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       # taz.de -- Neuer Bundesstaat in Indien: Protestler legen die Region lahm
       
       > Die Regierung buhlt laut Kritikern mit der Gründung des Bundesstaates
       > Telangana um Wählerstimmen. Hier liegt Indiens viertgrößte Stadt:
       > „Cyberabad“.
       
   IMG Bild: Polizisten werfen in einer Stadt im Bundesstaat Andhra Pradesh Steine auf Protestanten, die gegen die Gründung von Telangana demonstrieren.
       
       BANGKOK taz | Demonstranten haben am Donnerstag am zweiten Tag in Folge das
       öffentliche Leben in weiten Teilen des südindischen Bundesstaats Andhra
       Pradesh lahmgelegt. Geschäfte, Büros, Schulen und Hochschulen blieben im
       südlichen Teil des Bundesstaats geschlossen. Öffentliche Busse fuhren
       nicht.
       
       Der Protest richtet sich gegen den Beschluss der Regierung in Delhi vom
       Montag, Andhra Pradesh in zwei Bundesstaaten zu teilen und so den neuen
       Staat Telangana zu schaffen. Demonstranten im Süden von Andhra Pradesh, die
       gegen die Aufteilung des Staates sind, verbrannten Puppen von Politikern
       der in Delhi regierenden Kongresspartei und forderten den Rücktritt von
       deren lokalen Politikern. Zu dem Protest hatte ein Aktionsbündnis
       aufgerufen.
       
       Der Streit um die Gründung des neuen Bundesstaates tobt seit den 50er
       Jahren. Damals organisierte eine Regierungskomitee den politischen
       Flickenteppich neu, der Indien nach der Unabhängigkeit 1947 zunächst war.
       Regierungseinheiten aus der Kolonialzeit und zuvor unabhängige Fürstentümer
       wurden zu Bundesstaaten vereint, deren Grenzen entlang linguistischer
       Linien gezogen wurden.
       
       In den souveränen Hyderabad-Staat, das größter dieser Fürstentümer,
       marschierten 1948 indische Truppen ein. Der Staat, auf dessen Gebiet sich
       auch die Telangana-Region befand, wurde von Indien gewaltsam annektiert.
       1956 wurde Telangana mit südlich und an der Küste gelegenen Regionen, in
       denen auch Telugu gesprochen wird, zum neuen Bundesstaat Andhra Pradesh
       vereint.
       
       ## Die Kampagne währte Jahrzehnte
       
       Bei der Jahrzehnte währenden Kampagne für eine Teilung Andhra Pradeshs
       spielte wirtschaftliches Kalkül eine große Rolle. Die Telangana-Region
       kommt für das Gros der Wirtschaftsleistung Andhra Pradeshs auf. Das liegt
       vor allem an Hyderabad, Indiens viertgrößter Stadt. In den letzten zwei
       Jahrzehnten wurde die Stadt zu einem der größten IT-Zentren Indiens. Der
       Wirtschaftsboom in „Cyberabad“ verstärkte die Forderungen nach einer
       Loslösung Telanganas.
       
       Hinzu kamen Vorwürfe, demnach Telangana innerhalb Andhra Pradeshs trotz der
       der herausgehobenen wirtschaftlichen Bedeutung benachteiligt werde. Seit
       Jahren legten immer wieder Proteste von Befürwortern und Gegnern des neuen
       Bundesstaates Hyderabad und andere Landesteile lahm. Oft gab es Gewalt.
       
       Bis zur offiziellen Gründung des neuen Bundesstaates dauert es noch Monate.
       Bis dahin dürfte es noch viele Proteste geben. Der Zorn der
       Telangana-Gegner entzündet sich vor allem daran, dass Hyderabad zwar für
       eine Übergangszeit von zehn Jahren die Hauptstadt beider Bundesstaaten sei,
       danach aber an Telangana fallen soll. Mehr als ein Dutzend Minister der
       Landesregierung von Andhra Pradesh kündigten ihre Rücktritte an, ebenso
       zwei Dutzend Abgeordnete des dortigen Parlaments.
       
       Kritiker vermuten hinter dem Beschluss der Regierung in Delhi für den neuen
       Bundesstaat Wahltaktik. 2014 wird in Indien auf nationaler Ebene gewählt.
       In Andhra Pradesh hätte die Kongresspartei derzeit geringe Siegchancen. Mit
       der Aufteilung Andhra Pradeshs wolle sich der Kongress die Unterstützung
       von Wählern im neuen Bundesstaat sichern, glauben Gegner der Teilung.
       Befürchtet wird auch, dass dies ähnlichen Kampagnen in anderen Regionen
       Auftrieb geben und zur Zerstückelung Indiens führen könnte.
       
       Nepali sprechende Aktivisten in Westbengalens Darjeeling-Region, die einen
       eigenen Bundesstaat fordern, kündigten einen Streik an. In Assam kam es
       schon am Mittwoch zu Zusammenstößen mit Studierenden, die einen
       unabhängigen Bundesstaat in einer dortigen Stammesregion fordern.
       
       1 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sascha Zastiral
       
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