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       # taz.de -- Schulassistenten müssen keine Erzieher sein: Inklusion ohne Qualifikation
       
       > Das Durcheinander in Sachen „Schulassistenz“ ist zumindest teilweise
       > beendet. Aber: Nun werden auch schlechter Qualifizierte als
       > AssistentInnen eingesetzt.
       
   IMG Bild: Individuelle Hilfen im Schulalltag gibts nur noch auf Antrag.
       
       Ein bisschen Unklarheit im Bereich der Schulassistenz scheint aus dem Weg
       geräumt zu sein, denn gestern teilte die Bildungsbehörde mit: Zukünftig
       wird ausschließlich sie Anlaufstelle für diesen Bereich sein – eine
       Erleichterung für Eltern, die bei der Beantragung von Hilfen für ihr Kind
       seit fast einem Jahr lang von der Bildungs- zur Sozialbehörde und retour
       geschickt wurden. Andere Neuigkeiten sind indes nicht ganz so positiv.
       
       Im Bereich der Assistenz für SchülerInnen mit Behinderungen arbeiten mit
       fast 400 Beschäftigten in Bremen zum größten Teil MitarbeiterInnen des
       Martinsclubs (MC). Als „persönliche Assistenten“ betreuten sie bis
       September 2012 SchülerInnen, die aufgrund ihrer Handicaps den Alltag an
       einer Regelschule nicht alleine meistern konnten. Dann wurden aus
       persönlichen AssistentInnen im September SchulassistentInnen, zuständig für
       mehrere Kinder gleichzeitig. Individuelle Assistenz steht seither nur noch
       SchülerInnen mit besonderem Bedarf zu. Und während die Schulassistenten von
       der Bildungsbehörde finanziert wurden, war lange unklar, welche Behörde die
       persönlichen Assistenzen bezahlt. Unzumutbar für Eltern, deren Anträge über
       das Behörden-Hickhack oft auf der Strecke blieben.
       
       Das soll nun anders werden, denn die Staatsräte haben sich darauf geeinigt,
       die Zuständigkeit ein für allemal beim Bildungsressort zu belassen. Das
       heißt: Eltern, die eine individuelle Betreuung für ihr Kind wollen, können
       über das an ihrer Schule angesiedelte „Zentrum für unterstützende
       Pädagogik“ (Zup) einen Antrag bei der Bildungsbehörde stellen.
       
       Die Neuerungen im Assistenzprogramm beinhalten aber noch mehr: Künftig
       sollen auch HelferInnen oder Absolventen des Bundesfreiwilligendienstes
       (Buftis) als AssistentInnen eingesetzt werden. „Bedarfsgerechte Hilfe“
       nennt das Detlev von Lührte, Justitiar der Bildungsbehörde. „Man muss die
       Frage stellen, ob für jede Betreuung wirklich ein Erzieher notwendig ist.“
       
       „Sicher nicht“, bestätigt MC-Geschäftsführer Thomas Bretschneider, „aber
       Kinder, die auch von einem Bufti betreut werden können, erhalten ohnehin
       keine persönliche Assistenz mehr“. Seine AssistentInnen sind ErzieherInnen,
       HeilerziehungspflegerInnen, SozialpädagogInnen, LogopädInnen oder
       Pflegefachkräfte. Für eine Schulassistenz sei eine Qualifikation
       unerlässlich: „Da müssen vier bis fünf Kinder mit teils völlig
       unterschiedlichen Bedarfen betreut werden.“ Und eine sogenannte
       „Drittkraft“, also eine persönliche Assistenz, die in Inklusionsklassen
       neben Lehrkraft, Sonderpädagogen und Schulassistenz für ein Kind mit
       besonders hohem Betreuungsbedarf eingesetzt wird, müsse erst recht
       qualifiziert sein.
       
       „Drittkräfte werden bei uns eingesetzt für Kinder mit großen
       Wahrnehmungsverarbeitungsproblemen oder hochgradiger Pflegeintensität“,
       erzählt ein Bremer Sonderschullehrer (Name ist der taz bekannt). Bisher
       seien die stets vom MC gestellt worden, „aber jetzt haben wir zum ersten
       Mal eine Drittkraft von einem anderen Träger – und die ist gelernte
       Hauswirtschafterin!“
       
       Der MC lehnt es indes ab, hier Hilfskräfte einzusetzen. Nur ungefähr 20
       Prozent der Assistenz-Arbeiten, so Bretschneider, könnten auch von
       schlechter Qualifizierten erledigt werden: „Und für die sind wir auch
       bereit, zukünftig Helfer einzustellen – aber auch nur für die!“
       
       Von Lührte indes sorgt sich nicht um die Zukunft der Inklusion an Bremer
       Schulen: „Es gibt große Interessen anderer Träger, die gern in den
       Assistenten-Markt hinein möchten.“ Bretschneider ist sich dessen bewusst:
       „Aber wenn ein großer, erfahrener Träger mit einer funktionierenden
       Struktur in Zukunft abgelöst und ergänzt wird von vielen unterschiedlichen,
       kleinen Trägern, dann wird die Qualität der Assistenz zwangsläufig nach
       unten gehen.“
       
       14 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
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