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       # taz.de -- Bedingungsloses Grundeinkommen: 2.500 Schweizer Franken für jeden
       
       > Bedingungsloses Grundeinkommen? Ausgerechnet die Schweiz wird wohl das
       > erste Land sein, das über die Einführung abstimmt.
       
   IMG Bild: Das Banner des Grundeinkommens weht über dem Genfer See.
       
       GENF taz | Sie war die schnellste in der Schweiz: die Volksinitiative zur
       Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). Die 100.000
       Unterschriften, die notwendig sind, um eine Volksabstimmung herbeizuführen,
       hatte die Initiative bereits innerhalb eines Jahres, im April 2013,
       eingesammelt.
       
       Derzeit haben über 129.000 EidgenossInnen die Forderung unterschrieben,
       dass in die Schweizer Bundesverfassung folgender Artikel aufgenommen wird:
       „Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.
       Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein
       und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. Das Gesetz regelt
       insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.“
       
       Die Volksinitiative bricht alle Rekorde: Nicht nur, dass sie schneller als
       jede der anderen 420 landesweiten Volksinitiativen in der Schweiz, die seit
       Einführung des plebiszitären Instruments 1891 gestartet wurden, ihre
       Unterschriften einsammelte. Nach der letzten organisierten Sammelaktion am
       Nationalfeiertag des 1. August werden deutlich über 130.000 Unterschriften
       beisammen sein. So viele UnterstützerInnen hatte noch keine Initiative.
       
       Warum stößt das Anliegen eines BGE ausgerechnet in einem der zehn reichsten
       der 193 Länder der Erde auf so große Unterstützung? Weil die Schweiz zu den
       drei Staaten gehört, in denen die soziale Ungleichheit in den vergangenen
       zwanzig Jahren der beschleunigten neoliberalen Globalisierung am stärksten
       zugenommen hat. Das belegen OECD-Statistiken sowie noch sehr viel
       anschaulicher der Basler Soziologieprofessor Ueli Mäder und seine
       MitautorInnen in ihrem 2012 veröffentlichten Buch „Wie Reiche denken und
       lenken – Reichtum in der Schweiz“.
       
       ## Ungerechte Verhältnisse
       
       In der kleinen Alpenrepublik mit ihren knapp 8 Millionen EinwohnerInnen
       residiert jeder zehnte Milliardär der Welt. 3 Prozent der hier wohnhaften
       privaten Steuerpflichtigen haben gleich viel Nettovermögen wie die
       restlichen 97 Prozent. Die Vermögen der 300 Reichsten wuchsen in den
       vergangenen zwanzig Jahren um mehr als das Fünffache von 86 Milliarden auf
       459 Milliarden Franken, also um etwa 380 Milliarden Euro. Zugleich stiegen
       die Löhne der abhängig Beschäftigten nur äußerst geringfügig, und zwar um
       Prozentsätze, die zum Teil unter der Teuerungsrate liegen.
       
       Die zahlreichen Skandale der vergangenen Jahre um millionenschwere
       Gehälter, Boni oder Abfindungen für Banken- und Firmenmanager haben das
       Gefühl vieler EidgenossInnen, in ungerechten Verhältnissen zu leben,
       verstärkt.
       
       Anders als in Deutschland ist die Initiative für ein BGE nicht isoliert,
       sondern reiht sich in einen politischen und organisatorischen Kontext mit
       anderen Anliegen und Kampagnen.
       
       Dazu zählt die „Abzockerinitiative“ gegen Einkommensexesse bei
       Firmenmanagern, die bei der Volksabstimmung im März gegen den vereinten
       Widerstand aller bürgerlichen Parteien und der Wirtschaftsverbände mit
       großer Mehrheit erfolgreich war.
       
       ## Gewerkschaft misstrauisch
       
       Auch dazu gehören die von den eidgenössischen Grünen und Sozialdemokraten,
       den Gewerkschaften wie auch großen Teilen der Kirchen und ihrer Hilfswerke
       unterstützten Volksinitiativen für einen landesweiten Mindestlohn, für die
       Einführung einer Erbschaftssteuer sowie für die Begrenzung der Einkommen in
       sämtlichen rund 100.000 Schweizer Unternehmen auf das maximal Zwölffache
       des niedrigsten Lohns.
       
       Nach diesem Vorschlag soll künftig kein Jahresgehalt geringer sein als das
       Monatsgehalt des Topmanagers im gleichen Unternehmen. Zumindest an der
       Spitze des Gewerkschaftsbunds gibt es allerdings noch Bedenken gegen ein
       BGE. Hier hält man am Ziel der Vollbeschäftigung und der Existenzsicherung
       durch Lohnarbeit fest. Zudem wird befürchtet, dass die beiden
       Volksinitiativen für das bedingungslose Grundeinkommen und einen
       landesweiten Mindestlohn von 4.000 Franken monatlich von den Gegnern beider
       Anliegen in der Wirtschaft und den bürgerlichen Parteien gegeneinander
       ausgespielt werden könnten.
       
       Die Befürworter des BGE halten eine Summe von 2.500 Franken für jeden in
       der Schweiz lebenden Erwachsenen und von 600 Franken pro Kind für
       erforderlich. Am 4. Oktober übergeben die AktivistInnen der Volksinitiative
       die gesammelten Unterschriften offiziell der Regierung in Bern. Der
       Bundesrat, das Parlament (Nationalrat) und die Kammer der 26 Kantone
       (Ständerat) beraten dann über das Anliegen. Theoretisch könnte die
       Volksabstimmung bereits im nächsten Jahr stattfinden. Damit zu rechnen ist
       allerdings nicht.
       
       ## Abstimmung erst 2019
       
       Denn die Regierung oder das Parlament werden mehr Beratungszeit zur Vorlage
       eines „moderateren“ Gegenvorschlags beanspruchen. Maximal kann der
       Beratungsprozess nach den in der Verfassung vorgeschriebenen Fristen knapp
       fünfeinhalb Jahre dauern. In diesem Fall würde die Volksabstimmung erst im
       Frühjahr 2019 stattfinden. Auch dann wäre die Schweiz wahrscheinlich immer
       noch das weltweit erste Land, das über die Einführung eines BGE
       entscheidet. Eine Prognose über den Ausgang der Volksabstimmung lässt sich
       trotz der so erfolgreichen verlaufenen Kampagne zur Unterschriftensammlung
       seriöserweise nicht machen.
       
       Man kann jedoch davon ausgehen, dass die SchweizerInnen in der Zeit bis zum
       Termin der Abstimmung eine noch viel breitere und intensivere Debatte über
       das BGE und die damit verbundenen Chancen und Risiken führen werden als
       bereits in den vergangenen fünfzehn Monaten. Und das ist, unabhängig vom
       Ergebnis der Volksabstimmung, bereits ein großer Gewinn.
       
       28 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
       
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