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       # taz.de -- Kommentar NSA: Wir brauchen mehr Snowdens!
       
       > Die Bundesregierung begeht Verantwortungsflucht. Die Gesellschaft
       > verharrt derweil in Duldungsstarre und übt sich in wissender Ironie.
       
   IMG Bild: Schafft zwei-drei-viele Whistleblower.
       
       Gespräche über die Abhöraffäre im liberal-aufgeklärten Freundeskreis
       verlaufen in diesen Tagen oft ähnlich. Und oft deprimierend. Ja, schon
       schlimm, diese Spitzelsache, aber irgendwie hat man doch immer vermutet,
       dass die Geheimdienste mitlesen. Ein bisschen naiv, sich über Überwachung
       im Jahr 2013 noch aufzuregen.
       
       Kurzum: Die digital Versierten nehmen die Lauschangriffe der National
       Security Agency achselzuckend zur Kenntnis. Undenkbar, deshalb auf
       Facebook, Twitter und Co zu verzichten. Es reicht doch, einen ironischen
       Kommentar zu posten. Was für netzaffine Menschen gilt, dürfte für alle
       anderen erst recht gelten. Und so verharrt eine ganze Gesellschaft in
       Duldungsstarre; die einen resigniert, die anderen überfordert. Diese
       Lethargie steht in krassem Widerspruch zum Ausmaß der Affäre.
       
       Die Abhöraktionen der National Security Agency sind keine Lappalie. Sondern
       ein gezielter Angriff auf unsere demokratische Grundordnung. Der
       Rechtsstaat, also wir alle dürfen es nicht hinnehmen, dass der
       Überwachungswahn unkontrollierter Dienste das Grundgesetz schleift. Denn
       darum geht es: um das Grundrecht, weiter geschützt zu kommunizieren.
       
       Was haben wir uns über die Machenschaften des Herrn Wulff aufgeregt. Und
       jetzt? Jetzt regt sich nichts. Natürlich sind Rufe nach Engagement, nach
       der Empörung des Einzelnen immer auch wohlfeil. Die individualisierte
       Gesellschaft schiebt dem überforderten Individuum ohnehin die Verantwortung
       für viel zu viel zu. Womit wir beim springenden Punkt wären: Verantwortung.
       Wer übernimmt die Verantwortung für den Schutz unserer Grundrechte?
       
       ## Medien und Whistleblower müssen es richten
       
       Beginnen wir ganz oben. Die Bundesregierung, die Exekutive, tut es nicht.
       Angela Merkel hat zwar öffentlich scharf reagiert („Der kalte Krieg ist
       vorbei“), auf Konsequenzen aus dieser Drohung wartet man jedoch vergeblich.
       Stattdessen gibt sie zu Protokoll, sie habe von den Abhöraktionen nur aus
       der Presse erfahren. Es ist gut, zu wissen, dass man im Kanzleramt Zeitung
       liest. Doch hätte man sich von der Stelle, die für die Koordination der
       deutschen Geheimdienste zuständig ist, etwas mehr Expertise erhofft.
       
       Merkels Innenminister lässt sich von den Amerikanern abspeisen, fabuliert
       von einem [1][„Supergrundrecht Sicherheit“] und erweckt auch sonst nicht
       den Eindruck, eine Hilfe zu sein. Außer für Merkel selbst, weil sich hier
       ein Bauernopfer selbst für den Abschuss vorbereitet.
       
       Die Bundesregierung begeht also kollektiv Verantwortungsflucht, Merkel
       vorneweg. Und sie tarnt ihre Ohnmacht gegenüber den eiskalten Interessen
       ausländischer Geheimdienste mit Floskeln. Die schläfrige Grundstimmung der
       BürgerInnen, die in der Sommersonne dösen, hilft ihr dabei. Das Parlament,
       die Legislative, steht diesem Skandal hilflos gegenüber. Die Opposition
       kritisiert jeden Tag, dass ihr die Regierung keine Informationen liefert.
       Jeden Tag ohne Ergebnis.
       
       Die Abhöraffäre zeigt endgültig: Ein mit wenigen Rechten ausgestatteter
       Ausschuss des Parlaments kann das Paralleluniversum der Geheimdienste nicht
       kontrollieren. Offen räumen die Abgeordneten des Kontrollgremiums
       inzwischen ihre Hilflosigkeit ein. Wir erleben also gerade nicht nur einen
       beispiellosen Übergriff, sondern auch ein grundsätzliches Versagen der
       staatlichen Institutionen, die ihn abwehren müssten.
       
       Es gibt nur eine Instanz, auf die es im Moment ankommt: den investigativen
       Journalismus. Alle warten auf neue Enthüllungen, die Regierung besorgt, die
       Opposition hoffend. Soll doch der Guardian die Aufklärung übernehmen,
       sollen die Edward Snowdens dieser Welt ihr Leben riskieren. Das ist eine
       der vielen Ironien dieser Affäre. Medien und Whistleblower deckten sie auf,
       von ihnen hängt jetzt alles ab. Es braucht zwei, drei, viele Snowdens mit
       Zivilcourage, auch im Bundesnachrichtendienst. Ohne sie werden wir nie
       erfahren, wie öffentlich wir wirklich mailen.
       
       19 Jul 2013
       
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