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       # taz.de -- Flucht vor dem Bürgerkrieg: 5-köpfige Familie aus Syrien sucht …
       
       > Weil sich die norddeutschen Bundesländer nicht vernünftig auf
       > Syrien-Flüchtlinge vorbereitet haben, setzten sie nun auf die
       > schlechteste Lösung: Massenunterkünfte.
       
       Die Syrer kommen. Seit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich im
       vergangenen März versprach, 5.000 Menschen aufzunehmen, die vor dem
       syrischen Bürgerkrieg flüchteten, bereiten sich die Bundesländer auf die
       Aufnahme der Flüchtlinge vor, und die Medien haben ein Thema
       wiederentdeckt: das Asylproblem. Schon Mitte der Neunzigerjahre spaltete es
       die Republik in diejenigen, die fanden, das Boot sei voll, und diejenigen,
       die offene Grenzen und ein Bleiberecht für alle forderten.
       
       Bundesweit steigt die Zahl der Flüchtlinge, die nach dem Königsteiner
       Schlüssel auf alle 16 Bundesländer verteilt werden. Die
       Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien haben an dieser Tendenz einen
       überschaubaren Anteil: Nur jeder zehnte Flüchtling kommt im laufenden Jahr
       aus Syrien und den benachbarten arabischen Ländern, was in der Rangliste
       der Herkunftsländer den zweiten Rang bedeutet.
       
       Fast jeder vierte Flüchtling dagegen kommt aus der Russischen Föderation,
       die meisten davon wiederum aus Tschetschenien. In der Kaukasus-Republik ist
       die Menschenrechts- und Sicherheitslage verheerend. „Es herrscht Angst wie
       zu Stalins Zeiten“, berichtete Swetlana Gannuschkina von der russischen NGO
       „Bürgerlicher Beistand“. Zudem kursiert in dem Land das – vermutlich von
       Schleppern in die Welt gesetzte – Gerücht, die Bundesrepublik sei bereit,
       40.000 Tschetschenen aufzunehmen. Dass die Bundesrepublik bereits energisch
       dementierte, hat sich am Nordkaukasus noch nicht herumgesprochen.
       
       Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Erstanträge auf Asyl von gut 45.000
       auf knapp 65.000. Nach dem Königsteiner Schlüssel musste Niedersachsen
       knapp 6.000 Flüchtlinge aufnehmen, Schleswig-Holstein 2.200, Hamburg knapp
       1.900, in Bremen waren es genau 629. Und im laufenden Jahr dürfte laut
       einer Prognose des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmals seit
       1998 wieder die Grenze von 100.000 Asylanträgen überschritten werden.
       
       Die steigende Zahl der Flüchtlinge stellt Kommunen und Landkreise vor
       Probleme: Es fehlen Raum und Geld, die Menschen unterzubringen und
       vernünftig zu betreuen. Dabei gab es Mitte der Neunzigerjahre in der
       Bundesrepublik mehr Betten für Flüchtlinge, als derzeit gebraucht werden.
       Doch nachdem aufgrund der Drittstaatenregelung die Zahl der Asylsuchenden
       ab 1996 zurückging, wurden zehn Jahre lang Asylunterkünfte dichtgemacht,
       umgewidmet, abgerissen. Das Geld, das bis dahin in die Betreuung der
       Flüchtlinge gesteckt worden war, wurde eingespart und anders verwendet.
       
       „Leer stehende Heime muss man rechtfertigen, die wurden mangels Bedarf
       geschlossen“, erinnert sich David Lukaßen, Sprecher der Bremer
       Sozialsenatorin. 2007 war der Tiefstpunkt erreicht: Nicht einmal 20.000
       Asylanträge wurden bundesweit gestellt – zwölf Jahre zuvor waren es noch
       knapp 128.000. Und alle taten so, als würde es ewig so weitergehen, als
       könne sich Deutschland auf Dauer vor den größer werdenden Flüchtlingströmen
       dieser Welt abschotten.
       
       Weil auch die norddeutschen Bundesländer nicht vernünftig vorgesorgt haben,
       setzten sie nun verstärkt auf die Lösung, die sie sogar selbst für die
       schlechteste halten: Massenunterkünfte. „Die vorhandenen Unterkünfte haben
       ihre Kapazitäten längst erreicht“, klagt Hamburgs Sozialsenator Detlef
       Scheele (SPD) und kündigt an, „deutlich mehr Geld in die Unterbringung und
       Betreuung“ von Zuwanderern zu investieren. Schleswig-Holstein will im
       kommenden Jahr das Geld für die Unterbringung und Verpflegung immerhin um
       ein Drittel aufstocken, von heute 27 auf dann 36 Millionen Euro. Überall in
       den Kommunen wird unter Hochdruck nach weiteren Möglichkeiten gesucht, die
       Menschen unter zu bringen. Ein Wettlauf mit der Zeit hat begonnen.
       
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       2 Aug 2013
       
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