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       # taz.de -- Kolumne Roter Faden: Zurück zum Beton
       
       > Es geht voran mit dem militärisch-industriellen-Komplex – dank
       > Verteidigungsminister de Maizière und seinen Kollegen in der ganzen Welt.
       
   IMG Bild: EADS heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix.
       
       Drohnenfred de Maizière hat gelogen, [1][am letzten Tag des
       Untersuchungsausschusses] sind sich da fast alle einig, er selbst fasst das
       Beugen der Fakten so zusammen: „Ich bedaure, dass ich mich am 5. Juli nicht
       klarer ausgedrückt habe.“
       
       Folgen hat das nicht, die Deutschen haben längst entschieden, dass sie mit
       Merkel altern wollen, und die will den Minister halten. Dass der sich für
       seine Aufgaben und also verursachten Milliardengräber nicht sehr
       interessiert, stört das Wahlvölkchen zwar schon, ändert aber nichts am
       angekündigtenWahlverhalten. Die Umfragewerte der Christdemokraten werden
       immer besser.
       
       Indessen war der deutsch-französische Rüstungsgigant, der auch den
       Euro-Hawk liefern sollte, nicht faul, hat umstrukturiert und sich von EADS
       in Airbus umgetauft. Der bislang an die zivile Luftfahrt geknüpfte Name
       spiegele die Arbeit des Konzerns einfach viel besser: „Wir lassen Dinge
       fliegen.“ Und zwar sehr gerne, um Menschen zu töten, lukrativ wie das ist.
       
       Die Umsätze übertrafen dank de Maizière und seiner Kollegen in aller Welt
       bereits sämtliche Erwartungen. Um 14 Prozent legte der Nettogewinn in 2013
       zu und kletterte so auf mehr als 518 Millionen Euro, desgleichen wuchs das
       Auftragsvolumen allein in den letzten sechs Monaten um zwölf Prozent auf
       634,8 Milliarden Euro an.
       
       ## Südostasiatische Fleischtöpfe
       
       Trotzdem macht man sich fit für Neueroberungen am Weltmarkt, Europa ist
       schon recht abgegrast, aber Südostasien rüstet auf, die noch viel fetteren
       Fleischtöpfe finden sich dort. Es geht also voran: Der
       militärisch-industrielle Komplex breitet sich aus und die von
       Internetkonzernen sowie Geheimdiensten entwickelten Datenkraken helfen
       dabei, so gut sie können.
       
       Vielleicht ist das auch der Hintergrund für diese interessante Idee: Die
       Politiker sollten sich etwas zurücknehmen und die Militärs der westlichen
       Welt sich gegenseitig demokratisieren. Der Vorschlag stammt von keinem
       Unbekannten, Schimon Stein war viele Jahre israelischer Botschafter in
       Berlin. Und er findet, dass die EU respektive ihre dieser Tage nach Kairo
       gereiste Außenbeauftragte Catherine Ashton diese klägliche
       Demokratie-Anmahnerei einstellen und lieber anerkennen sollte, dass die
       ägyptische Armee noch eine ganze Weile das Sagen haben werde.
       
       „Das Schicksal Mursis ist für sie aber ist nicht Teil der
       Verhandlungsmasse“, auch das zu begreifen legt Stein der Diplomatin nahe.
       Dass diese sich an einem geheimen Ort mit dem weggeputschten Expräsidenten
       getroffen habe, wofür? Der Schlüssel zur Demokratie seien nicht die
       routiniert moralisierenden Politiker, sondern vor allem ein
       demokratisiertes Militär. Angesichts [2][der jüngsten Verurteilung des
       Wikileaks-Informanten Bradley Manning] vor einem US-Militärgericht zu 136
       Jahren eröffnet dieser Vorschlag eine schlagende Perspektive.
       
       ## Strafen in Sotschi
       
       Indessen hat Putin dem zweiten „Informationsanarchisten“ Edward Snowden
       [3][ein Jahr Asyl geschenkt]; die USA zu ärgern, macht einfach zu viel
       Spaß. Gleichzeitig [4][stellte das russische Establishment klar], wie wenig
       es liberale Haltungen schätzt, entsprechend Werbung für „nicht
       traditionelle sexuelle Orientierungen“ nicht nur bei Landsleuten verschärft
       unter Strafe stehe, sondern bei Gästen gleichermaßen geahndet würde, auch
       wenn sie sportlich, sogar sehr sportlich sind und in Sotschi an den
       Winterspielen teilnehmen.
       
       Guten Mutes hakt sich die immer stärker werdende orthodoxe Kirche beim
       immer brutaler werdenden Diktator unter, man hat Spaß miteinander, was für
       eine lustige testerongesättigte Hetenparty. Auf der einer, der gut dazu
       passte, fürs Erste fehlen dürfte.
       
       Silvio Berlusconi wurde nach 20 Jahren nun doch [5][erstmals wegen
       Steuerhinterziehung zu vier Jahren Haft verurteilt], die sich dank der von
       ihm vorsorglich durchgesetzten Amnesien auf ein Jahr Hausarrest reduzieren
       werden. Seiner politischen Karriere wird das nicht schaden, nicht in
       Italien. Seine Wähler lieben ihn für seine traditionelle sexuelle
       Orientierung, Minderjährige inklusive, ebenso wie für sein kriminelles
       Durchhaltevermögen. Auch sie wollen vor allem, dass er nicht verschwindet.
       Die Nibelungentreue ihrer Wähler verbindet die Schildkröte mit der
       Dreiknopfleiste. Und die Oase in all dem Wahnsinn?
       
       In der Hauptstadt veranstaltete Dimitri Hegemann, Gründer des legendären
       Techno-Clubs Tresor, ein mind-boggelndes Festival der elektronischen Musik:
       Atonal Berlin. Die Alten sind zurück und verteidigen gemeinsam mit den
       Newcomern subkulturelles Terrain. Sechs Tage lang saßen und standen
       auffallend friedfertige Individualisten Abend für Abend, Nacht für Nacht in
       einem riesigen Kraftwerk zusammen und ließen sich umgeben von dicken
       Betonmauern durch dunkle, fein ausgedachte Klangwelten treiben. Und
       vergaßen, dass da draußen eine Welt auf sie wartet, die immer unheimlicher
       wird.
       
       3 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ines Kappert
       
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