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       # taz.de -- Urteil gegen Hartz-IV-Aktivistin: Kein Job beim Jobcenter
       
       > Das Hamburger Arbeitsgericht lehnt den Antrag der Hartz-IV-Aktivistin
       > Inge Hannemann auf Weiterbeschäftigung ab. Aber sie hat noch eine weitere
       > Klage eingereicht.
       
   IMG Bild: Sie werden in Zukunft nicht von Frau Hannemann vermittelt
       
       HAMBURG taz | Inge Hannemann wird vorerst nicht weiter beim Jobcenter
       Hamburg arbeiten. Die geschasste Arbeitsvermittlerin, die durch ihre Kritik
       an den Hartz-IV-Strukturen bundesweit bekannt wurde, hat das Eilverfahren
       gegen ihren Dienstherren verloren. Sie habe die Vorwürfe des Jobcenters,
       Rechtsverletzungen im Dienst begangen zu haben, nicht entkräften können,
       heißt es in der am Dienstagnachmittag gefällten Entscheidung.
       
       Zur Verhandlung im Saal 112 des Hamburger Arbeitsgerichts sind an diesem
       Tag über hundert Interessierte gekommen, um Inge Hannemann in ihrem Versuch
       zu unterstützen, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. „Ich bekomme seit
       Jahren Hartz IV“, sagt einer, als Inge Hannemann im grauen Kostüm
       eintrifft. „Jetzt solidarisch“, ruft ein anderer.
       
       Vor Gericht erklärt Hannemanns Anwalt Jussi Mameghani, dass seine Mandantin
       nicht wegen Pflichtverstößen bei der Arbeit, sondern wegen ihrer Kritik an
       den Hartz-IV-Strukturen freigestellt worden sei. Diese Kritik sei teilweise
       auch noch falsch wiedergegeben worden: Hannemann wolle „nicht von innen das
       System zerstören“, sondern es reformieren.
       
       Draußen vor der Tür des Amtsgerichts verweist Mameghani noch einmal auf die
       Beurteilung, die das Jobcenter Hannemann noch im letzten Jahr ausgestellt
       habe. Dort habe es geheißen, sie sei „unentbehrlich, überqualifiziert,
       momentan unterfordert“ und für eine Führungsposition geeignet.
       
       Der Vertreter des Jobcenters Hamburg erklärt dagegen, dass Inge Hannemann
       vorgeschriebene Sanktionen gegen säumige Hartz-IV-Empfänger nicht verhängt
       und Eingliederungsvereinbarungen nicht korrekt formuliert habe. Das
       Publikum verlangt, dass er lauter spricht. „Wir sind nicht bei Barbara
       Salesch“, ruft die vorsitzende Richterin entnervt in Anspielung an eine
       bekannte TV-Sendung, in der Rechtsfälle nachgespielt werden.
       
       ## „Ich werde seit Jahren ignoriert“
       
       Für Inge Hannemann geht es in diesem Verfahren um mehr als darum, ob die
       ihr ersatzweise angebotene Sekretärinnenstelle gleichwertig ist oder nicht.
       „Wir haben einen demokratischen Staat, in dem nun die Meinungsfreiheit
       eingeschränkt wird“, sagt sie. „Ich verstehe nicht, dass man nicht bereit
       ist, mit mir zu kommunizieren“, sagt sie. „Ich werde seit Jahren
       ignoriert“.
       
       Vielleicht wirkt sie deshalb so verhalten nach dieser gerade mal 45 Minuten
       währenden Verhandlung: Inhaltlich ist bei diesem Termin so gut wie nichts
       besprochen worden. „Die Gründe meiner Kritik kamen überhaupt nicht vor“,
       sagt Hannemann. Das könnte sich im kommenden Hauptverfahren noch ändern.
       Hannemann hat neben dem Eilverfahren, das am Dienstag entschieden wurde,
       eine weitere Klage eingereicht. Dort sind die Anforderungen an die Beweise
       deutlich höher. Erster Verhandlungstermin ist im August, das Verfahren kann
       sich dann aber über Wochen ziehen.
       
       In der Öffentlichkeit ist Hannemann gefragt: Am Nachmittag ist sie schon
       auf dem Weg zu einer Buchvorstellung der Linken in Berlin. Dort präsentiert
       Klaus Dörre sein Buch „Bewährungsproben für die Unterschicht“, gemeinsam
       mit der Linken-Parteivorsitzenden Katja Kipping und der ehemaligen
       Arbeitsvermittlerin.
       
       „Wenn ich den Prozess verliere, machen wir einen politischen Skandal
       daraus“, hat Inge Hannemann ein paar Wochen vor dem Termin gesagt. Sie
       klang nicht unfroh dabei. Ein paar Minuten nach dem Gerichtsbeschluss am
       Dienstag hat sie ihn auf ihrer Facebook-Seite vermeldet. Und dazu
       geschrieben: „Der Weg für höhere Instanzen zum Erhalt der Menschenrechte
       ist damit frei.“
       
       30 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Friederike Gräff
       
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