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       # taz.de -- NSU-Prozess in München: Gezielt und gelassen
       
       > Im NSU-Verfahren zeigen Sachverständige die Brutalität der Ermordung von
       > Enver Simşek auf. Die Täter fanden hier die Methode ihres Tötens.
       
   IMG Bild: Blumen am Tatort am Stadtrand von Nürnberg.
       
       MÜNCHEN taz | Lediglich zehn bis fünfzehn Sekunden haben die mutmaßlichen
       Mörder von Enver Simşek gebraucht, um dem wehrlosen Blumenhändler aus
       Nürnberg die tödlichen Verletzungen beizubringen. So lautete zumindest die
       Einschätzung des Sachverständigen des Landeskriminalamtes, der den
       Tathergang rekonstruierte.
       
       Er wurde am Dienstag beim NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht
       befragt. Auch der Rechtsmediziner, der Simşeks Leiche obduzierte, saß am
       Dienstag im Zeugenstand. Die Schilderungen der beiden Sachverständigen
       dokumentieren mit schauriger Akribie, wie brutal der oder die Täter
       offenbar vorgegangen waren.
       
       Enver Simşek war das erste Opfer, das laut Anklage von Mitgliedern des
       „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) ermordet wurde. Am 9. September
       2000 stand er mit seinem weißen Mercedes Sprinter auf dem Parkplatz an
       einer vielbefahrenen Ausfallstraße im Süden Nürnbergs. Sonnenschirm, Bank
       und Klapptisch waren aufgestellt. Viele Kunden kauften an dem Tag aber
       keinen Blumenstrauß. Im Auto band Simşek beim Warten auf Kunden Sträuße,
       besprühte sie mit duftenden Ölen und telefonierte.
       
       Um 14 Uhr erschienen, so die Anklage, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt auf dem
       Parkplatz. Ihr späteres Opfer stand auf der Ladefläche und schnitt Blumen.
       Beide Täter hatten eine Plastiktüte in der Hand, trugen Basecaps und kurze
       Radlerhosen. Ohne Vorwand gingen sie zu der offenen Schiebetür des
       Fahrzeuges, hoben die Hände mit den Tüten und zielten auf den Kopf ihres
       Opfers und schossen ihm ins Gesicht.
       
       ## Zahl der Schützen unklar
       
       Als man Simşek an dem Samstag im Laderaum seines Transporters fand, war er
       noch am Leben. Er verstarb zwei Tage nach dem Attentat im Krankenhaus. Laut
       Anklage soll Beate Zschäpe, die Hauptangeklagte im Prozess, an diesem,
       sowie an neun weiteren Morden, die der NSU mutmaßlich beging, beteiligt
       gewesen sein. Hinzu kommen zwei Sprengstoffanschläge, bei der ihr die
       Bundesanwaltschaft Mittäterschaft zur Last legt.
       
       Nachdem Simşek durch die Schüsse ins Gesicht auf den Boden des Fahrzeuges
       gefallen war, gaben die Täter noch mindestens acht Schüsse aus zwei
       verschiedenen Waffen ab. Erst als er bereits am Boden lag – das legt die
       Rekonstruktion des Tathergangs nahe – traf ihn vermutlich die tödliche
       Kugel. Die anderen Schüsse hätte der Geschäftsmann laut der Aussage des
       Rechtsmediziners womöglich überlebt, auch wenn diese schwere Verletzungen
       hervorgerufen hatten.
       
       Nicht eindeutig klären ließ sich, ob ein oder zwei Schützen auf das
       wehrlose Opfer feuerten – wie in den Akten zunächst nahegelegt wurde.
       Jedoch hätten Tests ergeben, dass auch ungeübte Schützen mit dem
       Schalldämpfer, der sich mutmaßlich auf einer der Waffen befand, relativ
       genau zielen konnten.
       
       Eine der Waffen war laut BKA-Analyse die Česká mit der der NSU neun
       Migranten erschossen haben soll. Carsten S., der im Prozess als
       mutmaßlicher Helfer des Trios vor Gericht steht, hatte bereits zugegeben,
       diese Waffe an das Trio übergeben zu haben. Der Waffentyp der zweiten
       Waffe, von der ebenfalls Projektile am Tatort gefunden worden waren, ließ
       sich indes nicht feststellen.
       
       Auch welcher Schuss den Familienvater zuerst traf, lasse sich nicht mehr
       genau rekonstruieren, sagte der Sachverständige vor Gericht. Wohl aber,
       dass alle Schüsse kurz hintereinander aus einer Entfernung von 60 bis 80
       Zentimetern abgegeben wurden. Es muss eine gezielte Hinrichtung gewesen
       sein.
       
       Nach den Schüssen sollen Mundlos und Böhnhardt laut der Ermittlungen ganz
       ruhig und ohne Angst vor Entdeckung Bilder von Simşek gemacht haben.
       Anschließend sollen sie die Fahrzeugtür zugeschoben und ihre Waffen
       eingepackt haben. Schon bei dem mutmaßlich ersten Mord sollen sie ihre
       Methode des Tötens gefunden haben. Bei all ihren Opfern sollen sie ohne
       Vorwarnung sofort aus geringer Distanz geschossen haben. Bilder ihrer Opfer
       nutzten sie später in ihrer Bekenner-DVD. Auch bei dem mutmaßlichen Mord an
       der Polizeibeamtin und der versuchten Tötung ihres Kollegen sollen sie
       zuerst auf den Kopf geschossen haben. Nur die Česká nutzen sie nicht.
       
       In Kooperation mit [1][Radio Lora München].
       
       23 Jul 2013
       
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