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       # taz.de -- Montagsdemo in den USA: Der Große Marsch auf das Kapitol
       
       > Die republikanische Mehrheit in North Carolina setzt sozialen Kahlschlag
       > durch. Dagegen demonstrieren jede Woche immer mehr Menschen.
       
   IMG Bild: Zero tolerance: Ein Demonstrant in Uncle-Sam-Kostüm wird abgeführt.
       
       WASHINGTON taz | Immer wieder Montags in North Carolina: Hunderte
       Demonstranten versammeln sich an einer der Kirchen der Hauptstadt Raleigh.
       Hinter ihrem Anführer, einem schwarzen Bürgerrechtler, ziehen sie mit
       Plakaten zum Kapitol, um darin gegen die drastischste Beschneidung der
       Sozialgesetze zu protestieren, die ihr Bundesstaat je erlebt hat.
       
       Wenn dann die Polizei kommt, lassen sie sich lieber festnehmen als
       verjagen: Über 920 Festnahmen gab es seit April an den sogenannten
       „Moralischen Montagen“, an denen sich North Carolina gegen seine
       konservative Politik erhebt.
       
       „Wir lassen nicht zu, dass sie unseren Glauben missbrauchen und dazu
       nutzen, ihre soziale Ungerechtigkeit durchzusetzen“, erklärt der Pfarrer
       William Barber. Der 49-jährige regionale Präsident der ältesten
       US-Bürgerrechtsorganisation „National Association for the Advancement of
       Colored People“ (NAACP). „Sie wollen uns die Bürgerrechte nehmen, die
       unsere Vorfahren mit ihrem Blut, ihrem Schweiß und ihren Tränen erkämpft
       haben.“
       
       Als der charismatische Geistliche das auch am Montag beim zwölften großen
       Marsch aufs Kapitol von Raleigh beschwor, waren die Abgeordneten und
       Senatoren, denen der Vorwurf galt, bereits in die Sommerpause abgereist.
       Vorher jedoch hatten sie ihre Supermehrheit zu zahlreichen Entscheidungen
       genutzt.
       
       Die Konservativen, die sowohl Gouverneur Pat McCrory stellen als auch die
       Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses, nutzten ihre Macht vor allem zum
       Abbau sozialer Rechte. Sie votierten gegen die Ausweitung der
       Krankenversicherung für Sozialschwache als Teil der Gesundheitsreform.
       
       Sie stoppten ein Gesetz, das schwarzen Todeskandidaten das Recht auf
       Überprüfung von Diskriminierung gab. Sie erschwerten den Zugang zur
       Abtreibung, beschnitten den Bildungsetat und leiteten dafür Staatsgelder an
       Privatschulen um. Sie erhöhten die Steuern für Niedrigverdiener und kappten
       dafür das Arbeitslosengeld.
       
       ## Ein Modell für andere Südstaaten
       
       Je weiter sie schnitten, wuchsen rund um das Kapitol von Raleigh die Massen
       der Demonstranten. Schwarze wie Weiße, Liberale wie Konservative, Gläubige
       und Atheisten stimmten gemeinsam Lieder an und leisteten zivilen
       Ungehorsam. „Es war toll, verhaftet zu werden“, erzählt stolz eine
       arbeitslose Waffenverkäuferin einem Lokalsender. „Ich habe mich gut
       gefühlt, für meine Meinung zu stehen.“
       
       Sie wisse außerdem: „Die meisten Polizisten hier sind unserer Meinung.“ Die
       Insassen der zahlreichen Busse aus anderen Landesteilen, die jeden Montag
       zur Demonstration anreisen, sowieso. „Was wir hier in North Carolina
       machen, ist ein Modell für andere Südstaaten“, sagt Initiator Barber.
       
       Im wirtschaftlich und sozial abgehängten Süden ragte North Carolina einmal
       als fortschrittliches Beispiel heraus. Nun, fürchten die Demonstranten,
       droht hier, was vor zwei Jahren der konservative Gouverneur von Wisconsin,
       Scott Walker, im Mittleren Westen ausgelöst hat: Einen Dominoeffekt
       fallender Sozialbausteine in der ganzen Region. Die Republikaner
       argumentieren mit Jobs: In dem Staat, der in punkto Arbeitslosenquote
       landesweit Platz fünf belegt, dürften Unternehmer nicht auch noch durch
       große Verpflichtungen abgeschreckt werden.
       
       Doch Wisconsin mobilisierte auch die Massen, die wochenlang das Kapitol in
       Madison besetzt hielten. Davon träumt der große Reverend mit den schwarzen
       buschigen Augenbrauen. Barbers Sorge: Er muss seine Anhänger bei
       Protestlaune halten, bis die Regierung ihre Sommerpause hinter sich hat.
       „Wir machen weiter“, verspricht er.
       
       30 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Passenheim
       
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