URI: 
       # taz.de -- Neues Album von Jay-Z: Konfetti im Pelz
       
       > Wer nach Street Credibility sucht, sollte sich lieber das Debütalbum
       > vorknöpfen. Wer aber „Dopeness“ sucht, wird in „Magna Carta Holy Grail“
       > von Jay-Z fündig.
       
   IMG Bild: Der Atem riecht nach Champagner: Rapper Jay-Z
       
       Rapper erzählen einem andauernd wie dope sie sind. Muss das langweilig
       werden? Nicht unbedingt. Im Sonett geht es schließlich auch immer um
       dasselbe. Die feste Form (zwei Quartette, zwei Terzette) und der Inhalt
       (Liebe) befördern den Fokus auf die Neuerfindung von Sprache, die ja das
       Hauptanliegen von Poesie sein soll.
       
       Diesen einleuchtenden Vergleich zieht der US-Rapper Jay-Z in seinen 2010
       erschienenen Memoiren zur kunstvollen Wichtigtuerei im Rap, in Form eines
       reimenden 16-Zeilers. Der Ideenreichtum, der sich in der Aufbereitung des
       uralten Hip-Hop-Motivs („ich bin dope, doper als du“) äußert, funktioniert
       dann gegebenenfalls als Beweis für ebendiese These.
       
       Auch auf dem zwölften Studioalbum „Magna Carta Holy Grail“ von Shawn Carter
       alias Hova vulgo Jay-Z sind noch längst nicht alle Reime und Bilder
       ausgeschöpft, um die eigene Dopeness zu beweisen, die sich inzwischen vor
       allem im kommerziellen Erfolg manifestiert. Da hängt Konfetti im Pelz, der
       Atem riecht nach Champagner.
       
       Klar, wer nach Street Credibility sucht, sollte sich lieber das Debütalbum
       „Reasonable Doubt“ von 1996 vorknöpfen. 2013 wohnt Jay-Z nämlich nicht mehr
       in den Marcy Projects von Brooklyn, sondern im Trump World Tower mit Blick
       auf den Central Park in Uptown-Manhattan. Und dort oben wird nicht mit
       Crack gedealt, sondern mit Gemälden von Picasso.
       
       ## Geölter Flow
       
       Nach einem eher vorhersehbaren Auftakt inklusive theatralischer Hookline
       von Justin Timberlake („Holy Grail“) widmet sich Jay-Z dem spanischen
       Kubisten und anderen Künstlern, um mit deren Namen und Werken in sprühenden
       Wortspielen und rhythmischer Genialität herumzujonglieren. Das Instrumental
       von „Picasso Baby“ stammt von Produzent Timbaland und ist ein Jay-Z-Beat
       von klassischer Schönheit: spröder Sound, tiefes Funksample und
       zerstückelte Orgelharmonien.
       
       Ebenso amüsant, aber klanglich progressiver kommt der Partysong „Tom Ford“
       daher. Ja, schon wieder ein Name. Diesmal handelt es sich um den ehemaligen
       Gucci-Creative-Director und Modedesigner, der eigentlich fürs Entwerfen von
       schicken Herrenanzügen bekannt ist, doch bei Jay-Z zum reinen Gemütszustand
       mutiert.
       
       Maybach, Bugatti, Versace – auf fast jedem Song von „Magna Carta Holy
       Grail“ stolpert man über bekannte Markennamen. Nichts Neues unter Sonne,
       das Aufzählen und Prahlen ist man von den 11 vorhergegangenen Jay-Z-Alben
       schon gewohnt. Das aufdringliche Namedropping lässt sich einfach als
       Markenfetischismus eines Neureichen lesen. Oder aber man versteht es als
       warenästhetische Koordinatensetzung einer glamourösen Bildwelt, die ebenso
       von Mafiafilmen wie von der hyperkapitalistischen Lebensrealität geprägt
       ist.
       
       Der Aufstieg eines Ghettokids zum Selfmade-Millionär ist eines der
       prägenden Narrative des 20. Jahrhunderts und definiert auch Jay-Zs
       Künstlerpersona so sehr wie nichts anderes. Dass der Blick auf den
       dekadenten Lebensstil immer auch mit einem Schulterblick auf die Herkunft
       des 43-Jährigen verschränkt ist, verleiht ihm etwas Episches, besonders
       weil die Form so einwandfrei ist.
       
       Der geölte Flow von Jay-Z gelingt auch dank hervorragender
       Produktionsarbeit von Timbaland, Swizz Beatz und Pharrell Williams. All das
       zusammengenommen macht „Magna Carta Holy Grail“ zu einem fürstlichen
       HipHop-Album, wenn auch nicht zum künstlerischen Höhepunkt des Überrappers.
       
       Einen geistreichen Moment zum Innehalten – mit gedämpften Fanfaren in
       Aufbruchsstimmung – liefert „Oceans“ mit R&B-Sänger Frank Ocean. Auf einer
       Luxusyacht kreisen Gedanken um das Gewässer, in dem einst reihenweise
       versklavte Afrikaner ertranken, wenn sie von den überfüllten
       Sklavenschiffen stürzten und im Meer starben. „I hope my black skin don’t
       dirt this white tuxedo before the Basquiat show“ singt Ocean und träufelt
       Champagner ins Wasser.
       
       Berauschtes Sinnieren im Smoking über den genialen Künstler Jean-Michel
       Basquiat – der erste Afroamerikaner, der den Durchbruch auf dem Kunstmarkt
       schaffte. Das nenne ich echt dope.
       
       12 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fatma Aydemir
       
       ## TAGS
       
   DIR Neues Album
   DIR Album
   DIR Rapper
   DIR Beyoncé
   DIR Großbritannien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Beyoncé in Berlin: Inszeniert zur Allmächtigen
       
       Sie ist es. Die größte Popdiva unserer Tage. Das stellt Beyoncé beim ersten
       ihrer zwei Berlin-Konzerte eindrucksvoll unter Beweis.
       
   DIR Triumphale Rückkehr von James Blake: Fragmente einer Sprache der Liebe
       
       Am Freitag erscheint „Overgrown“, das neue Album des britischen Musikers
       James Blake. Unser Autor hat ihn in Berlin getroffen.
       
   DIR Gerüchte um Rapper Lil Wayne: Mal im Koma, mal am Twittern
       
       Nach Krämpfen in die Klinik: Im Netz wird heftig über den Mega-Rapper
       spekuliert. Lil Waynes Zustand sei kritisch, hieß es zwischendurch. Und
       Tone-Loc geht's auch nicht gut.