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       # taz.de -- ZDF-Film über Flüchtlinge: Auf der Flucht vor der Primetime
       
       > „Transfer - der Traum vom ewigen Leben“ ist großartiges junges Kino über
       > die Flüchtlingsproblematik - das ZDF versendet es nach Mitternacht.
       
   IMG Bild: Apolains (BJ Britt) Körper ist reichen Weißen viel Geld wert: Szene aus "Transfer - Der Traum vom ewigen Leben".
       
       Fast könnte man meinen, das ZDF habe hier mal ein
       Sommer(loch)-Schwerpunktthema setzen wollen: afrikanische Flüchtlinge und
       ihr beschwerlicher Weg nach Europa. Zwar muss man dann leider zuerst an das
       so gut gemeinte wie kolossal vergeigte ZDFneo-Docutainment-Experiment „Auf
       der Flucht“ erinnern: sechs halbprominente und nichtprominente Borderliner
       spielen Flüchtlingsschicksale nach.
       
       Aber es gab da ja auch, in der ZDF-Reihe Shooting Stars, den Film „Transfer
       – Der Traum vom ewigen Leben“, der das Thema afrikanische Bootsflüchtlinge
       auf sehr viel angemessenere Art und Weise aufs Tapet gebracht hat.
       
       Leider behält der Sender seine besten, auch mit ZDF-Geldern finanzierten
       Filme einem cinephilen Nischenpublikum nach Mitternacht vor. So auch heute.
       Den großartigen Abschluss der Shooting-Stars-Reihe – als „Plattform für das
       junge Kino“ gedacht – versendet man nach Mitternacht. Als wäre eine
       filmische Dystopie aus deutschen Landen nicht etwas ganz Besonderes, ganz
       und gar Seltenes – Roland Emmerichs „Das Arche Noah Prinzip“ fällt ein, 30
       Jahre ist es her.
       
       „Rate mal, wie viele Neger letzte Woche gekommen sind“, sagt da also in
       „Transfer“ der Mann zu seiner Frau. Sie sagt, sie wolle nicht, dass er das
       sagt, „Neger“. Dann sagt sie: „Keine Ahnung. 400?“ Er: „23.000.“
       
       Wie gesagt, es ist eine Dystopie. Der Dialog als Widerhall des
       Beinahe-Schwerpunktthemas. Und übrigens, das Ehepaar, das sich so
       unterhält, ist selbst schwarz. Aber nur äußerlich. Es ist ein bisschen
       verzwickt. Also von vorne.
       
       ## „Blutwerte, Libido - ausgezeichnet"
       
       Auf der einen Seite zwei greise Lebenspartner (Ingrid Andree und
       Hans-Michael Rehberg), 50 gemeinsame, nett verbrachte Ehejahre. Auf der
       anderen Seite zwei schöne, schwarze junge Menschen mit perfekten
       Astralkörpern (Regine Nehy und BJ Britt, beide bislang vor allem
       Nebendarsteller in diversen amerikanischen TV-Serien): „Beide haben die
       somatischen und psychosomatischen Tests erfolgreich durchlaufen. Affekt und
       Gefühlswelt – ausgezeichnet. Regenerationsfähigkeit – ausgezeichnet.
       Blutwerte, Libido – ausgezeichnet.“
       
       Es ist die nahe Zukunft, die hier spricht: das Unternehmen Menzana – Motto:
       Mens sana in corpore sano – verkauft die Körper armer Afrikaner an gut
       betuchte Europäer. Eine Art Organhandel 2.0: Ein Prozent des Kaufpreises
       von einer Million Euro geht an die Familien in Afrika – 99 Prozent bekommt
       Menzana. Vier Stunden am Tag werden die Körperspender sie selbst sein, 20
       Stunden eines Tages gehören sie ihren Wirten.
       
       Vier Stunden können sehr kurz sein, zwei Körper zu klein für vier
       Persönlichkeiten. Wer bin ich – und wenn ja wie viele? Darauf läuft es wohl
       hinaus. Aber wie Regisseur Damir Lukacevic das in seinem zweiten Langfilm,
       „Transfer“, der auf einer Kurzgeschichte von Elia Barceló beruht, ausführt,
       ist ziemlich clever und ambivalent.
       
       Immerhin ein Klischee wollte Lukacevic aber dann doch bedienen: das der
       eiskalten Wissenschaftlerin (Jeanette Hain). Standesgemäß residiert sie,
       wie viele Filmbösewichte vor ihr, in einem aseptisch-modernistischen
       Sichtbeton-Ambiente. Nicht von ungefähr erinnert „Transfer“ hier an
       „Gattaca“, in dem Film ging es um die Optimierung des Menschen durch
       Genmanipulation. Das Körperspenden-Motiv ist bekannt aus „Never Let Me Go“
       und „Alles, was wir geben mussten“.
       
       Alle drei Filme sind gute Beispiele dafür, dass eine gelungene
       Science-Fiction-Dystopie keine Frage von aufwendigen Spezialeffekten und
       teurem CGI-Gedöns ist. Mehr davon!
       
       19 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Müller
       
       ## TAGS
       
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