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       # taz.de -- „Occupy Money Cooperative“: Eine Karte, eine Stimme
       
       > Ihre Proteste gegen die Wall Street sind fast verhallt. Doch die
       > „Occupy-Bewegung“ macht weiter: Mit einer Geldkooperative für Jedermann.
       
   IMG Bild: Ein anderer Blick aufs Geld ist möglich: Occupy-Demonstrant
       
       WASHINGTON dpa | Die Idee zur fairen Geldwirtschaft kam auf einer Bank – im
       New Yorker Zuccotti-Park, der Keimzelle der [1][„Occupy“-Bewegung]. Auch
       der britische Ex-Diplomat Carne Ross nahm im Herbst 2011 an den
       Massenprotesten gegen die Macht von Amerikas Großbanken teil.
       
       Ross, der aus Frust über den Irak-Krieg der Diplomatie den Rücken gekehrt
       hatte, dachte mit einer Gruppe von Finanzexperten über das Protestcamp
       hinaus. Ihr Ziel: Eine moralische Alternative zur Bank. In Kürze ist es
       soweit: Mit einer Kontokarte geht die [2][„Occupy Money Cooperative“]
       (Occupy-Geldkooperative) an den Start.
       
       „Die Kooperative soll vor allem all denen Zugang zu einem Konto geben,
       denen er derzeit vom profitorientierten Bankensystem verwehrt wird“,
       erklärt Ross, der heute politischer Berater in Manhattan ist, der dpa. Zehn
       Millionen Haushalte und damit rund 40 Millionen Menschen haben in den USA
       wegen ihrer finanziellen Verhältnisse nach Schätzungen keine Chance auf ein
       Bankkonto.
       
       „Die Kooperative will dafür sorgen, dass die Bevölkerung wieder Kontrolle
       über ihre Banken hat. Der Bankensektor ist schließlich ein Allgemeingut“,
       so der 46-jährige Ross.
       
       ## Fundraisingaktion geplant
       
       Erstes Produkt ist eine Kontokarte, ähnlich einer EC-Karte, über die
       Inhaber aber nur mit dem Geld wirtschaften können, das sie auch tatsächlich
       eingezahlt haben. Die Karte läuft über einen Kreditkartenanbieter. Welchen,
       verrät Ross noch nicht.
       
       Wer sie hat, soll damit nicht nur Bankgeschäfte tätigen können, sondern
       auch mitreden. Denn er ist automatisch Mitglied der
       Verbrauchergenossenschaft und damit an künftigen Entscheidungen beteiligt.
       Ganz gleich ob Teenager oder Rentner. Und nicht nur, wenn er zu den
       berühmten 99 Prozent der Bevölkerung gehört, für die die
       „Occupy“-Demonstranten monatelang ihre Stimme erhoben haben.
       
       „Jeder kann bei uns Mitglied werden, sogar Bill Gates“, versichert Ross.
       „Aber er bekommt nur eine Karte und damit auch nur eine Stimme.“ Wenn sich
       die Karte bewährt hat, sollen weitere Dienstleistungen folgen. Doch vor der
       Karte kommt das Kapital. „Wir brauchen Startgeld, um die ersten
       Plastikkarten zu drucken und Personal einzustellen“, erklärt Ross.
       
       Dazu wird die Kooperative in den kommenden Tagen eine Fundraisingaktion
       starten. Wer spendet, erhält die Eintrittskarte zum günstigen
       Zahlungsverkehr jenseits der teuren US-Banken, „mit all ihren versteckten
       Gebühren und Profitinteressen“, erklärt Ross.
       
       ## Stärkere Regulation gefordert
       
       „Die sogenannte Bankenregulierung, die die Regierung nach dem großen Crash
       eingeführt hat, ist völlig inadäquat“, ärgert er sich. Das Regelwerk, dem
       es zugrunde liegt, sei rund 600 Seiten lang, dabei passe das
       nicht-Enthaltene aber doch Wesentliche auf eine einzige Seite: „Banker
       müssen bei ihren Geschäften persönliche Risiken tragen. Und Banken müssen
       gezwungen werden, erheblich mehr Kapital zu haben, als sie an Krediten
       verlieren können.“ Der Staat müsse die Banken derart regulieren, dass diese
       jedem Kunden Zugang gewährten und dass sie nicht die ganze Wirtschaft
       gefährden könnten.
       
       Wie der ehemalige UN-Diplomat selber, arbeitet noch ein Dutzend anderer
       Aktivisten freiwillig für das Projekt. Mit im Aufsichtsrat sitzt
       beispielsweise der ehemalige Deutsche Bank-Mitarbeiter Christian Brammer,
       der sich inzwischen als selbstständiger Finanzberater in New York
       niedergelassen hat. „Der Geist der Banken hat sich seit den 1980er Jahren
       derart verändert, dass ich mich nicht mehr damit identifizieren konnte“,
       sagt er der dpa.
       
       Eine Bank zu gründen, die es anders macht, sei derzeit außerhalb des
       Machbaren – zu teuer, zu langwierig, zu kompliziert. Die Kooperative sei
       aber ein erster Schritt. Sie habe denselben Ursprungsgedanken wie die
       ersten Genossenschaften – zum Beispiel von Bauern – des 17. und 18.
       Jahrhunderts: „Interessengemeinschaften von Menschen, die sich nicht
       richtig bedient fühlen.“
       
       Wichtiger Aspekt der „Occupy Money Cooperative“ ist für den 53-Jährigen
       auch der Bildungsgedanke. „Wir wollen den Menschen durch Transparenz und
       Aufklärung beibringen, welche Haken Bankgeschäfte haben.“ Das geschehe zum
       einen über die Website, zum anderen werde über Vorträge an Schulen,
       Universitäten und anderen Genossenschaften nachgedacht.
       
       21 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.occupy.com/
   DIR [2] http://www.occupycooperative.com/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Passenheim
       
       ## TAGS
       
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