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       # taz.de -- Pro und Contra: Behindertenquote? Nein!
       
       > Eine Quote würde die Kompetenz behinderter Menschen infrage stellen, sagt
       > Petra Wontorra vom „Forum Barrierefreies Bremen". Bremen“
       
   IMG Bild: In den Parlamenten sind behinderte Politiker selten
       
       Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin keine Befürworterin einer Quote, die
       behinderte Menschen bevorrechtigt in die Parlamente bringen soll. Und das
       sage ich: eine rollstuhlnutzende behinderte Frau, die vergeblich bei der
       letzten Kommunalwahl auf einem so gut wie aussichtslosen Platz angetreten
       ist.
       
       Ich denke, dass die Barrieren – die räumlichen Barrieren und die Barrieren
       in den Köpfen – weggeräumt werden müssen. Es muss selbstverständlich sein,
       dass alle Menschen die Möglichkeit haben, sich politisch einzubringen,
       wahrhaft teilhaben zu können. Als behinderte Frau bringe ich mich mit
       meiner Kompetenz in die Politik ein und nicht wegen des Merkmales „meiner
       Behinderung“. Natürlich brauchen wir, die behinderten Menschen, auch die
       räumlichen und technischen Voraussetzungen: Stufenlose Zugänge, ausreichend
       breite Zu- und Durchgänge, technische und andere Unterstützung:
       DolmetscherInnen für gehörlose Menschen, zugängliche Informationen für
       blinde Menschen, leichte Sprache, notwendige Assistenz, Mobilitätshilfen,
       etc.
       
       Viele behinderungsbedingt notwendige Unterstützungen werden
       einkommensabhängig geleistet. Behinderung kann die komplette Familie arm
       machen. Notwendige Hilfsmittel werden vielfach nicht oder erst nach
       längeren Verfahren finanziert. Fünf Jahre habe ich um Kostenübernahme für
       meinen Autoumbau gerungen. Weil ich berufstätig war und bin, kann ich
       Autoanpassung beantragen. Wäre ich „nur“ politisch aktiv, hätte ich diese
       Möglichkeit nicht gehabt.
       
       Engagement scheitert oft an fehlenden Hilfsmitteln. Ich muss aushalten,
       dass Veranstaltungen „meinetwegen“ in weniger attraktive Orte verlegt
       werden. In Jugendparlamenten, in der „Dorf-“Politik, von Anfang an, muss
       Beteiligung möglich sein. Eine Quote würde nach meiner Auffassung die
       Kompetenz behinderter Menschen infrage stellen. Meine Behinderung spielt in
       meiner politischen Arbeit primär keine Rolle. Ich mache Politik mit meinem
       Handicap und nicht trotz oder wegen meiner Behinderung. Bei Entscheidungen,
       die sich für behinderte Menschen nachteilig auswirken (könnten), bin ich in
       einer besonderen Verantwortung. Sie spielt eine Rolle, wenn ich wegen
       meiner Mobilitätseinschränkung andere Wege suchen muss. Wenn ich mir mit
       dem Rollstuhl nicht schnell den Weg bahnen kann bei inoffiziellen
       Gesprächen vor und nach offiziellen Terminen. Im Wahlkampf kann ich keine
       Haustürbesuche machen, meine Flyer nicht an Haushalte verteilen, keine
       Plakate kleben und bei Ortsterminen nur bedingt dabei sein. Jetzt erst
       recht: Nicht ohne uns – in allen Gremien!
       
       4 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Wontorra
       
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