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       # taz.de -- Wahlkampfschlager Ganztagsschule: Mehr Unterricht nach 10.45 Uhr
       
       > Die SPD verspricht Milliarden, die CDU zeigt sich offen: Mehr
       > Ganztagsschulen könnten das große Thema der nächsten Regierung werden.
       
   IMG Bild: Diesen Kindern schmeckt die Ganztagsschule.
       
       BERLIN taz | Nach der Kita kommt die Schule. Das gilt im Leben. Und dem
       könnte vielleicht auch bald die Politik folgen. Im Wahlkampf zeichnet sich
       bereits eine Debatte über mehr Ganztagsschulplätze ab. „Es muss schon unser
       Anspruch sein, dass überall dort, wo Familien Betreuung haben möchten über
       den Schulrahmen hinaus solche Betreuungsangebote angeboten werden“, sagte
       Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
       
       Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie hänge nicht nur von der
       Zahl der Kitaplätze ab. Denn wie soll Müttern – und theoretisch auch Vätern
       – der Wiedereinstieg in den Job gelingen, wenn die Kinder mit dem
       Schulranzen „froh gelaunt um 10.45 Uhr vor der Haustür“ stünden. Auch
       Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) sperrt sich nicht: „Es ist
       wichtig, weiter in Ganztagsschulen zu investieren“, sagte eine Sprecherin.
       
       Es ist ein Richtungswechsel mit Zwischentönen: Die Union verabschiedet sich
       langsam vom Modell der Halbtagsschule, und die SPD zieht gar mit einer
       Milliardenankündigung in den Wahlkampf.
       
       ## 8 Milliarden - ein Paukenschlag
       
       8 Milliarden Euro wollen die Sozialdemokraten in den Ganztagsausbau
       stecken. Ein Wahlversprechen, das in seiner Dimension selbst Beobachter
       überrascht. „Das wäre wirklich ein Paukenschlag“, findet Stefan Appel,
       Bundesvorsitzender des Ganztagsschulverbandes. Das erste Programm, mit dem
       die damalige rot-grüne Bundesregierung vor gut zehn Jahren den Ausbau
       angeschoben hatte, war nur halb so teuer. Und schon das galt als das größte
       Bildungsprogramm der jüngeren Vergangenheit. Rekordsummen sind aber auch
       nötig. Denn noch immer gibt es zu wenige Plätze.
       
       In Internetforen machen viele Eltern ihrem Ärger Luft: „Wir haben eine
       Ganztagsplatz im Kindergarten bekommen, aber unsere Grundschule ist keine
       Ganztagsschule“, schreibt ein Elternpaar, das ins Grüne in Hessen gezogen
       ist. „Ich bin gerade dabei, zu verzweifeln“, schreibt eine Mutter, deren
       Sohn nach dem Kindergarten wohl keinen Platz in einer Ganztagsgrundschule
       bekommen wird. „Mein Mann arbeitet im Schichtdienst bei der Polizei, und
       ich bin vollberufstätig von 8 bis 16 Uhr.“
       
       Wie groß der Mangel ist, zeigt auch eine Studie, die die private
       Bertelsmann-Stiftung kürzlich vorgelegt hat. 70 Prozent der Eltern wollen
       einen Ganztagsplatz für ihr Kind. Aber nur 30 Prozent der Kinder können die
       Schule derzeit bis zum Nachmittag besuchen. Trotz der
       Milliardeninvestitionen gehe der Ausbau, so die Stiftung, im Schneckentempo
       voran.
       
       Drastisch sind auch die Unterschiede zwischen den Ländern. In Sachsen sind
       78,5 Prozent aller Kinder Ganztagsschüler, in Bayern lediglich 11,4
       Prozent. Die Chancen auf einen Platz hängen vom Wohnort ab. Und längst
       nicht alles, was Ganztag heißt, verdient den Namen auch.
       
       Eine Schule gilt nach der Definition der Kultusministerkonferenz bereits
       dann als Ganztagseinrichtung, wenn sie an mindestens drei Tagen freiwillige
       Zusatzangebote am Nachmittag macht. Pädagogisch sind diese aber oft
       dürftig: Ein Mittagessen, dann kommt vielleicht ein Sportverein und bietet
       eine AG an, das war’s dann aber auch schon. Die Hälfte aller Schule
       verknüpfe Unterricht und sonstige Angebote kaum, bemängelte das
       Forscherteam, das den Ganztagsausbau begleitet, kürzlich in einer Studie.
       
       Vor allem sind die wenigsten Ganztagsangebote auch für alle Schüler
       verpflichtend. Es dominiert die sogenannte offene Ganztagsschule, bei der
       alle Nachmittagsangebote freiwillig sind. Nur 14 Prozent der Schüler in
       Deutschland besuchen eine gebundene Ganztagsschule, bei der alle Kinder am
       Nachmittag dableiben. In manchen Ländern sind es noch weniger, in Hessen
       gerade mal 3,1 Prozent der Schüler.
       
       Dabei versprechen sich Forscher von einer verpflichtenden Ganztagsschule
       besonders viel: Die Bildungschancen von Kindern aus weniger privilegierten
       Familien dürften sich vor allem dann verbessern, wenn möglichst alle von
       ihnen am Nachmittag gefördert werden und auch Altersgenossen aus
       bildungsnahen Elternhäusern dabei sind.
       
       ## 
       
       ## Mehr Geld in die Qualität
       
       Die SPD will daher verstärkt in die Qualität investieren. In einem
       Vierjahresprogramm soll der Bund 4 Milliarden Euro in neue Räume und
       Schulmensen stecken, weitere 4 Milliarden sollen in die
       Qualitätsverbesserung gehen, etwa in Stellen für Sozialpädagogen. „Bis
       spätestens 2020 sollte es für die Eltern auch einen Rechtsanspruch auf
       einen Ganztagsschulplatz geben“, sagte SPD-Bildungspolitiker Ernst-Dieter
       Rossmann der taz. Einen Rechtsanspruch hatte unlängst auch die
       Bertelsmann-Stiftung ins Gespräch gebracht, so wie Gewerkschaften und
       Arbeitgeber. Selbst CDU-Vize Thomas Strobl sprach sich im Focus für einen
       Rechtsanspruch aus.
       
       Zurück hält sich bislang nur eine: Bundesbildungsministerin Wanka. „Ein
       Rechtsanspruch würde die Bereitschaft der Länder voraussetzen, sich dafür
       zu engagieren und Finanzmittel bereitzustellen“, sagte eine Sprecherin.
       
       Denn bisher verbietet das Grundgesetz dem Bund, sich in die Bildungspolitik
       der Länder einzumischen. Durchgeboxt hatten das ausgerechnet CDU-Länder –
       aus Ärger über das rot-grüne Ganztagsprogramm. Beobachter gehen zwar davon
       aus, dass dieses Kooperationsverbot nach der Wahl kippen wird, offen ist
       aber, ob es nur für den Hochschulbereich zurückgenommen wird oder auch für
       die Schulen. Nur dann könnte es einen neuen Schub im Ganztagsausbau geben.
       SPD-Politiker Rossmann gibt sich zuversichtlich: „Ich glaube an die
       Vernunft der Menschen.“
       
       9 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Kramer
       
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