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       # taz.de -- Kommentar Amazon sperrt Nutzerkonten: Rücksender kriegen nichts mehr
       
       > Der Onlinehändler Amazon sperrt Nutzer aus, die zu viel bestellte Ware
       > wieder zurück schicken. Diese Reaktion ist einfach nur hilflos.
       
   IMG Bild: Hätte ohne Retourssendungen viel weniger zu tun: die Post.
       
       Zu eng, zu weit, zu groß, zu klein, die Farbe doch anders als auf der
       Website, der Stoff irgendwie fimschig – vor allem bei Klamotten gibt es
       viele Gründe, warum Bestellungen an den Onlineversandhändler zurückgehen.
       Die meisten machen es dem Kunden sehr leicht: Sie zahlen das Porto der
       Retoure und erstatten den Kaufpreis umgehend – wenn man nicht sowieso auf
       Rechnung gekauft hat.
       
       Schöne neue Einkaufswelt – zumindest für uns Kunden, die wir in Ruhe zu
       Hause vor dem Spiegel überprüfen können, ob bestellt auch gefällt. Die
       Händler dagegen haben mit den Retouren zu kämpfen. Der Onlineversandmulti
       Amazon sperrt daher nun Konten von „notorischen Rücksendern“ – ohne
       Vorwarnung und dauerhaft, wie „Caschys Blog“ anhand von Mailwechseln
       zwischen Amazon und Kunden dokumentiert.
       
       Über die genaue Retourenquote schweigt sich das Unternehmen aus. Darüber
       wird in der Branche sowieso nicht gern gesprochen. Auch der Berliner
       Konkurrent Zalando hat lange keine Zahlen genannt, bis Finanzchef Rubin
       Ritter in einem Welt-Interview Anfang 2013 das Schweigen brach: „Für
       Zalando insgesamt liegt die Retourenquote bei etwa 50 Prozent.“ Wahnsinn:
       Jedes zweite Kleidungsstück geht zurück, bei Schuhen rechnen Experten sogar
       mit noch mehr Rücksendungen.
       
       Das ist die Krux der Onlinehändler: Ohne Rücksendungen könnten sie kein
       Geld verdienen, mit Rücksendungen ist das Geschäft aber auch nicht viel
       profitabler.
       
       ## Kunden brauchen sich nicht beschweren
       
       Wenn Amazon nun behauptet, das Verhalten der ausgesperrten Kunden sei nicht
       verbrauchergemäß, kann man also davon ausgehen, dass deren Quote deutlicher
       höher lag als 50 Prozent. Aber was heißt das denn überhaupt,
       „verbrauchergemäß“? Natürlich stellt sich die Frage, ob mit der radikalen
       Entscheidung von Amazon Verbraucherrechte beschnitten werden, hier sollen
       aber vor allem die (moralischen) Pflichten diskutiert werden. Es ist eben
       mehr als eine juristische Frage, es geht um Ethik, um Kultur, einen neu zu
       definierenden Teilbereich der Netiquette: Wie verhalte ich mich als Kunde
       im Netz?
       
       Die einfache Antwort: am besten nicht anders als in der Boutique um die
       Ecke. Aber genauso, wie es Menschen gibt, die die Anonymität von
       Onlineforen und -kommentarspalten dazu verleitet, inkognito rumzupöbeln,
       missverstehen viele die komfortable Rückgabeoption als Aufruf zu
       Massenbestellungen – viel mehr, als sie kaufen wollen und sich leisten
       können. Eine ernsthafte Kaufabsicht sollte Grundlage jeder Bestellung sein.
       
       Wer diese Prämisse zwischen Händler und Kunde verletzt, etwa auch indem das
       bestellte Kleid einmal getragen und dann zurückgeschickt wird, darf sich
       über ein gesperrtes Kundenkonto nicht beschweren, denn ein Kunde ist er
       nicht, sondern ein Schmarotzer. Klar ist: Jeder Händler darf sich seine
       Kunden aussuchen. Das nennt sich Privatautonomie. Klar ist aber auch: Jeder
       kluge Händler macht von diesem Recht nur in begründeten Ausnahmefällen
       Gebrauch. Insofern lässt sich der Amazon-Vorstoß als hilflose Reaktion auf
       ein geschäftsschädigendes Konsumentenverhalten interpretieren. Und hilflose
       Reaktionen sind ja oft die heftigsten.
       
       Retourensünder sind ein Kollateralschaden der Onlineeinkaufswelt. Unter
       einem weiteren ächzt der Fachhandel: Weil sich Kunden im Laden beraten
       lassen, um die Digitalkamera dann günstiger im Internet zu kaufen, lassen
       sich die ersten Einzelhändler mittlerweile ihre Expertise bezahlen. Kauft
       der Kunde dann doch dort, wird die gezahlte Servicepauschale auf den
       Kaufpreis angerechnet.
       
       Ein Modell, das sich nicht eins zu eins auf Amazon, Zalando und Co.
       übertragen lässt, aber in die richtige Richtung geht: Es verurteilt nicht,
       aber betont den Wert von Serviceleistungen. Neben dem Sanktionieren von
       massenhaften Rücksendungen als Ultima Ratio sollten Onlinehändler Anreize
       schaffen, möglichst wenig zurückzuschicken. Fairness ist ein teures Gut –
       auch und gerade für Onlineschnäppchenjäger.
       
       1 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR David Denk
       
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