# taz.de -- Reaktion auf Späh-Affäre: Grundgesetz weiter als die Grünen
> Die Grünen-Spitze hat nach der Späh-Affäre einen Vorschlag: Sie will
> Mails und SMS wie klassische Briefe schützen. Doch das ist längst
> gültiges Recht.
IMG Bild: Auf dem Transportweg beim Provider oder bei der Post gilt das Telekommunikationsgeheimnis wie das Briefgeheimnis
FREIBURG taz | Die Grünen rennen offene Türen ein. Sie fordern angesichts
der NSA-Spähaffäre, dass E-Mails und SMS in gleichem Maße geschützt sein
sollen wie klassische Briefe. Doch das ist längst der Fall.
In einem Beitrag für die Frankfurter Rundschau schrieben die
Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt: „Wir wollen das
Datenschutzrecht modernisieren und dafür den Artikel 10 Grundgesetz – das
Postgeheimnis – ausbauen zu einem Kommunikations- und
Mediennutzungsgeheimnis auch für die digitale Welt. Denn was für Briefe
gilt, muss für jede E-Mail und SMS auch gelten.“
Was die Spitzengrünen in der Hektik des Wahlkampfs wohl übersehen haben:
Das Grundgesetz gilt schon immer auch in der digitalen Welt. Artikel 10
enthält schließlich neben dem Post- und Briefgeheimnis auch das
Fernmeldegeheimnis. Das Bundesverfassungsgericht spricht mit Blick auf die
neuen Technologien bereits seit 2006 von der „Telekommunikationsfreiheit“.
Deshalb sind E-Mails und SMS auch nicht ungeschützt, wie die Spitzen-Grünen
offenbar annehmen. Karlsruhe hat den Schutz von Artikel 10 vielmehr auf
E-Mails und SMS ausgedehnt. Geschützt sind dabei nicht nur die Inhalte,
sondern auch die Verkehrsdaten.
## Grundrechte bieten keinen absoluten Schutz
Zwar gilt das Telekommunikationsgeheimnis wie das Briefgeheimnis nur
„unterwegs“, also auf dem Transportweg beim Provider oder bei der Post.
Nach Ankunft der Mail oder SMS gilt aber ein anderes Grundrecht: das „Recht
auf informationelle Selbstbestimmung“. Dieses allgemeine
Datenschutzgrundrecht erfasst auch die Mails und SMS, die im Rechner oder
Handy des Empfängers lagern.
Grundrechte bieten allerdings keinen absoluten Schutz gegen staatliche
Eingriffe. Der Staat kann vielmehr aufgrund von Gesetzen, die
verhältnismäßig sein müssen, in Grundrechte eingreifen. Was verhältnismäßig
ist, bestimmt im Streitfall das Bundesverfassungsgericht, das oft
Korrekturen fordert, etwa 2010 in seinem Urteil zur
Vorratsdatenspeicherung. Vermutlich wollen auch die Grünen der Polizei
nicht jeden Zugriff auf E-Mails und SMS verbieten.
Diskutiert wird immer wieder, ob das vom Bundesverfassungsgericht 1983
erfundene Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch ausdrücklich ins
Grundgesetz geschrieben wird. Dies würde zwar an der Wirksamkeit nichts
ändern, aber die Transparenz erhöhen.
Karlsruhe aber erfindet lieber neue Grundrechte, so etwa im Jahr 2008 das
strengere „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität
informationstechnischer Systeme“. Es schützt private Computer-Festplatten
vor heimlicher Ausspähung.
22 Jul 2013
## AUTOREN
DIR Christian Rath
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