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       # taz.de -- Devendra Banhart im Konzert: Ein kleines Seepferdchen sein
       
       > Der Mann, der weiß, wie man die Zeit außer Kraft setzt: Devendra Banhart
       > begeistert beim Konzert mit seiner Band im Berliner Ballsaal „Huxleys
       > neue Welt“.
       
   IMG Bild: Ist ein echter Crooner geworden: Devendra Banhart.
       
       Selten so viele freie Frauenschultern gesehen. So viele geblümte
       Sommerkleider und so viele Variationen von Riemchensandalen.
       Stilbewusstsein, kein Fashion-Overkill. Ferner erstaunlich: Es gibt immer
       noch Che-Guevara-Lookalikes mit Baskenmütze und Bärtchen. Und es gibt einen
       Drang, sich im Schneidersitz niederzulassen, sitzen zu bleiben, auch wenn
       es spannend wird.
       
       Schon fast aufdringlich friedfertig ist die Atmosphäre. Erwartungsfrohes
       Gemurmel, volles Haus: Seit Wochen ist die alte Varietébühne Huxleys Neue
       Welt in Berlin-Neukölln ausverkauft. Wegen Devendra Banhart, dem
       amerikanischen Singer-Songwriter, dessen neue Songs sich schon jetzt im
       Langzeitgedächtnis eingenistet zu haben scheinen.
       
       Der Star des Abends schickt erst mal einen Gitarristen seiner vierköpfigen
       Band vor: Rodrigo Amarante, früher bei den brasilianischen Indie-Darlings
       Los Hermanos, bestreitet das Vorprogramm. Es ist eher ein Runterkochen als
       ein Anheizen. Super. Allein mit der Gitarre widmet er sich der Samba,
       vollführt ihre Melancholie mit präzisen Akkordfolgen und sonorem Gesang,
       der durch das melodische brasilianische Portugiesisch noch sonorer klingt.
       Seine Routine lässt die Schwermut ganz leicht erscheinen.
       
       „This song is about time“ lässt er uns wissen, bittet Banharts Band auf die
       Bühne, und sogleich wird die Zeit außer Kraft gesetzt. Wird der Melancholie
       mit Gesangsharmonien, Bass und Drums ein Schnippchen geschlagen. Schade
       nur, dass das Publikum mit seiner Aufmerksamkeit für Amarante geizt.
       
       „Guten Abend, guten Abend“. Auf Deutsch und ohne viel Federlesens eröffnet
       Devendra Banhart mit „Golden Girls“, es ist zugleich der Auftaktsong seines
       neuen Albums „Mala“. Beeindruckend sicher im Groove – die Band hat sich
       schon mit Amarante warmgespielt. Ein Livearrangement, es passt wie
       angegossen zu Banharts Stimme.
       
       ## Geburt eines Crooners
       
       Sie steht im Zentrum, aber er hat inzwischen gelernt, mit ihr zu croonen,
       und so verschwindet sein Gesang unter einem fernen Rockabilly-Echo. Er ist
       der Sänger, aber es geht bei Banhart immer auch um die Anmutung seiner
       Songs. Die Menge wogt im Jubel hin und her. Der Jubel wird lauter, als „Für
       Hildegard von Bingen“ angestimmt wird. Banharts medienbewusste
       Mittelalterfantasie. Seine Hildegard ist der Abtei entflohen, um im
       Tenderloin-Distrikt von San Francisco beim Musikfernsehen als Videojockey
       zu arbeiten.
       
       ## Pop als Inszenierung
       
       Pop als Inszenierung ist etwas, das Banhart dauerhaft beschäftigt. Sein
       Körper wirkt wie auf Heavy Rotation: Gestenreich verlässt er seinen Platz
       hinterm Mikrofon und flattert auf der Bühne hin und her wie ein
       aufgeschrecktes Huhn.
       
       „Wissen Sie, wo die Tattoo Convention stattfindet?“ Will das Devendra
       Banhart wirklich wissen? Oder lässt er sich gleich ein kleines Seepferdchen
       stechen? Man weiß das bei ihm nie so genau. „I want to be a little
       Seahorse“, singt er in seinem Hit „Seahorse“. Szenenapplaus.
       
       Die Band wird nun lauter, dämmt Banharts Klamauk mit einem gravitätischen
       Outro aus drei Gitarren ein. Banhart indes lässt nicht locker, wie ein
       kleines Kind, das seine umständlich erbauten Sandburgen wieder zertrampelt.
       
       ## Charmantes Genderscharmützel
       
       Dann bewahrt er doch Haltung: Bei „Your fine petting Duck“, das Banhart auf
       dem Album mit seiner Freundin Ana Kras im Duett singt, übernimmt er ihre
       Gesangspassagen gleich mit. „I’ll take you back / Cause I don’t really love
       him“, ein charmantes Genderscharmützel.
       
       Nein, ein Alphatierchen ist Devendra Banhart definitiv nicht. Am
       Konzertende verwandelt er sich in die kleine Spinne aus seinem Song „Little
       Yellow Spider“. „Hey Mr. Morning Sun, what kind of creature are you?“
       
       Banharts unordentliche Mischung aus alten und neuen Songs überzeugt an
       diesem Sommerabend. Das Publikum spendet artig Beifall, bleibt trotz der
       mageren Zugabe – ein Song – seltsam passiv und verlässt den Ort des
       Geschehens, ohne zu murren. Immerhin, die Blümchenkleider sitzen noch.
       
       9 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Julian Weber
       
       ## TAGS
       
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