URI: 
       # taz.de -- Rassismus und Gewalt: Im Beuteschema der Polizei
       
       > Der Fall Trayvon Martin hat auch bei uns viele schockiert. Aber zu
       > Hochmut gegenüber den USA besteht kein Anlass, wie die letzten Wochen
       > zeigen.
       
   IMG Bild: Nicht nur ein amerikanisches Thema: Demonstrantinnen fordern „Gerechtigkeit für Trayvon Martin“
       
       Wer hat Angst vorm schwarzen Mann? Nach dem Freispruch des selbst ernannten
       Nachbarschafts-Wachmanns, der den 17 Jahre alten Highschool-Schüler Trayvon
       Martin erschossen hat, wird in den USA wieder hitzig über die alte Frage
       debattiert, wie schnell weiße Furcht vor schwarzen Jugendlichen in Gewalt
       umschlagen kann, und wie sehr Justiz und andere Behörden dort von
       Vorurteilen geleitet werden.
       
       In Deutschland verfolgt man diese Debatte mit einer Mischung aus
       Faszination und Schrecken, als handele es sich dabei um ein exotisches
       Geschehen aus einer uns völlig fremden Welt. Dabei gibt es auch hierzulande
       einen engen Zusammenhang zwischen Rassismus, Gewalt und behördlicher
       Diskriminierung.
       
       Der George Zimmerman aus Florida, der in seinem Viertel zu einer Art
       Nachbarschafts-Bürgerwehr gehörte, hatte den unbewaffneten Jugendlichen
       verfolgt, weil er ihn aufgrund seines Kapuzenshirts und seiner schwarzen
       Hautfarbe für einen Einbrecher hielt. Natürlich lässt sich dieser Fall
       nicht einfach so auf Deutschland übertragen. Dafür fehlt die Erfahrung der
       Sklaverei, die Weiße und Schwarze in den USA bis heute spaltet. Und vor
       allem gibt es hier nicht, wie in einigen Bundesstaaten der USA, diese
       Stand-your-Ground-Gesetze, die der Selbstjustiz Tür und Tor öffnen.
       
       Doch auch hier laufen Männer mit schwarzer Hautfarbe oft Gefahr, Opfer
       rechter Gewalt zu werden – oder, wenn sie Flüchtlinge sind, von übermäßiger
       Polizeigewalt. Dafür stehen Namen wie die des Deutsch-Angolaners Alberto
       Adriano, der im Jahr 2000 in Dessau von neonazis erschlagen wurde, sowie
       des Asylbewerbers Oury Jalloh uas Sierra Leone, der fünf Jahre später in
       der gleichen Stadt unter bis heute ungeklärten Umständen in seiner
       Polizeizelle verbrannte.
       
       ## „Racial Profiling“
       
       Rassismus und Gewalt richten sich hierzulande aber auch insbesondere auch
       gegen männliche Jugendliche mit türkischem und arabischem Hintergrund – sie
       werden von Teilen der deutschen Mehrheitsgesellschaft als ebenso bedrohlich
       empfunden wie junge Schwarze von vielen Weißen in den USA. Weil das so ist,
       geraten sie allein aufgrund ihrer Herkunft zum Beispiel besonders häufig
       ins Visier der Polizei. „Racial Profiling“ heißt deren Taktik, bei Gruppen,
       die sie dem äußeren Anschein nach für verdächtig hält, ohne Anlass gezielte
       Personenkontrollen durchzuführen.
       
       Erst in den letzten beiden Wochen sind solche Kontrollen in offene
       Handgreiflichkeiten ausgeartet. In Offenbach gerieten arabische und
       türkische Jugendlicher in der vergangenen Woche mit der Polizei aneinander.
       Eine Woche zuvor hatten sich jugendliche Migranten in Hamburg-Altona mit
       der Polizei gerieben. In beiden Vierteln gab es Proteste, viele Anwohner
       fanden das Vorgehen der Polizei überzogen. Doch während die deutsche
       Öffentlichkeit gebannt auf den Fall Trayvon Martin in den USA blickte,
       blieben die Proteste hierzulande nahezu unbemerkt. Offenbar halten viele
       unverhältnismäßige Polizeigewalt vor der eigenen Haustür nicht für ein so
       gravierendes Problem, so lange sie „nur“ Migrantenjugendliche betrifft.
       Doch das ist kurzsichtig.
       
       Deutschland kann sich glücklich schätzen, dass es hier noch nie zu solchen
       Krawallen kam wie in Frankreich, wo im Herbst 2005 die Vorstädte brannten,
       oder in Großbritannien, wo es im August 2011 zu Unruhen kam. In Frankreich
       löste der Unfalltod zweier arabischer Jugendlicher, die vor der Polizei
       geflüchtet waren, die Krawalle aus. Den Ausschreitungen in Großbritannien
       ging der Tod eines 29 Jahre alten schwarzen Kleinkriminellen in London
       voraus, der bei seiner Festnahme von einem Polizisten erschossen wurde.
       
       Muss es auch in Deutschland erst zu einer solchen Tragödie kommen, damit
       breit über Rassismus und Polizeischikanen diskutiert wird? Denn das ist ein
       weiterer Unterschied zu den USA: Dort streitet man wenigstens offen über
       das Thema, sogar US-Präsident Barack Obama hat sich mehrmals eingeschaltet.
       In Deutschland dagegen wird dieses Thema bagatellisiert. Doch für
       moralische Überlegenheitsgefühle ist kein Platz. Denn es ist zu bequem, nur
       mit dem Finger auf die USA zu zeigen, als ob es das einzige Land wäre, das
       ein Rassismusproblem hat.
       
       25 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR USA
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Diskriminierung
   DIR Integration
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Polizei
   DIR George Zimmerman
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR stop and frisk
   DIR Barack Obama
   DIR Husby
   DIR Schwerpunkt Neonazis
   DIR Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR George Zimmerman
   DIR Schwerpunkt Rassismus
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kommentar Polizeigewalt in London: Minderheiten im Visier
       
       Rassistische Übergrifffe der Polizei sind in Großbritannien an der
       Tagesordnung. Auch die Gerichte messen mit zweierlei Maß.
       
   DIR Nach Schüssen auf schwarzen Teenager: Who’s next?
       
       Die Protestformen gegen die Erschießung von Michael Brown reichen von
       Mahnwachen bis Plünderungen. Seine Mutter mahnt zu Gewaltfreiheit.
       
   DIR Kommentar Justizversagen Ouri Jalloh: Rechtsstaat, was machst du?
       
       Der Justiz kann man nicht in jedem Fall vertrauen. Sollen die Bürger jetzt
       immer Gutachter privat bezahlen, damit sie gezwungen wird, ihre Arbeit zu
       machen?
       
   DIR Deutsche Polizei: Alle zehn Tage ein gezielter Schuss
       
       Die Zahlen zum Dienstwaffengebrauch bleiben im Vergleich zum Vorjahr
       unverändert. Die Polizei veröffentlichte auch die Opferzahlen. Viele Beamte
       sind traumatisiert.
       
   DIR Todesschütze von Trayvon Martin: Zimmerman hat Ärger mit Polizei
       
       Der 29-jährige George Zimmerman soll seine Ehefrau mit einer Waffe bedroht
       haben. Sie hatte in der vergangenen Woche die Scheidung eingereicht.
       
   DIR Staatsanwaltschaft prüft Polizeieinsatz: Schlagstockeinsatz am Kölner Airport
       
       Am Flughafen Köln-Bonn soll ein Deutschtürke von Beamten der Bundespolizei
       bewusstlos geschlagen worden sein. Die Behörde widerspricht.
       
   DIR Diskriminierung durch die Polizei: Vordruck für den Beschwerdebrief
       
       Nicht nur in den USA, auch in Deutschland gibt es Polizei-Kontrollen nach
       Hautfarbe. Eine Kampagne fordert jetzt zum organisierten Protest auf.
       
   DIR Diskriminierende US-Polizei: Die Falschen werden kontrolliert
       
       Die New Yorker Polizei stoppt überdurchschnittlich häufig Afroamerikaner
       und Hispanics. Das ist verfassungswidrig, urteilt ein Gericht. Der
       Bürgermeister ist sauer.
       
   DIR Kritik nach Rodeo-Show in den USA: „Hier ist unsere Obama-Attrappe“
       
       Eine plumpe Verballhornung des US-Präsidenten während eines Volksfestes in
       Missouri hat für Kritik gesorgt. Ein Zuschauer fühlte sich an den
       Ku-Klux-Klan erinnert.
       
   DIR Nach den Unruhen in Schweden: Verfahren gegen Polizisten eingestellt
       
       Im Mai erschoss ein Polizist einen Einwanderer und löste heftige Proteste
       gegen Rassismus aus. Nun hat die Staatsanwalt festgestellt, es sei Notwehr
       gewesen.
       
   DIR Widerstand gegen Rechtsextreme: Wehrhafte Bürokratie
       
       Weil er sich gegen Aufmärsche wehrte, überschwemmten Neonazis den
       Bürgermeister von Weyhe mit Morddrohungen. Jetzt hat er 115 von ihnen
       angezeigt.
       
   DIR Polizeigewalt in Deutschland: Handschellen zum Ramadan
       
       Ein eskalierter Polizeieinsatz in Offenbach sorgt für ein Echo aus der
       Türkei. Auch in Hamburg gab es Proteste gegen Kontrollen von türkischen
       Jugendlichen.
       
   DIR Kommentar Rassismus in den USA: Der Traum vom Ende des Rassismus
       
       Barack Obamas Worte über den alltäglichen Rassismus sind mehr als eine
       Befriedungsstrategie. Aber nun muss der Präsident auch dranbleiben.
       
   DIR Rassismus in den USA: Die Zeit des Weinens ist vorbei
       
       Eine Woche nach dem Freispruch für einen Weißen, der einen unbewaffneten
       Teenager erschoss, demonstrieren Tausende. Auch US-Präsident Obama sprach.
       
   DIR Debatte Rassismus in den USA: Er zitterte noch immer
       
       Männliche Schwarze müssen sich in den USA häufig für ihr Dasein
       rechtfertigen. Auch der Sohn unserer Autorin wurde von einem Nachbarn
       grundlos angegriffen.
       
   DIR Proteste gegen Rassismus in den USA: Sie halten die Füße nicht still
       
       Erstmals hat sich US-Präsident Obama zum Freispruch von George Zimmermann
       geäußert. Anschließend gingen erneut Tausende auf die Straße.