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       # taz.de -- Wer versorgt die Alten?: 87 Minuten Zuwendung pro Tag
       
       > Eine Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung ist
       > unausweichlich, sagt die Altershilfe. Der Personalbedarf muss vehandelt
       > werden.
       
   IMG Bild: Hilfsbedürftigkeit sucht sich keiner aus
       
       BERLIN taz | Das Kuratorium Deutsche Altershilfe hat gefordert, die
       Infrastruktur für die Pflege und Betreuung alter Menschen ähnlich wie den
       Kitaausbau flächendeckend voranzutreiben. Auf die demografischen
       Herausforderungen sei bisher nicht ausreichend eingegangen worden, sagte
       der Vorstandsvorsitzende des Kuratoriums, Jürgen Gohde, am Montag in
       Berlin. Gohde zufolge ist eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung
       um 0,5 Prozentpunkte unumgänglich, um für die Zukunft gerüstet zu sein.
       
       Das Kuratorium legte am Montag gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung
       ein Positionspapier zur Pflege vor. Käme eine Erhöhung des
       Pflegeversicherungsbeitrags um 0,5 Prozent, so bedeutete dies für einen
       Arbeitnehmer mit einen Bruttolohn von 2.000 Euro eine Mehrbelastung von
       fünf Euro im Monat. Die selbe Summe müsste der Arbeitgeber bezahlen. Bei
       einer Erhöhung stünden in der Pflegeversicherung so jährlich aber fünf
       Milliarden Euro mehr zur Verfügung.
       
       In dem Papier des Kuratoriums wird unter anderem ein neuer
       Pflegebedürftigkeitsbegriff gefordert, der psychische und kognitive
       Beeinträchtigungen als gleichwertige Einschränkungen gegenüber rein
       körperlichen Behinderungen betrachtet. Zur Einführung der
       Pflegeversicherung im Jahre 1994 „hatte man die Entscheidung getroffen,
       sich nur auf somatisch Erkrankte zu konzentrieren“, sagte Gohde. Dies gelte
       es zu erweitern.
       
       Aus einem neuen Pflegebedürftigkeitsprinzip ergäben sich neue
       Personalbemessungen, erklärte Gohde. Diese Bedarfsplanung sei aber
       „Verhandlungssache auf Länderebene“. Die Länder und Pflegekassen handeln
       die Personalschlüssel aus, dabei gibt es regionale Unterschiede.
       
       ## Die Pflegeschlüssel sind zu knapp
       
       Beschäftigtenvertreter kritisieren die zu niedrige Personalbemessung in den
       Heimen, die zudem den wachsenden Anteil Demenzkranker nicht berücksichtigt.
       Bisher schon klafft eine Lücke zwischen dem Pflegebedarf und der
       Zuwendungszeit für das Personal. Laut dem Medizinischen Dienst der
       Krankenkassen etwa gilt als pflegebedürftig in der Stufe II, wer einen
       Bedarf an Grundpflege von mindestens zwei Stunden täglich hat. Hinzu kommt
       noch ein Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung von etwa einer Stunde
       täglich.
       
       Die Personalschlüssel decken das aber nicht ab. In vielen Bundesländern
       gilt etwa für die Pflegestufe II in den Stationen ein Personalschlüssel von
       1:2,5 – Nachtdienst inbegriffen. Das bedeutet, auf 2,5 Bewohner kommt eine
       Vollzeitkraft. Diese müssen aber drei Schichten am Tag abdecken, sieben
       Tage in der Woche. Der Schlüssel führt daher nicht zu zwei Stunden
       Grundpflege am Tag pro Bewohner.
       
       Nach einer Erhebung in Heimen in Nordrhein-Westfalen etwa ergibt sich für
       PatientInnen in Pflegeheimen in der Stufe II ein tägliches Zeitbudget von
       im Schnitt nur 87 Minuten. In dieser Zeit muss die Bewohnerin gewaschen,
       an- und wieder ausgekleidet, dreimal am Tag aus dem Bett geholt und wieder
       ins Bett gebracht werden, müssen ihr Mahlzeiten gereicht und muss ihr beim
       Essen und Trinken geholfen werden, ganz zu schweigen von den
       Toilettengängen und dem An- und Ausziehen von Einlagen.
       
       Gerade bei Demenzkranken, die sich etwa selbst die Windeln ausziehen, geht
       der höhere Zeitaufwand dann mitunter auf Kosten der Hilfe beim Essen und
       Trinken.
       
       5 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Dribbusch
       
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