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       # taz.de -- Bushido macht „Stress ohne Grund“: Die Geburt des Boulevardrap
       
       > Die Mainstreamluft ist dünn. Bushido reagiert und feuert sinnbefreite
       > Schnellschüsse auf beliebige Leute. Zu wem spricht er nur?
       
   IMG Bild: Würde so gern dazugehören: Bushido bei der Bambi-Verleihung.
       
       „Ich bin ganz fest der Meinung, dass Menschen, die sich mit Rap
       auseinandersetzen und Rap mögen, wissen, wie man damit umzugehen hat und da
       bestimmt keinen Unsinn mit machen.“ So lautete Anis Ferchichis Antwort vor
       einigen Tagen im Interview mit dem Nachrichtensender N24 auf die Frage, ob
       seine Hörer, die ihn als Bushido kennen, den aktuellen Song „Stress ohne
       Grund“ nicht als Aufruf zur Gewalt verstehen könnten. Und so plump diese
       Rechtfertigung für den empörten Bürger auch klingen mag: Sie ist absolut
       plausibel.
       
       Das mit Rap, insbesondere mit Gangsta-Rap sozialisierte Publikum kriegt
       wegen Bushido sicherlich keine Mordgelüste gegen Claudia Roth, Klaus
       Wowereit oder Serkan Tören. Dieses Musikgenre, in dem metaphorisch
       andauernd irgendwer erschossen oder gefickt wird, zeichnet sich doch gerade
       durch seinen vehementen Widerstand gegen Political Correctness aus. Seit
       jeher setzt es eine differenzierte Lesart voraus, zu der die Kenntnis einer
       szene-internen Sprache, bestimmten Stilmitteln und authentisch inszenierter
       Figuren und Lebenswelten gehört.
       
       Insofern zuckt der Gangsta-Rap-Afficionado bei „Stress ohne Grund“, diesem
       vermeintlich so skandalösen Song, eigentlich nur mit den Schultern. Mehr
       als drei Minuten lang hört man einem gelangweilten, schlecht gereimten und
       auf Originalität komplett verzichtenden Schrei nach Aufmerksamkeit zu.
       Bushido disst damit Leute, die der HipHop-Szene komplett egal sind.
       
       Er findet nicht einmal amüsante Vergleiche, sondern reiht nur Statements
       aneinander: „Ich will, dass Serkan Tören jetzt ins Gras beißt, yeah yeah.“
       Zwei Schüsse ertönen. Warum? Ist das Gangsta-Rap für Dummies? Und
       überhaupt: Zu wem spricht Bushido hier überhaupt? Sinnbefreite
       Schnellschüsse gegen irgendwelche Prominente und Personen der
       Öffentlichkeit zugunsten von PR. Es scheint, als seien wir Zeugen der
       Geburtsstunde des Boulevardraps.
       
       ## Ins Gras beißen, yeah!
       
       Mal ganz davon abgesehen, dass sich „Blondes Opfer“ weder im Ghetto noch in
       Kleinmachnow auf „Olli Pocher“ reimt, ist Bushidos Auswahl der Kontrahenten
       äußerst fragwürdig. Die Überhöhung des Subjekts durch Abwertung des Anderen
       ist eines der gängigsten Stilmittel des Gangsta-Rap. Doch „der Andere“, das
       ist entweder ein konkurrierender Sprecher – in diesem Fall der Rapper Kay
       One, der in „Stress ohne Grund“ für vogelfrei erklärt wird (was übrigens
       noch am meisten als ernstzunehmende Drohung erscheint).
       
       Oder das Establishment, der Kern der Mehrheitsgesellschaft, zu dem der
       sozial benachteiligte Gangsta-Rapper nie gehören wird. Eben deshalb richtet
       er sich gegen ihn. An dieser Stelle verdient Bushido sogar ein bisschen
       Mitleid. Zwar hat der 34-Jährige einst gemeinsam mit dem Label Aggro Berlin
       für den kommerziellen Durchbruch von deutschsprachigem Gangsta-Rap gesorgt
       und mit den jüngsten Schlagzeilen um seine Verbindungen zum
       arabisch-libanesischen Abou-Chaker-Clan sein Image dahingehend wieder
       aufpoliert.
       
       Doch war es nicht auch Bushido, der sich stolz mit der Auszeichnung vom
       Burda-Verlag schmückte, für seine gelungene Integration in die deutsche
       Gesellschaft? Hat er nicht letztes Jahr als Praktikant im Bundestag mit
       Innenminister Friedrich (CSU) Arm in Arm auf Fotos posiert? Hat er nicht
       ernsthaft verkündet, er wolle Bürgermeister von Berlin werden? Bemüht sich
       nicht Bushido regelmäßig in Talkshowrunden darum, schlaue Sätze zu sagen?
       
       Eigentlich will Bushido ja unbedingt dazugehören. Weil das aber wesentlich
       anstregender ist, als Low-Budget-Videos mit verwackelter Kamera und zwei
       Mietwagen auf Youtube hochzuladen und womöglich auch nicht so viel Geld
       abwirft – „Stress ohne Grund“ schoss dank des Skandals auf Platz 6 der
       iTunes-Charts –, geht er also zurück zu den Wurzeln. Oder versucht es. Und
       richtet sich ausgerechnet gegen jene Teile des Politikbetriebs, die selbst
       marginalisierte Gruppen repräsentieren: ein Migrant, eine Frau und ein
       Homosexueller. Der Sprung zum Nazirock ist von hier aus wirklich nicht mehr
       weit.
       
       18 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
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