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       # taz.de -- Interview zu Flüchtlingsheim Hellersdorf: „Es gibt keine Pogromstimmung“
       
       > Der Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Stefan Komoß (SPD),
       > will keine Fehler erkennen und zeigt Verständnis für die aufgebrachten
       > Bürger.
       
   IMG Bild: Solch eine Szene blieb Berlin-Kreuzberg am Samstag erspart
       
       taz: Herr Komoß, wieso lief die Veranstaltung am Dienstag so aus dem Ruder? 
       
       Stefan Komoß: Aus der geplanten Informationsveranstaltung für die Anwohner
       wurde eine Veranstaltung, bei der sich verschiedene politische
       Gruppierungen geäußert haben – sowohl aus dem Kreise rechtsextremer
       Organisationen als auch der Antifa-Bewegung. Die einen riefen „Nein zum
       Heim“, die anderen „Nazis raus“. Das hat eine sachliche Diskussion sehr
       erschwert.
       
       Die Nazis hatten ihr Kommen angekündigt. Wieso konnten sie das Wort an sich
       reißen? 
       
       Wir haben vor anderthalb Wochen zur Veranstaltung eingeladen. Erst danach
       gab es Anzeichen dafür, dass von rechts mobilisiert wird. Die Polizei hat
       uns davon abgeraten, Eingangskontrollen zu machen. Es war auch nicht
       erkennbar, dass so massiv und aus allen Teilen des Landes NPD-Vertreter da
       sein werden.
       
       Es gibt genügend Experten, die hätten helfen können – etwa die Mobile
       Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR). 
       
       Wir hatten im Vorfeld durchaus gute Unterstützung, auch eine Handreichung
       der MBR. Die Rechtsextremen haben aber offenbar eine neue Strategie
       gefahren und Frauen ans Mikrofon geschickt. Die waren nicht wirklich als
       Rechte zu erkennen, bevor sie sich geäußert haben.
       
       Dass es weibliche Nazis gibt, ist nicht neu. Zudem waren es bekannte Nazis
       wie die Landesvorsitzende der NPD-Gruppe „Ring Nationaler Frauen“. 
       
       Auf dem Podium saßen Vertreter des Bezirksamts, des Landesamts für
       Gesundheit und Soziales und der Polizei. Niemand unter ihnen kannte diese
       weiblichen Neonazis. Das kann man von Teilnehmern einer solchen
       Veranstaltung auch nicht erwarten.
       
       Auch Anwohner haben Stimmung gemacht. 
       
       Die Nachbarn des Asylbewerberheims haben große Sorgen und viele Fragen zu
       Sicherheit oder zur Schulversorgung. Diese sind legitim. Deshalb werden wir
       im August eine Versammlung nur für die direkten Anwohner machen. Davon
       versprechen wir uns eine sachliche Atmosphäre.
       
       Rassismus und Ausländerfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft – kein
       Problem in Hellersdorf? 
       
       Ich sehe keine grundrechtsablehnende Haltung bei den Anwohnern. Der Bezirk
       hatte in den letzten Jahren große Erfolge bei der Bekämpfung rechtsextremer
       Phänomene.
       
       Andere fühlten sich an die Stimmung in Rostock-Lichtenhagen erinnert. 
       
       Ich habe die Sorge, dass genau dieses Bild durch die Berichterstattung
       transportiert wird. Aber ich glaube nicht, dass es in Marzahn-Hellersdorf
       eine Pogromstimmung gibt.
       
       Ist es jetzt überhaupt noch zu verantworten, die Flüchtlinge in dem
       geplanten Heim unterzubringen? 
       
       Diese Entscheidung ist bereits gefallen. Für mich als Bezirksvertreter ist
       es wichtig, mit den Anwohnern ins Gespräch zu kommen. Es wird
       Ansprechpartner im Sozialamt, bei der Polizei und im Heim geben. Wenn die
       Anwohner in ein paar Wochen merken, dass es eigentlich gar keine
       Veränderung in ihrem Wohnumfeld gibt, wird man mit ihnen auch gut
       zusammenarbeiten können.
       
       10 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Erb
       
       ## TAGS
       
   DIR NPD
   DIR Schwerpunkt Rassismus
   DIR Hellersdorf
       
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