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       # taz.de -- Abschiebungen aus Tansania: Vertreibung der Tutsi nach Ruanda
       
       > Tausende Ruander fliehen aus Tansania – viele davon Alteingesessene. Vor
       > dem Hintergrund regionaler Spannungen will das Land „Kriminelle“
       > entfernen.
       
   IMG Bild: Fliehende erreichen den Grenzübergang auf der Rusumo-Brücke.
       
       BERLIN taz | Zu Tausenden sind in den letzten Tagen ruandische Staatsbürger
       aus Tansania in ihr Heimatland zurückgekehrt. Mit ihrem Hab und Gut strömen
       sie über die große Brücke am Rusumo-Grenzfluss.
       
       Bis Sonntagabend verzeichneten die ruandischen Grenzbehörden nach einem
       Bericht der Zeitung Umuseke 3.576 Rückkehrer; am Wochenende kamen rund
       1.000 pro Tag, viele mit Matratzen auf dem Kopf und Kühen im Schlepptau.
       Auch gestern dauerte der Zustrom an.
       
       Tansanias Regierung hatte am 29. Juli allen „illegalen Einwanderern“ in
       drei nordwestlichen Provinzen eine Frist von zwei Wochen gesetzt, das Land
       zu verlassen. „Wir können nicht zulassen, dass Kriminelle Tansanier
       terrorisieren“, sagte Tansanias Präsident Jakaya Kikwete zur Begründung.
       
       Wann die Frist genau ausläuft, ist unklar. Unterschiedliche Berichte
       sprechen vom vergangenen Sonntag oder vom kommenden Mittwoch.
       
       Insgesamt sind nach amtlichen tansanischen Angaben rund 32.000 Menschen
       betroffen, die Mehrzahl davon Ruander. Viele von ihnen sind einfache
       Tutsi-Viehzüchter, die bereits bei den ersten Pogromen gegen Tutsi in
       Ruanda um 1959 gegen Ende der Kolonialzeit das Land verließen.
       
       Manche sind in Tansania geboren, kennen Ruanda nicht und beherrschen die
       ruandische Sprache Kinyarwanda auch nicht, berichtet die ruandische
       Tageszeitung New Times. 
       
       Das Blatt beschreibt den Fall des 67-jährigen Ezwa Nshimiyimana, der 30
       Jahre lang im tansanischen Biharamuro Kühe gezüchtet hatte. Jetzt wurde er
       zur unerwünschten Person erklärt, musste sein Land zurücklassen und seine
       60-köpfige Viehherde für knapp 30 Euro verkaufen, um überhaupt zur Grenze
       zu gelangen. „Mein Nachbar brach nachts in mein Haus ein und drohte, uns zu
       töten, wenn wir bleiben“, erzählte er.
       
       Die 42-jährige Roda Mungeriwase sagte, ihre Eltern seien 1966 nach Tansania
       gezogen, sie sei dort geboren, habe dort geheiratet und Kinder bekommen:
       „Plötzlich haben wir kein Zuhause mehr. Ich weiß nicht, was mein Mann jetzt
       macht oder wie er unsere sieben Kinder versorgen wird.“
       
       ## Der Schatten des Kongokrieges
       
       Regionale Medien stellen die Ausweisungen in einen Zusammenhang mit den
       jüngst sehr angespannten Beziehungen zwischen Ruanda und Tansania. Tansania
       ist der wichtigste Truppensteller der neuen UN-Eingreifbrigade FIB (Force
       Intervention Brigade) in der Demokratischen Republik Kongo, die die
       ostkongolesische Metropole Goma gegen die mutmaßlich von Ruanda
       unterstützte kongolesische Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März)
       verteidigt.
       
       Tansania kommandiert auch diese Brigade, die sich darauf vorbereitet,
       notfalls gegen die M23 in den Krieg zu ziehen. Manche kongolesische
       Regierungsoffiziere spekulieren darauf, mit tansanischer Unterstützung den
       Krieg gegen die M23 direkt nach Ruanda tragen zu können.
       
       In diesem Zusammenhang sorgt für Irritation zwischen beiden Regierungen,
       dass Tansanias Präsident Kikwete im Mai Ruanda aufforderte, mit der im
       Ostkongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur
       Befreiung Ruandas) Gespräche aufzunehmen. Tansania beherbergt bereits den
       FDLR-Vizekommandeur General Stanislas Bigaruka, der vor Monaten im
       tansanischen Kigoma festgenommen wurde. R
       
       uanda fordert Bigarukas Auslieferung und lehnt Gespräche mit der FDLR ab
       unter Verweis darauf, dass die Miliz aus Tätern des ruandischen
       Völkermordes entstand. Nach UN-Angaben nutzt die FDLR die Region um Kigoma
       für Nachschub und Waffentransfer in den Kongo.
       
       Auf die aktuelle Krise reagiert Ruanda bisher gelassen: Tansanier in Ruanda
       hätten nichts zu befürchten, sagte die Regierung, und die New Times hob
       hervor, dass eine ehemalige „Miss Tanzania“ in Ruandas Modeindustrie
       Karriere macht. Aus ruandischer Sicht kann Tansania die Konfrontation nicht
       zu weit treiben: Sämtlicher Militärnachschub für die FIB in Goma muss durch
       ruandisches Gebiet hindurch.
       
       12 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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