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       # taz.de -- Irans neuer Präsident: Zwischen den Fronten
       
       > Hassan Rohani schlägt moderate Töne an, doch er bleibt ein Mann des
       > Regimes. Die miese Wirtschaftslage und die außenpolitische Isolation sind
       > seine größten Baustellen.
       
   IMG Bild: Definitiv ein gefragter Mann: Hassan Rohani hinter einer Mikrofonwand.
       
       Die Regie des Wahlkampfs war strategisch genial und taktisch gewieft.
       Millionen Wähler, die zum Wahlboykott entschlossen waren, und insgesamt 72
       Prozent aller Wahlberechtigten wurden an die Urnen geführt. Nicht nur das:
       Mit dem Ausgang der Wahlen waren nahezu alle zufrieden: die Wähler, weil
       sie wieder einmal Hoffnung schöpfen können, das Regime, weil es an Ansehen
       gewonnen hat, die oppositionellen Reformer, weil sie nach jahrelanger
       Ausgrenzung wieder mit im Boot sitzen könnten.
       
       Ob der mächtige Revolutionsführer Chameini eingesehen hat, dass er mit
       seinem radikalen Kurs das Land in den Abgrund treibt, und mit dem neuen
       Präsidenten Hassan Rohani tatsächlich eine Wende möglich wäre, ist
       allerdings fraglich.
       
       Der 64-jährige Rohani tritt am Samstag sein Amt als iranischer Präsident
       an, am Sonntag soll er vor dem Parlament vereidigt werden. Rohani ist kein
       Oppositioneller und auch kein Reformer, eher zählt er zu den moderaten
       Konservativen und gehörte sogar zu jenen, die die Proteste nach der
       Wiederwahl Ahmadinedschads 2009 kritisierten.
       
       Als Weggefährte von Ajatollah Chomeini machte er nach der Revolution
       zunächst militärische Karriere, war Stellvertreter des Oberkommandierenden
       der Streitkräfte. Dann ging er als Parlamentarier in die Politik und war
       unter anderem Generalsekretär des Obersten Sicherheitsrats,
       Chefunterhändler im Atomstreit und Beauftragter des Revolutionsführers im
       Nationalen Sicherheitsrat.
       
       ## Inflationsrate von 42 Prozent
       
       Rohani übernimmt von seinem Vorgänger eine ganze Reihe Baustellen, als
       Erstes die ruinierte Wirtschaft. „Die Lage ist weit katastrophaler, als ich
       befürchtet hatte“, sagte Rohani nach der ersten Durchsicht der Daten. „Seit
       zwei Jahren ist die Bilanz unseres Wirtschaftswachstums negativ. Dazu
       kommen eine Inflationsrate von 42 Prozent und eine hohe Arbeitslosenquote.“
       
       Um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, müssen der ganze Führungsstab
       und die gesamte Verwaltung durch fachkundiges Personal ersetzt und muss die
       uferlose Korruption eingedämmt werden. Außerdem muss etwas gegen die stark
       belastenden Sanktionen getan werden – die zweite Großbaustelle.
       
       Iran muss im Atomstreit einlenken. Eine Einigung im Atomkonflikt setzt auch
       eine direkte Verhandlung mit den USA voraus. Dazu hat Rohani indirekt
       bereits seine Zustimmung signalisiert. „Mäßigung bedeutet in der
       Außenpolitik weder Kapitulation noch Konfrontation, sondern eine
       konstruktive und effiziente Verständigung mit der Welt“, sagte er.
       
       Es müsse ein Dialog mit anderen Ländern auf der Grundlage der Gleichheit,
       des gegenseitigen Respekts und des Vertrauens geführt werden. Allerdings
       fügte er auch hinzu: Die Außenpolitik werde „unter Berücksichtigung aller
       Rechte der Nation“ und gemäß den Anweisungen des Revolutionsführers
       geführt.
       
       ## Chamenei bestimmt die Außenpolitik
       
       Tatsächlich wurden bisher die Richtlinien der Außenpolitik und damit auch
       die Strategie bei den Atomverhandlungen von Chamenei festgelegt und die
       wichtigsten Entscheidungen von ihm getroffen. Ahmadinedschad selbst hatte
       bei einer seiner letzten Abschiedsreden zugegeben, seit Jahren mit
       Atompolitik nichts mehr zu tun gehabt zu haben.
       
       Das dritte große Problem ist die höchst repressive Innenpolitik, die mit
       rigoroser Zensur der Presse und Meinungsäußerung, Missachtung der
       Frauenrechte und Schikanen der Sittenwächter arbeitet. Hunderte
       Oppositionelle sitzen seit 2009 im Gefängnis, ranghohe Politiker,
       Journalisten, Künstler, Schriftsteller und Studenten; die Oppositionsführer
       Mehdi Karrubi und Mir Hossein Mussawi sowie seine Frau haben seitdem
       Hausarrest.
       
       In einer Fernsehansprache mahnte Rohani die Verantwortlichen, der
       Bevölkerung größere Freiheiten zu gewähren, forderte freien Zugang zum
       Internet und erklärte, dass über die Freilassung der Oppositionellen nicht
       der Präsident allein entscheide.Ähnliche Versprechungen hatte 1997 auch
       Mohammed Chatami gemacht. Er war tatsächlich Reformer, dem die Radikalen
       immer wieder Steine in den Weg legten.
       
       Und auch jetzt sind bereits ähnliche Anzeichen zu beobachten: Die
       Konservativen, die im Parlament die absolute Mehrheit haben, erklärten, sie
       würden keinen Reformer als Kabinettsmitglied akzeptieren. Justizchef Sadegh
       Laridschani warnte gar vor einer „Wiederauferstehung der Verschwörer von
       2009“. Diese Leute würden sich „irren, denn das Gläubigervolk lehnt diese
       Gruppe entschieden ab“.
       
       ## Die rechte Presse legt vor
       
       Revolutionsführer Chamenei sagte, in Bezug auf Verhandlungen mit den USA
       sei er „nicht optimistisch“, und lobte Ahmadinedschad, insbesondere weil er
       „radikalere Parolen“ ausgegeben habe. Die rechte Presse hat eine breit
       angelegte Kampagne gestartet, mit der sie die Reformer als Lakaien und
       Agenten des Westens und Vaterlandsverräter zu diskreditieren versucht.
       
       Eines der größten Probleme jedoch werden die Mitglieder der
       Revolutionsgarde, der Milizorganisation Basidsch, der Geheimdienste und der
       paramilitärischen Gruppen sein, die mit Privilegien gekauft, mit Waffen
       ausgestattet und militärisch geschult von Chamenei und seinen Weggefährten
       gegen die Reformbewegung installiert wurden.
       
       Selbst wenn Chamenei wollte, diese von ihm geschaffenen Geister kann er
       längst nicht mehr in die Flasche sperren. Im Iran steht ein Machtkampf
       bevor. Rohani wird sich entweder durchsetzen oder so wie einst Chatami
       zwischen den Fronten zermürbt werden.
       
       3 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bahman Nirumand
       
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