# taz.de -- Politdoku über Steinbrück: Grüße aus der Eierschleifmaschine
> „Kante Klartext Kandidat“ ist ein gelungenes Stück Fernsehen. Es
> porträtiert Steinbrück nicht als Gescheiterten – sondern als Irrtum der
> Parteiführung.
IMG Bild: Peer Steinbrück in der Billardhölle, Carambolage spielend.
Noch 47 Tage dauert dieser Bundestagswahlkampf. Dann fällt die Entscheidung
zwischen der Kanzlerin und ihrem Herausforderer Peer Steinbrück. Gerade
noch rechtzeitig, bevor die Wählerinnen und Wähler wahlweise angefressen
oder amüsiert sind von all den Plakatwänden, Fernsehwerbespots und devoten
Kandidaten in deutschen Fußgängerzonen – gerade noch rechtzeitig also
liefert das ZDF die Großporträts der beiden Kandidaten ab. An diesem
Dienstagabend läuft „Kante Klartext Kandidat“ zu Peer Steinbrück, eine
Woche drauf dann „Macht Mensch Merkel“ über die Bundeskanzlerin.
Das Porträt über Merkels Herausforderer – so viel kann man sagen – ist ein
gelungenes Stück Fernsehen. Die beiden Autoren, Claus Richter,
Redaktionsleiter bei „Frontal 21“, und Thomas Fuhrmann, Chef beim
ZDF-„Morgenmagazin“, verweigern sich dem Impuls, einen Gescheiterten
vorzuführen.
Als egoman, intelligent und hochironisch stellen sie Peer Steinbrück vor.
Die Familie des Hamburgers verfüge nun mal über diesen „etwas salzigen
Küstenhumor“, formuliert es sein jüngerer Bruder Birger. Dieser Humor
jedoch ist dem Kandidaten im Laufe des Wahlkampfs abhandengekommen. „Es
tickt immer im Kopf etwas mit“, sagt Steinbrück auf die Frage, warum seine
Sprache immer vorsichtiger werde. „Die Erfahrung, dass Ironie nicht immer
ankommt, die prägt mich.“
Gut beschreibt der Film das Wirken der „Eierschleifmaschine“. In selbige
werde man ihn als Kanzlerkandidat stecken, hatte Peer Steinbrück gleich
nach seiner Nominierung gemutmaßt. Und genau so ist es bekanntlich
gekommen. Ob Weißweinpreise, Lesungshonorare oder seine Kritik an der Höhe
des Kanzlergehalts – für jede einzelne Sottise, für jeden Fehler musste er
kräftig einstecken.
## Vollziehen statt diskutieren
„Er tritt als Steinbrück auf, nicht als Vertreter der SPD“, analysieren
Fuhrmann und Richter das Dilemma, in das sich Steinbrück oft genug selbst
manövriert. Und sie zeigen auch, woran das liegt. Peer Steinbrück verfügt
über ein Politikverständnis, das geprägt ist durch die
Ministerialbürokratie sowie seinen politischen Lehrmeister Helmut Schmidt:
vollziehen statt diskutieren.
Dass dem „Karrierebeamten“ das sozialdemokratische Grundverständnis fehlt,
die Demut gegenüber der Basis, bekamen besonders die Grünen zu spüren, mit
denen er von 2002 bis 2005 Nordrhein-Westfalen regierte. „Er hat versucht,
die Koalition auseinanderzudividieren“, erinnert sich die damalige
Umweltministerin Bärbel Höhn. Erst Kanzler Gerhard Schröder konnte
Steinbrück zurückpfeifen.
Nein, aus Peer Steinbrück wird kein Arbeiterführer mehr. Diese Seite der
Sozialdemokratie kann er habituell nicht abdecken. Der Film belegt das mit
einer Szene, in der Steinbrück bei der 1.-Mai-Feier in Bergkamen den Text
der „Internationalen“ vom Blatt ablesen muss. Sein Fehler ist das nicht, er
war nie anders. Aber in dieser Sequenz offenbart sich der riesige Irrtum
der SPD-Führung. Sie hat vergessen, dass Peer Steinbrücks Gegner weniger
die CDU ist, als es vielmehr die enttäuschten SPD-Wähler sind.
Das hätte man schon vor dem 1. Oktober 2012 wissen können, jenem Tag, an
dem ihn der Parteivorstand so ungeschickt zum Kanzlerkandidaten kürte.
Korrektur: Die Autorin hat im vorletzten Absatz das Lied „Internationale“
mit dem Lied „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ verwechselt. Richtig heißt es:
„Der Film belegt das mit einer Szene, in der Steinbrück bei der
1.-Mai-Feier in Bergkamen den Text des Liedes „Brüder zur Sonne zur
Freiheit“ vom Blatt ablesen muss.“ Wir bitten, die Verwechslung zu
entschuldigen.
6 Aug 2013
## AUTOREN
DIR Anja Maier
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