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       # taz.de -- Drohnen-Affäre: Er bleibt, und bleibt – und bleibt
       
       > Thomas de Maizière geht einfach nicht. Dabei hatte er Menschen wie sich
       > einmal den Rücktritt empfohlen. Kann man das philosophisch verstehen?
       
   IMG Bild: Der große Verantwortungsprediger, der sich vor der Verantwortung drückt?
       
       Es sei nun eine Entscheidung der Kanzlerin, ob der Verteidigungsminister
       Thomas de Maizière seinen Posten räume – oder eben nicht. So hat es am
       Donnerstag der Verteidigungsexperte der SPD, Rainer Arnold, noch einmal
       ausgedrückt: „Er hat es selber nicht mehr in der Hand, ob er zurücktritt
       oder bleibt. Das hat die Kanzlerin in der Hand."
       
       Es gäbe durchaus den einen oder anderen Grund, warum de Maizière
       zurücktreten könnte. In seinem Haus ist durch die missglückte Entwicklung
       der Drohne Euro Hawk ein Schaden entstanden, der in dreistelliger
       Millionenhöhe liegen dürfte, womöglich noch höher.
       
       In den vergangenen Wochen, auch in dieser, sind immer wieder Hinweise
       aufgetaucht, dass de Maizière schon früher als er zwischenzeitlich
       behauptet hat, von dem desolaten Zustand des Projektes wusste. Die ganze
       Woche schon tagt der Untersuchungsausschuss des Bundestages, in dem die
       Opposition ihn auch immer wieder zum Rücktritt auffordert.
       
       Allein: Die politische Stimmung im Land wirkt gerade nicht so, als würde
       irgendjemand de Maizière ernsthaft davonjagen wollen. Anders als bei
       Christian Wulff, der wegen Übernachtungen bei Freunden und Bobby Cars von
       der Bild-Zeitung und Kollegen attackiert wurde. Anders als Theodor zu
       Guttenberg, den eine Allianz aus peniblen Bloggern und Schuh-Demonstranten
       aus dem Amt getrieben hatte. Anders auch als bei Annette Schavan, die aus
       ähnlichen Gründen später gehen musste. Diesmal scheint sich keiner mehr so
       richtig aufzuregen.
       
       ## Das Ernste wäre weg
       
       Warum sollte Merkel also reagieren? Zumal, wenn man mit Peter Dausend in
       der aktuellen Zeit argumentiert: „De Maizière wird wohl auch deshalb nicht
       gehen, weil dadurch nicht nur Angela Merkel, die Union und die Siegchancen
       der beiden bei der Bundestagswahl beschädigt würden, sondern auch, weil die
       Politik weiter an Ansehen verlöre. Niemand nimmt sie ernst, wenn das Ernste
       aus ihr verschwindet.“
       
       Wenn stört es da schon groß, dass der Verdacht sehr, sehr nahe liegt, dass
       de Maizière es mit der Wahrheit in entscheidenden Fragen nicht ganz so
       ernst genommen hat.
       
       Der Mann, der immer Verantwortung predigte, scheint sich seiner im
       Augenblick einfach entziehen zu wollen. Er ruft stattdessen in einem
       Interview selbstbewusst die Erntezeit aus. Er habe ja so viel gesät.
       
       ## „Jetzt tut er das Gegenteil“
       
       Ist das das Zeichen eines Verfalls der politischen Sitten, wenn der große
       Verantwortungsprediger sich vor der Verantwortung drückt?
       
       Oder nimmt er sie gerade dadurch wahr, dass er bleibt – für Merkel?
       
       Im Gespräch mit taz-Redakteur Jan Feddersen kritisiert der Philosoph und
       ehemalige Kulturstaatsminister der SPD Julian Nida-Rümelin den
       Verteidigungsminister scharf: „Noch vor Kurzem sagte er, in solchen Fällen
       übernehme man ohne zu zögern die Verantwortung, auch wenn man sich selbst
       nichts vorzuwerfen habe. Jetzt tut er das Gegenteil.“
       
       Er wolle nicht ausschließen, sagt Nida-Rümelin, mittlerweile Dekan seines
       Fachbereichs an der Ludwig-Maximilians-Universität München, dass der
       Minister „in normalen Zeiten längst zurückgetreten wäre.“ Vielleicht sei
       aber „von ganz oben eine Weisung erfolgt: Sie bleiben im Amt bis zur Wahl.
       Das will ich nicht ausschließen, das würde vielleicht manche Pirouette in
       diesem Fall erklären. Gut für die politische Kultur des Landes ist das
       nicht.“
       
       ## Nicht nur finanzielle Aspekte
       
       Bei der Drohnen-Affäre gehe es nicht nur um die finanziellen Aspekte,
       sondern auch um die Frage, ob man die Verantwortung zu töten an technische
       Systeme delegieren könne. „Ich kann nicht verstehen, wie man Minister
       werden kann und diese Dinge einfach schleifen lässt, sich monatelang nicht
       drum kümmert und dann darauf beruft, dass man sich nicht darum gekümmert
       hat“, sagt Nida-Rümelin in der neuen taz.am wochenende vom 27./28. Juli.
       
       Nida-Rümelin, Mitglied des SPD-Parteivorstands, fordert in der taz.am
       wochenende eine klare Trennung von politischer und persönlicher
       Verantwortung und warnt vor einer allzu strengen Auslegung der ersten. „Man
       könnte das Prinzip politischer Verantwortung tatsächlich auf die Spitze
       treiben und es damit aushöhlen, nach dem Motto: Jeder Fehler, der in so
       einem Ministerium gemacht wird, führt automatisch zum Rücktritt eines
       Ministers. Das kann es jedoch auch nicht sein, das hätte das politische
       Chaos zur Folge“, sagt er in der taz.am wochenende.
       
       Für den Philosophen ist in Fällen wie dem des Verteidigungsministers die
       öffentliche Debatte entscheidend. Die müsse möglichst rational geführt
       werden. Die Tatsache, dass ein Bundespräsident wie Christian Wulff wegen
       weitaus weniger bedeutender Fragen aus dem Amt getrieben wurde, de Maizière
       aber – auch wegen der Gesamtstimmung – erst einmal bleiben kann, lässt
       Nida-Rümelin an der Rationalität dieser Debatte zweifeln.
       
       Hat Nida-Rümelin recht? Oder muss man dem Zeit-Autor zustimmen, dem nach
       einem Rücktritt de Maizières das Ernste in der Politik fehlen würde? 
       
       Ist es sinnvoll auch über die eigene Verantwortung, das eigene
       Verantwortungsverständnis nachdzudenken, in der eigenen Lebenswelt, wenn
       man den Verteidigungsminister bewerten möchte? Was meinen Sie? 
       
       Das Titelgespräch „Was ist Verantwortung?“ lesen Sie in der [1][taz.am
       wochenende vom 27./28. Juli 2013.]
       
       26 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ausgabe-vom-27/28-Juli-2013/!120654/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johannes Gernert
       
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