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       # taz.de -- Mixed Media Performance: Explosionen im virtuellen Raum
       
       > Die Performance „The Wired Salutation“ der Künstlerin Angela Bulloch und
       > des Musikers David Grubbs lässt das Artifizielle auf das Humane prallen.
       
   IMG Bild: Szene der Uraufführung von „The Wired Salutation“ im Pariser Centre Pompidou.
       
       Hallo schöne neue Welt, hier kommt die Dissonanz der Erhabenheit. Und eine
       Bizarrerie, die aus dem direkten Aufeinandertreffen von Menschen,
       Bühnenlicht, Installation und Avataren entsteht. Alle diese Elemente und
       Ebenen strapazieren unsere Vorstellungskraft auf faszinierende Weise. Es
       geht um „The Wired Salutation“, eine Performance, die gemeinsam von der in
       Berlin lebenden britischen Künstlerin Angela Bulloch und dem New Yorker
       Musiker David Grubbs entwickelt wurde.
       
       Bulloch ist bekannt für ihre serielle, ordnungsgeleitete Minimal Art. Das
       Setting für „The Wired Salutation“ wirft Ordnungen hingegen über den
       Haufen. Die Bühne wird dabei zu einem Experimentierfeld ständig wechselnder
       Dimensionen.
       
       Zunächst bestimmt eine Leinwand das Geschehen. Auf ihr sind vier Avatare zu
       sehen, die nach David Grubbs und seinen italienischen Mitmusikern Andrea
       Belfi und Stefano Pilia sowie Angela Bulloch, die den Bass bedient,
       modelliert sind. Das Avatarquartett spielt Musik. Aber die von ihnen
       simulierte Musik wird von den leibhaftig anwesenden vier Musikern und ihren
       Instrumenten live aufgeführt.
       
       Das Artifizielle und das Humane, das Digitale und das Analoge liegen von
       Beginn an im Widerstreit. Zu sehen sind animierte Figuren, deren Gestik und
       Mimik bald erschöpfend wirken, aber zu hören ist ein nuancierter, dynamisch
       austarierter Sound aus zwei Gitarren, Bass, Orgel und Drums.
       
       ## Annäherung an Zabriskie Point
       
       Die Musik nähert sich dem Soundtrack an, den der amerikanische Gitarrist
       John Fahey Ende der Sechzigerjahre für Michelangelo Antonionis Film
       „Zabriskie Point“ komponiert hat. Es geht nicht ums Zitieren, Grubbs und
       seine Mitmusiker schaffen eine Atmosphäre, die mit jenen fiebrigen Sounds
       von Fahey verwandt scheint. „Auch auf der Leinwand findet durch die Avatare
       eine Annäherung an ihre menschlichen Vorbilder statt, vielleicht könnte man
       auch Vergötterung dazu sagen. Es ist beides“, erklärt Angela Bulloch im
       Gespräch.
       
       Sie hat die Avatare mithilfe von Presets einer japanischen Software
       entwickelt. „Am Ende ist man froh über die Menschen, da sich die Avatare
       nur ungelenk bewegen und wenig ausdrucksstark ihre Instrumente spielen. Aus
       dem, was sie darstellen, habe ich auf der Leinwand Muster entwickelt. Die
       Avatare lassen allerdings zahlreiche menschliche Eigenschaften vermissen
       und so ist man am Ende erleichtert, diese Muster durch die Musiker zu
       brechen.“
       
       ## Bewegungen erahnen
       
       Bei seiner Uraufführung, die im März im Pariser Centre Pompidou stattfand,
       zog „The Wired Salutation“ mit seinem raffinierten Wechselspiel aus Virtual
       Reality und Livemusik, aus Leinwand- und Bühnengeschehen die Zuschauer in
       den Bann. Zunächst befindet sich die Leinwand vor den Musikern, man kann
       diese nur hören, ihre Bewegungen bestenfalls erahnen. Die Ebenen werden
       später vertauscht.
       
       Dann werden zunächst die Umrisse der Musiker vor der Leinwand sichtbar und
       sie spielen hell erleuchtet im Vordergrund. So entsteht im Verlauf der
       Performance der Eindruck, als würde die Leinwand den Vorhang eines Theaters
       ersetzen und die animierten Figuren für die Musiker zur Projektionsfläche
       werden, bevor sie verschwindet.
       
       Aber auch für die animierten Figuren auf der Leinwand hat Angela Bulloch
       einen Bildhintergrund erschaffen. Dieser befolge einen Rhythmus, der
       zwischen zweidimensionalen und dreidimensionalen Mustern hin- und her
       springt. Es sei also ein Hintergrund, der auf eine sehr räumliche Weise
       gedacht sei und vom flachen Zweidimensionalen hin zu einem Cube wechsle.
       „Heute arbeiten viele Menschen in virtuellen Räumen. Ich wollte diesen Raum
       einmal als großes Bühnenelement erscheinen lassen und als zusätzliche Ebene
       neben dem Livegeschehen auf der Bühne sichtbar machen und mit diesen
       Dimensionen spielen.“
       
       ## Die berühmte Schlussszene
       
       Der dritte Teil von „The Wired Salutation“ ist eine Variation von
       „Z-Point“, einer mixed media Soundinstallation von Bulloch und Grubbs, die
       im Münchner Lenbachhaus ausgestellt ist. Angelehnt an die berühmte
       Explosionsszene am Ende von „Zabriskie Point“ bringt Bulloch Lampen in
       Pixelboxen in einem spezifischen Rhythmus Farbskalen zum Dimmen während ein
       drone-artiger Orgelsound von Grubbs erklingt. Bei „The Wired Salutation“
       wird „Z-Point“ zweimal hintereinander mit einem Break in der Mitte
       performt. Bühnenscheinwerfer ersetzen die Pixelboxen und werden in allen
       Spektralfarben auf die Bühne und zurück in den Zuschauerraum geschaltet.
       
       Die Musik beginnt mit dem pulsierenden Orgeldrone und endet mit der
       Variation des Anfangsthemas, das alle vier Musiker spielen. „Ganz am Anfang
       unserer Kollaboration haben wir uns über die Vorstellungswelten der
       Science-Fiction unterhalten. Schon bald kam die Erkenntnis, dass ’The Wired
       Salutation‘ nicht von der Zukunft handeln darf, sondern von einer
       Projektion dessen, was man sein möchte.“
       
       15 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Weber
       
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