URI: 
       # taz.de -- Komplikationen bei Masern: Sprunghafter Anstieg
       
       > Eine von 1.000 Infektionen mit dem Masern-Virus endet tödlich. Obwohl die
       > Impfrate ansteigt, gibt es überraschend viele Masern-Fälle dieses Jahr.
       
   IMG Bild: Zweimal muss gepiekst werden, um gegen Masern immun zu sein.
       
       BERLIN taz | Im nordrhein-westfälischen Erftstadt musste letzte Woche eine
       Waldorfschule vorübergehend schließen. Nicht etwa weil die Ferien
       angefangen hätten. Sondern weil die Masern ausgebrochen waren. Denn: Nur
       ein Viertel der Schüler war gegen das hoch ansteckende Virus geimpft.
       
       Kinderkrankheiten – das klingt irgendwie harmlos. Leider werden solche
       Erkrankungen oft unterschätzt. Denn die möglichen „Langzeitkomplikationen“,
       wie es im Fachjargon heißt, sind ganz und gar nicht harmlos. Besonders das
       Masernvirus ist gefürchtet: Es kann die sogenannte SSPE (subakute
       sklerosierende Panenzephalitis) verursachen, eine Entzündung des Gehirns,
       die nicht heilbar ist.
       
       Im Durchschnitt endet eine von 1.000 Masernerkrankungen tödlich. Die Masern
       müssen also ernst genommen werden. Umso erschreckender erscheinen deshalb
       die Zahlen, die das [1][Robert-Koch-Institut (RKI)] im Juli
       veröffentlichte: Im ersten Halbjahr 2013 hatten sich 1.043 Personen mit dem
       Masernvirus angesteckt – im gesamten Jahr 2012 waren es nur 165.
       
       Besonders betroffen sind in diesem Jahr Bayern und Berlin. Die Ärztekammer
       Berlin zeigt sich besorgt und beklagt „stagnierende Impfraten“.
       
       Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hält es für verantwortungslos, wenn
       Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen. Bahr, der liberale Minister,
       sinnierte sogar über eine Impfpflicht, da „bei uns die Impfrate nicht hoch
       genug“ sei.
       
       ## Nichts Außergewöhnliches
       
       Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Denn die hohe Zahl der Masernfälle
       in diesem Jahr sei nichts Außergewöhnliches, so das RKI. „Solche
       Schwankungen gibt es immer mal wieder“, heißt es aus dem Institut. 2006 zum
       Beispiel, im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft, gab es deutschlandweit
       2.308 Masernfälle.
       
       Vor allem aber: Die Impfraten bei Masern stagnieren nicht, sondern – im
       Gegenteil – sie steigen.
       
       Die [2][Ständige Impfkommission (Stiko)] empfiehlt bei Masern eine
       zweifache Impfung: die erste am Ende des ersten Lebensjahres, die zweite im
       Alter von 15 bis 23 Monaten.
       
       Im Jahr 2004 lag die Impfrate unter Schulanfängern für die erste Impfung
       bei 92,6 Prozent. Die zweite Impfdosis hatten gerade mal 65,2 Prozent der
       Kinder erhalten. Sieben Jahre später, im Jahr 2011, lag die Rate für die
       erste Dosis bei 96,3 Prozent.
       
       ## Zunehmende Impfrate
       
       Beachtlich ist aber der Anstieg der Rate für die zweite Impfdosis: Sie war
       von 65,2 Prozent auf 92,1 Prozent gestiegen. Das Problem sind heute
       deswegen weniger die Impfraten unter Kindern, sondern vor allem unter
       Jugendlichen und jungen Erwachsenen – zu oft sind sie gar nicht geimpft
       oder haben sich nur ein Mal impfen lassen. Denn die aktuellen Empfehlungen
       der Kommission gelten erst seit 2001. Hier besteht eine erhebliche
       Impflücke.
       
       Anlass zur Panikmache besteht insgesamt nicht. So hat auch das
       Gesundheitsministerium auf Nachfrage eingeräumt, dass eine Impfpflicht
       „nicht geplant“ sei. Hinter Bahrs Aussage steckte wohl eher politischer
       Aktionismus denn ernsthafter Plan.
       
       Dennoch: Im Vergleich zu anderen Ländern wie etwa den USA sind die
       Masernimpfraten hierzulande noch immer niedrig. Es gilt: Jeder Masernfall
       ist einer zu viel.
       
       11 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.rki.de/DE/Home/homepage_node.html
   DIR [2] http://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/stiko_node.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gilda Sahebi
       
       ## TAGS
       
   DIR Masern
   DIR Infektion
   DIR Kinder
   DIR Streitfrage
   DIR Streitfrage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Bahr will Masern-Impfpflicht vermeiden: Der Kampf gegen die roten Flecken
       
       Der Bundesgesundheitsminister will eine Masern-Impfpflicht vermeiden.
       Künftig soll der Impfstatus von Kindern schon bei der Kita-Aufnahme
       abgefragt werden.
       
   DIR Der Sonntaz-Streit: „Masernpartys sind Körperverletzung“
       
       In Gemeinschaftseinrichtungen sollte es eine Impfpflicht geben, meint
       Eckart von Hirschhausen. taz-Leserin Sandra Köhrich wünscht sich
       Kinderärzte mit mehr Zeit.
       
   DIR Der Sonntaz-Streit: Impfzwang für alle?
       
       Schon lange sind nicht mehr so viele Deutsche an Masern erkrankt wie in
       diesem Jahr. Politiker erwägen deshalb eine Impfpflicht. Brauchen wir die?
       
   DIR Gesundheit: Masern sind kein Kinderspiel
       
       Schon jetzt gibt es deutlich mehr Erkrankte als 2012. Nicht nur Kinder,
       sondern auch viele Erwachsene sind betroffen. Der Senat empfiehlt, den
       Impfschutz zu prüfen.
       
   DIR 10 schlaue Sätze über Masern: "Daran ist früher keiner gestorben"
       
       Das Robert-Koch-Institut vermeldet vermehrt Fälle von Masern, Ärzte raten
       dringend zur Impfung. Wir erklären, wie gefährlich der dunkelrote Ausschlag
       wirklich ist.
       
   DIR Kampf gegen Krankheiten in Sierra Leone: Impfung für alle
       
       Jedes Kind in Sierra Leone soll geimpft werden. Deswegen reisen mobile
       Impfteams durchs ganze Land. Die Kampagne verläuft nicht ganz reibungslos,
       aber es gibt erste Erfolge.