# taz.de -- Gay Pride in Vietnam: Homos auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad
> In Hanoi demonstrieren Lesben und Schwule für mehr Rechte. Die offzielle
> Politik reagiert positiv auf die zweite vietnamesische Gay Pride.
IMG Bild: Bitte Lächeln: Teilnehmer der „Viet Pride“ in Hanoi.
BERLIN taz | Am Sonntag haben in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi rund
zweihundert Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle (LGBT) für ihre Rechte
demonstriert. Das berichteten lokale Medien.
Es war nach 2012 das zweite Mal, dass LGBT-Aktivisten in dem konfuzianisch
geprägten südostasiatischen Land mit Regenbogenfahnen auf Fahrrädern und
Motorrollern friedlich am Ho-Chi-Minh-Mausoleum und einer Lenin-Statue im
Stadtzentrum vorbeifuhren.
Obwohl keine Genehmigung für die angekündigte Parade vorlag, beschränkte
sich die Polizei aufs Zuschauen. Im von der KP autoritär regierten
Einparteienstaat werden öffentliche Demonstrationen nur selten erlaubt.
„Ich möchte, dass die Gesellschaft uns akzeptiert, und ich bin stolz auf
mich“, sagte die 17-jährige Oberschülerin Vu Ngoc Anh einem Reporter. „Wir
hoffen, dass die Bevölkerung mehr über uns LGBTs lernt, und dass
Homosexualität überhaupt nichts schlechtes ist.“
## Film löst Debatte aus
Bis vor wenigen Jahren war gleichgeschlechtliche Liebe in Vietnam, wo meist
noch die traditionellen und klassisch-hierarchisch Familienwerte hoch
gehalten werden, ein Tabu. Im Jahr 2011 brachte der Film „Lost in Paradise
– Hot Boy Noi Loan“ des Regisseurs Vu Ngoc Dang erstmals das Thema
Homosexualität auf die Leinwand. Der einfühlsame Streifen über eine jungen
Mann vom Land, der in Ho-Chi-Minh-Stadt in die Schwulenszene abtaucht, war
ein Skandal. Doch er löste eine überfällige Debatte aus.
Dabei verblieb im Film die Homosexualität im Prostituiertenmilieu, wo sie
von der konservativen Gesellschaft ohnehin verortet wird. Nach dem Sieg der
Revolution 1975 wurden weibliche Prostitutierte in „Umerziehungslager“
gesteckt, heute werden sie noch mit Geldstrafen belegt. Prostitution unter
Männern ist dagegen bis heute offiziell gar nicht existent. Homosexualität
gilt nach weitverbreiteter Meinung als eine im günstigsten Fall heilbare
Krankheit.
Doch seit dem Film, einer erfolgreichen schwulen Sitcom im staatlichen
Fernsehen und durch die beharrliche und geduldete Arbeit von
Nichregierungsorganisationen ist einiges in Bewegung geraten, selbst in der
offiziellen Politik. Im April erklärte der stellvertretender
Gesundheitsminister Nguyen Viet Tien: „Im Hinblick auf die Menschenrechte
habe Menschen gleichen Geschlechts das Recht zu leben, zu lieben und
glücklich zu sein.“
## Politiker für Homoehe
Laut einer lokale Schwulenorganisation bekennen sich 1,65 der 90 Millionen
Vietnamesen und Vietnamesinnen zu gleichgeschlechtlichen, bi- oder
transsexuellen Lebensweisen. Inzwischen sprechen sich sowohl das
Gesundheits- als auch das Justizministerium für die Homoehe aus. Zuletzt
hatten im Mai in Hanoi Dutzende LGBT-Aktivisten in Hochzeitskleidern für
die Homoehe demonstriert.
Ein entsprechender Gesetzesvorschlag soll im Oktober erstmals von der
Nationalversammlung diskutiert werden, in der die KP über 90 Prozent der
Abgeordneten stellt. Es ist nicht gleich mit Anerkennung der Homoehe zu
rechnen, eher mit ihrer Entkriminalisierung sowie auch der Streichung oder
Abmilderung homophober Paragraphen im Familien- und Ehegesetz sowie
Bürgerlichem Gesetzbuch.
Doch schon mit der parlamentarischen Diskussion der Homoehe würde sich
ausgerechnet das autoritäre Vietnam an die Spitze der Liberalisierung in
Südostasien stellen.
5 Aug 2013
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DIR Sven Hansen
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