeben müssten. Von einer ähnlichen
       Größenordnung gehen die Grünen aus. Die Linke hält 60 Euro im Jahr für
       möglich, die SPD nennt keine Zahl.
       
       Ist das realistisch? Ein Eingriff in die Preisgestaltung würde bei den
       Stromversorgern auf starke Gegenwehr stoßen – sowohl bei jenen, die mit der
       Grundversorgung hohe Gewinne erzielen, als auch bei jenen, die mit
       günstigeren Preisen der Konkurrenz Kunden abjagen wollen. Klagen und
       massiver politischer Druck wären darum wahrscheinlich. Doch machbar wäre
       es, wenn der Wille und die politischen Mehrheiten da sind.
       
       ## 2. Stromsteuer runter
       
       Worum geht es? Da ist sich die FDP mal mit Linkspartei und SPD einig: Die
       Stromsteuer, die derzeit für Privatkunden 2,05 Cent pro Kilowattstunde
       (kWh) beträgt, soll sinken: Auf den EU-Mindestsatz von 0,1 Cent (FDP), auf
       0,5 Cent (Linke) oder 1,5 Cent (SPD). 0,1 Cent fordert auch das
       Forschungsinstitut DIW – allerdings nur für die ersten 1.000
       Kilowattstunden im Jahr.
       
       Was bringt das? Ein deutscher Durchschnittshaushalt (3.000 kWh im Jahr)
       würde beim FDP-Vorschlag 59 Euro jährlich sparen, bei der Linken 47 Euro
       und bei der SPD 18 Euro. Der DIW-Vorschlag würde 20 Euro im Jahr bringen.
       
       Ist das realistisch? Eine Senkung der Stromsteuer würde ein Loch in den
       Staatshaushalt reißen – zwischen 0,8 Milliarden Euro (DIW) und 7 Milliarden
       Euro (FDP). Die müssten irgendwie gegenfinanziert oder eingespart werden.
       Zudem ist nicht sicher, dass die Stromanbieter die Steuersenkung an die
       Verbraucher weitergeben – ähnlich wie bei den gesunkenen Börsenpreisen
       (siehe oben). Um wirklich effektiv zu sein, müsste die Steuersenkung mit
       einer Strompreisaufsicht gekoppelt werden, was die Parteien mit Ausnahme
       der FDP auch fordern.3.
       
       ## 3. Ökostrom billiger
       
       Worum geht es? Fast alle Parteien wollen – in unterschiedlichem Ausmaß –
       auch die garantierten Vergütungen verringern, die Betreiber von
       Ökostrom-Anlagen bekommen. Weil die Mehrkosten dafür auf die Stromkunden
       umgelegt werden, würde dadurch der Preisanstieg gebremst.
       
       Was bringt das? Die niedrigeren Vergütungen würden allerdings nur für neu
       gebaute Anlagen gelten; eine rückwirkende Änderung für bestehende Anlagen,
       die CDU-Umweltminister Peter Altmaier zu Jahresbeginn vorgeschlagen hatte,
       lehnen mittlerweile alle Parteien ab. Dadurch ist der mögliche Effekt
       dieser Maßnahme sehr begrenzt. Denn auf neue Anlagen werden im nächsten
       Jahr näch Schätzung des Öko-Instituts nur 7 Prozent der Ökostrom-Vergütung
       entfallen. Selbst wenn diese deutlich reduziert würde, schlüge sich das im
       Strompreis kaum messbar nieder.
       
       Ist das realistisch? Bei Windkraft und Biogas sind geringere Zahlungen
       möglich. Großen Effekt wird das aber nicht haben.
       
       ## Industrieausnahmen weg
       
       Worum geht es? Viele Industriebetriebe sind von der Ökostrom-Umlage
       teilweise befreit, ursprünglich als Schutz gegen ausländische Konkurrenz.
       Diese Vergünstigungen, die von den übrigen Stromkunden bezahlt werden, sind
       seit 2009 explodiert: von 0,74 auf 4,86 Milliarden. Sämtliche Parteien
       wollen die Ausnahmen durch schärfere Kriterien verringern, allerdings in
       sehr unterschiedlichem Ausmaß: Die Grünen wollen – ebenso wie diverse
       Umweltverbände – über 4 Milliarden Euro streichen, die SPD nur 500
       Millionen. FDP und Union, die die Ausnahmen gerade erst stark ausgeweitet
       haben, hatten im Rahmen der „Strompreisbremse“ 700 Millionen Euro
       angeboten. Die Linke nennt keine Zahl.
       
       Was bringt das? Wenn die Subventionen für die Industrie so kräftig
       gestrichen würden, wie von den Grünen gefordert, würde ein
       Durchschnittshaushalt um 45 Euro im Jahr entlastet, der SPD-Plan würde
       hingegen nur 8 Euro sparen.
       
       Ist das realistisch? Dass die Vergünstigungen für die Unternehmen irgendwie
       verringert werden, ist sehr wahrscheinlich – doch vermutlich in viel
       geringerem Ausmaß als möglich. Für ihre weitgehenden Einschnitte werden die
       Grünen keinen Partner finden. Dafür steht auch die SPD zu sehr auf Seite
       der Industrie.
       
       24 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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