URI: 
       # taz.de -- Urteil im Prozess Jonny K.: „Dumm, arrogant und aggressiv“
       
       > Die Berliner Richter sehen Onur U. als Haupttäter. Doch wer für den Tod
       > des 20-jährigen Jonny K. letztlich verantwortlich ist, bleibt ungeklärt.
       
   IMG Bild: Jonny K. starb an Hirnblutungen. Was genau diese ausgelöst hat, blieb im Verfahren unklar.
       
       BERLIN taz | Anders als beim Plädoyer des Staatsanwalts fließen keine
       Tränen, als das Urteil ergeht. Die Angehörigen der sechs Angeklagten wirken
       erstarrt. Aber auch in den Gesichtern der Freunde des Opfers spiegelt sich
       keine Regung. Viereinhalb Jahre für den Amateurboxer Onur U., den das
       Gericht als Haupttäter ausmacht. Haftstrafen zwischen zwei Jahren und drei
       Monaten und zwei Jahren und acht Monaten für die fünf Mitangeklagten. Zu
       viel oder zu wenig für eine Prügelattacke, an deren Folgen ein 20-Jähriger
       starb?
       
       Seit Anfang Mai hat die 9. Jugendkammer des Berliner Landgericht versucht,
       den Fall aufzuklären, der sich in den frühen Morgenstunden des 14. Oktober
       auf dem Alexanderplatz in Berlin ereignet hat. Selten war das
       Medieninteresse an einem Prozess so groß und so anhaltend. Die Bilder des
       getöteten Thaideutschen Jonny K. und seiner Schwester Tina, die einen
       Verein gegen Gewalt gegründet hat, gingen um die Welt.
       
       Auf der einen Seite stehen die Freunde der Angeklagten – die meisten mit
       türkischen oder griechischen Migrationshintergrund, wie die Täter. Auf der
       andere Seite der Freundeskreis des Getöteten – gebürtige Deutsche,
       Thailänder und Vietnamesen gehören dazu. Der 28-jährige Gerhard C., der mit
       Jonny K. in der Tatnacht unterwegs war und in dem Prozess der wichtigste
       Zeuge ist, ist Afrodeutscher.
       
       Nach dem Urteil schlagen draußen auf der Straße die Emotionen hoch. Die
       Bekannten der Angeklagten sind enttäuscht und verärgert. Sie haben auf
       Bewährungsstrafen gehofft. Mit der Presse sprechen will keiner mehr. Die
       anderen, die mit „I am Jonny“-Plakaten und T-Shirts vor dem Kriminalgericht
       stehen, finden, die Angeklagten seien zu billig davongekommen. „Sogar für
       illegales Downloaden kriegt man mehr“, meint eine junge Frau.
       
       ## Ein Mittelweg
       
       So gesehen hat das Gericht mit dem Urteil einen Mittelweg gefunden. Gegen
       Versuche von Medien, mit einer reißerischen Berichterstattung Einfluss auf
       das Verfahren zu nehmen, hat sich der Vorsitzende Helmut Schweckendieck von
       Anfang an verwahrt. Im Urteil am Donnerstag geißelt er namentlich Springers
       B.Z. Weil sich ein Reporter des Boulevardblatts an einen geschwätzigen
       Schöffen herangemacht hatte, war der Prozess nach vier Verhandlungstagen
       geplatzt und musste noch einmal ganz von vorn beginnen.
       
       Die sechs Angeklagten waren zum Tatzeitpunkt 19 bis 24 Jahre alt. Sie
       hatten in einer Bar gefeiert, waren angetrunken, als sie vor einem Eiscafé
       in der Nähe des Alexanderplatzes auf Jonny K. und seine drei Freunde,
       darunter Gerhard C., stießen. C. trug einen betrunkenen Freund. Beide
       Gruppen hatten sich zuvor nie gesehen.
       
       Nach Feststellung des Gerichts beginnt alles damit, dass der Angeklagte
       Onur U. von hinten an dem Stuhl rüttelt, auf den C. den Betrunkenen setzen
       will. Aus einer Laune heraus, „in einer Mischung aus Dummheit, Arroganz,
       Unverschämtheit und Aggression“, so der Vorsitzende Schweckemndieck. C.
       gerät mit dem Betrunkenen ins Straucheln. Jonny K. sei hingegangen, habe
       versucht zu schlichten, habe Onur U. an die Brust getippt und „Hey“ gesagt.
       Onur habe das als unverschämt empfunden und Jonny K. einen Faustschlag vor
       die Brust verpasst. „Das war das Signal für die Attacke“, steht für das
       Gericht fest.
       
       Auch die anderen Angeklagten treten und schlagen auf Jonny. K ein. Selbst
       als er schon bewusstlos am Boden liegt, bekommt er noch mindestens drei
       Fußtritte. Auch Gerhard C. der seinem Freund zu Hilfe kommen will, wird
       schwer zusammengeschlagen. Onur U. hat in dem Prozess mindestens zehn
       Faustschläge gegen C. eingeräumt. Jonny K. will er nicht angefasst haben.
       
       ## Die Tatbeiträge der anderen
       
       Das Gericht sieht es so wie der Staatsanwalt: Der einschlägig vorbestrafte
       Amateurboxer, der nach der Tat für ein halbes Jahr in der Türkei
       untergetaucht war, sei der Haupttäter. Dass Onur U. als Einziger wegen
       Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt wird, begründet Schweckendieck
       so: U. habe mit der Tat begonnen und müsse somit auch die Tatbeiträge der
       anderen übernehmen, selbst wenn einer der anderen fünf den tödlichen Tritt
       ausgeführt habe.
       
       Jonny K. starb an Hirnblutungen. Was genau diese ausgelöst hat, blieb
       unklar. Die übrigen Angeklagten wurden wegen Beteiligung an einer
       Schlägerei und gefährlicher Körperverletzung verurteilt.
       
       Alle hatten einen Beitrag an der Tat eingeräumt, aber keiner wollte
       Verantwortung für den Tod übernehmen. Das müsse jeder nun „mit seinem
       Gewissen ausmachen“ sagt Schwekendieck. Jonny K.s Schwester Tina ist
       gefasst, wie die meiste Zeit. „Mein Bruder wird nicht wiederkommen“, sagt
       sie.
       
       15 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Plutonia Plarre
       
       ## TAGS
       
   DIR Jonny K.
   DIR Prozess
   DIR Urteil
   DIR Jonny K.
   DIR Jonny K.
   DIR Jonny K.
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Urteil Jonny K.: Das Andenken in Ehren halten
       
       Das Urteil im Fall Jonny K. ist gesprochen. Einfache Antworten führen nicht
       weit. Alltägliche Präventionsarbeit hingegen schon.
       
   DIR Urteil im Jonny-K.-Prozess: Mehrjährige Haftstrafen verhängt
       
       Viereinhalb Jahre Haft für den Haupttäter: Das Landgericht Berlin
       verurteilt sechs Männer, die Jonny K. totgeprügelt haben. Die weiteren
       Strafen liegen unter drei Jahren.
       
   DIR Jonny K.: „Aus erzieherischen Gründen“
       
       Im Verfahren gegen die mutmaßlichen Schläger vom Alex fordert die
       Staatsanwaltschaft fünfeinhalb Jahre Haft für Onur U., der als Haupttäter
       gilt.
       
   DIR Plädoyer im Jonny-K.-Prozess: Die Staatsanwaltschaft spricht
       
       Haftstrafen zwischen zweieinhalb und fünfeinhalb Jahren für alle sechs
       Tatbeteiligten – dieses Strafmaß wünscht sich die Anklage im Prozess um den
       Prügeltod von Jonny K..