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       # taz.de -- Landwirtschaft: Der verunreinigte Hobbit
       
       > Die umstrittene Syngenta AG musste Saatgut für zuchtoptimierte
       > Wintergerste zurückziehen. Kritiker sehen ihre Vorbehalte an Gentechnik
       > bestätigt.
       
   IMG Bild: Könnte durch Pollenflug verunreinigt werden: Wintergerste.
       
       BREMEN taz | Für die einen, die Kritiker, ist es ein „Desaster“ für die
       Landwirtschaft. Und für den anderen, den Saatgut-Hersteller, ein eher
       theoretisches Problem, das „in der Praxis“ gar nicht ankomme.
       
       Die Rede ist vom Getreide des internationalen Agrarkonzerns Syngenta,
       konkret: dessen Hybrid-Wintergerste. Dabei handelt es sich um Gerste, die
       dank Inzucht deutlich mehr Ertrag als konventionelles Getreide bringt,
       deren Vorteile aber nicht vererbt werden. Die Arbeitsgemeinschaft
       bäuerliche Landwirtschaft (ABL) in Niedersachsen warnt nun vor
       „großflächigen Verunreinigungen“ durch Pollenflug oder die Aufbereitung des
       Saatguts. Syngenta findet diesen Vorwurf zwar „absolut nicht zutreffend und
       irreführend“ – räumt aber ein „Produktionsproblem“ ein. Es sei jedoch schon
       „vor der Ernte“ bemerkt und das betroffene Saatgut „zurückgezogen“ worden.
       „Für Gerstenanbauer ist überhaupt kein Schaden entstanden“, sagt Syngenta.
       Die ABL warnt gleichwohl vor einer „Saatgut-Knappheit“.
       
       Ihrem Sprecher Eckehard Niemann geht es aber um etwas anderes: Der Vorfall
       belege „einmal mehr“ die Gefahren gentechnisch veränderter Sorten. Diese
       Hybrid-Wintergerste, die beispielsweise „Hobbit“ heißt oder „Zzoom“, gehöre
       zwar gar nicht dazu. Aber: „Die Versprechen der Gentechnik-Konzerne“ – und
       dazu gehört auch Syngenta –, dass sich Gen-Getreide „isoliert anbauen
       ließe, ohne dass diese sich unkontrolliert über alle Felder verbreiten,
       seien abermals widerlegt“. Syngenta widerspricht freilich: Von einer
       unkontrollierten Verbreitung könne keine Rede sein, und von Gentechnik auch
       nicht. „Wenn diese Gerste gentechnisch verändert wäre, dann hätten viele
       Landwirte nun ungewollt Gentechnik auf ihren Feldern“, sagt Niemann. Das
       sei ein „Menetekel“, eine „Warnung“.
       
       Zumal Syngenta schon einmal aufgefallen ist: 2005 wurde öffentlich, dass
       Syngenta in den USA jahrelang „versehentlich“ nicht zugelassenen Gen-Mais
       vertrieben hatte. Er landete in Frankreich, Spanien, und über Saatgut,
       Tierfutter oder Speisemais wohl auch in andere Länder. Syngenta weigert
       sich die Importländer zu nennen. Der Konzern habe „entweder nicht die volle
       Kontrolle“ oder wolle seine Fehler „nicht offenlegen“, kritisierte
       Greenpeace.
       
       Unbestätigten Meldungen zufolge peilt Syngenta bei der deutschen
       Wintergerste aktuell einen Marktanteil von 50 Prozent an. Wir konnten eine
       „erfreuliche positive Resonanz beobachten“, sagt Syngenta nur. „Da entsteht
       quasi ein Monopol“, glaubt Niemann.
       
       Die Hybridgerste verspricht den Landwirten zwar allerlei praktische
       Vorteile und eine „bis zu dreimal höhere Rendite“. Doch weil die Bauern sie
       nicht selbst vermehren können, werden sie zugleich von Herstellern wie der
       Syngenta AG abhängig. Gleich mehrere ihrer Großaktionäre sind übrigens auch
       beim Konkurrenten Monsanto Miteigentümer. Und dort setzt man ja schon lange
       auf das Geschäfte mit Genpflanzen – auch wenn der Konzern kürzlich
       ankündigte, entsprechende Geschäfte in Europa einzudämmen.
       
       29 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Zier
       
       ## TAGS
       
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