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       # taz.de -- Aufstand der Flüchtlinge (1): Lampedusa – Hamburg und zurück
       
       > Sie landeten in Italien, kamen nach Deutschland – und werden überall
       > weggeschickt: Flüchtlinge, die auch die SPD nicht will.
       
   IMG Bild: Aname Kofi Mark (l), Sprecher der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ in einem Informationszelt der Gruppe
       
       HAMBURG taz | Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) bleibt hart. Für die
       in der Hansestadt gestrandeten rund 300 subsaharischen Flüchtlinge werde es
       hier „keine Perspektive“ geben. Sie sollen zurück nach Italien – und
       notfalls mit Polizeigewalt in den Abschiebeflieger.
       
       „Wir wollen unser Leben zurück“, sagt hingegen Andreas L., der in Ghana
       Marketing studiert hat. Er will „endlich wieder arbeiten und ein
       selbstbestimmtes Leben führen.“ Der 30-Jährige arbeitete in Libyen, als der
       Bürgerkrieg ausbrach, Bomben fielen und Schwarzafrikaner pauschal als
       Gaddafi-Söldner verfolgt wurden.
       
       Er floh übers Mittelmeer, 2011 kam er auf der italienischen Insel Lampedusa
       an und geriet in die Mühlen des italienischen Asylsystems. In einem Lager
       in Mailand lebte er mit 40 Männern in einem Raum, kaum etwas zu essen,
       Gewalt durch die Wächter: So sah fast ein Jahr lang sein Alltag aus. „Wir
       waren Gefangene ohne Rechte, niemand hat sich für uns interessiert.“
       
       Am Ende drückten ihm die Italiener 500 Euro und ein Aufenthaltspapier für
       den Schengenraum in die Hand: eine kaum verhohlene Aufforderung, das Glück
       doch in den reichen nordeuropäischen Staaten zu suchen – und ein Verstoß
       gegen europäisches Recht, laut dem die Männer nur in Italien ein
       Asylverfahren durchlaufen dürften.
       
       Nach und nach kamen so 300 Männer nach Hamburg und fanden zunächst Zuflucht
       im Winternotprogramm für Obdachlose. Als das Programm im Frühling auslief,
       standen sie auf der Straße und mussten auf Parkbänken übernachten.
       
       ## Integrationswille dokumentiert
       
       Sie nannten sich „Lampedusa in Hamburg“, Solidaritätsgruppen bildeten sich,
       halfen, ihnen in den Medien Gehör zu verschaffen. Um Teil des
       gesellschaftlichen und kulturellen Lebens zu werden, kickten einige der
       Männer vorige Woche als „FC Lampedusa“ gegen die 8. Mannschaft des FC St.
       Pauli – und gewannen.
       
       Um ihren Integrationswillen zu dokumentierten, traten sie in die
       Gewerkschaft Ver.di ein, die sich in einem Pilotprojekt arbeitsrechtlich
       auch um Papierlose kümmert. Anfang Juni gewährte die St.-Pauli-Gemeinde an
       der Hafenstraße 80 Flüchtlingen zumindest in den Nachtstunden eine
       Unterkunft. Einen Asylantrag, daran hält Bürgermeister Scholz gleichwohl
       weiter fest, sollen sie trotzdem nicht stellen können.
       
       Nach der Dublin-II-Verordnung der EU ist das Land für einen Menschen
       zuständig, in dem der Flüchtling erstmals europäisches Territorium betreten
       hat – in diesem Fall also Italien. „Recht und Gesetz sind immer
       einzuhalten, und so wird es auch kommen“, sagt Scholz. Die Anwältin Daniela
       Hödl hält es jedoch für durchaus möglich, den Flüchtlingen Aufenthalt zu
       gewähren. „Im Einvernehmen mit dem Bund ist vieles denkbar und
       Aufenthaltsrecht ist Landesrecht“, sagt Hödl „Doch bisher hat der Senat
       dies ja nicht einmal in Erwägung gezogen.“
       
       8 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
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