# taz.de -- Arte-Doku über Nazis im BND: Fragen unerwünscht
> War der Bundesnachrichtendienst ein Treffpunkt für Nazis? „Nazis im BND –
> Neuer Dienst und alte Kameraden“ geht dieser Frage nach.
IMG Bild: Bis heute ist unklar, wie sehr Nazis den Bundesnachrichtendienst prägten
Der Ex-Waffen-SS-Mann Wilhelm Beisner ist der breiten Öffentlichkeit kaum
bekannt. In dem Themengebiet, in dem Christine Rütten recherchiert, ist der
Mann, der unter anderem fürs Reichssicherheitshauptamt, die größte
NS-Behörde, tätig war, allerdings eine Schlüsselfigur. Schließlich
rekrutierte der später als Waffenhändler umtriebige Beisner ab 1957 für den
Bundesnachrichtendienst (BND) zahlreiche NS-Verbrecher als Mitarbeiter des
Geheimdienstes, darunter Walter Rauff, den Erfinder der mobilen
Vergasungswagen.
Rütten, Redakteurin beim Hessischen Rundfunks, hat für die Dokumentation
„Nazis im BND – Neuer Dienst und alte Kameraden“, eine Koproduktion mit
Arte, die zweiten Karrieren diverser brauner Verbrecher nachgezeichnet.
Weil bei den Recherchen die Personalakte zu Beisner hilfreich gewesen wäre,
hat sie sie beim BND angefordert. Bekommen hat sie die Dokumente nicht.
Generell seien ihre Anfragen „schleppend bearbeitet“ worden, kritisiert
Rütten.Das habe sich erst gegen Ende des Projekts gebessert. Anfangs hieß
es in BND-Schreiben, man bitte „von Nachfragen abzusehen“ und sie möge sich
doch „in einem Jahr noch einmal melden“.Dass Journalisten Liefer- oder
Sendetermine haben, ist den Geheimdienstleuten offenbar unbekannt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sei noch weniger auskunftsfreudig
gewesen als der BND, sagt Rütten. Die Hinhaltetaktik von Behörden gegenüber
Journalisten, die über NS-Täter recherchieren, ist nicht untypisch. Auch
ein Redakteur der Bild-Zeitung, der die komplette BND-Akte zu Adolf
Eichmann einsehen möchte, hat sie zu spüren bekommen.
## Massenmörder Alois Brunner
Um den Umgang mit Akten geht es auch in Rüttens Film. 2011 wurde bekannt,
dass der BND in den 90er Jahren fast 600 Seiten über den Massenmörder Alois
Brunner vernichtet hat, der für die Deportation von 128.000 Menschen
verantwortlich war und ab den 50er Jahren als Waffenhändler in Syrien
wirkte. Unzählige Hinweise sprechen für eine Zusammenarbeit zwischen
Brunner und dem Geheimdienst. Der BND sagt dagegen, es gebe keinen Beleg
dafür.
Der Nachrichtendienst dürfte also möglicherweise gute Gründe gehabt haben,
die Brunner-Akte zu vernichten. In Rüttens Film äußert sich zu dem Vorgang
Bodo Hechelhammer, beim BND Leiter der Forschungs- und Arbeitsgruppe
Geschichte. Der Historiker sagt, er bedauere es sehr, dass die Akten nicht
mehr zur Verfügung stünden.
Ach ja? Hechelhammer muss sich zwar diploamtisch äußern. Aber wäre es nicht
angemessen, in höflichem Ton zu fordern, der Dienst dürfe künftig keine
Akten dieser Art mehr vernichten? Sähe der BND davon ab, dürfte das auch
sein Image bei jenen Bürgern aufbessern, die den Nachrichtendienst
eigentlich für nützlich halten. Die zahlen ihre Steuern dafür, dass der BND
Informationen sammelt – nicht dafür, dass er sie vernichtet.
Dass Nazis beim BND reüssieren konnten, mag generell nicht überraschen,
schließlich hatte der erste Chef des Dienstes, Reinhard Gehlen, selbst eine
hohe Funktion im NS-System: Er leitete drei Jahre lang die für
Russlandspionage zuständige Abteilung „Fremde Heere Ost“.
## Barbie als BND-Spion
Im Detail ist die Affinität der Spione zu NS-Tätern aber doch schockierend.
Das gilt etwa für den den sadistischen Massenmörder Klaus Barbie, der sich
während der deutschen Besatzung in Frankreich den Beinamen „Schlächter von
Lyon“ erwarb.
Später lebte er unter dem Namen Klaus Altmann in Bolivien, wo er in
diktatorischen Zeiten sein fragwürdiges Folterspezialistenwissen aus
braunen Tagen zweitverwerten konnte – und 1966 auch für den BND spionierte.
Hätten die Geheimdienstler nicht wissen müssen, dass Altmann und Barbie
identisch waren?
Sie zeigten, wie Rütten rekonstruiert, zumindest kein Interesse daran,
Hinweisen auf die verbrecherische Vergangenheit des Herrn Altmann
nachzugehen – obwohl dieser selbst darauf aufmerksam gemacht hatte.
Insbesondere der Hinweis, er sei aus Angst vor Strafverfolgung aus einem
US-Internierungslager getürmt, hätte dazu führen müssen, dass man die
Person Altmann überprüft, sagt Gerhard Sälter, Mitglied einer vom BND 2011
eingesetzten Historikerkommission.
An einer entsprechenden „Sensibilisierung“ habe es aber offenbar auch Mitte
der 60er Jahre noch gemangelt. „Man hätte nur eins zu eins zusammenzählen
müssen“, sagt der [1][Historiker Peter Hammerschmidt], der 2011 Barbies
Tätigkeit für den BND aufdeckte, gegenüber der taz. Offenbar habe die
„interne Kommunikation im BND“ nicht funktioniert, denn zumindest der
„Tipper“, der BND-Informant vor Ort in Bolivien, hätte wissen müssen, dass
Altmann und Barbie ein und dieselbe Person seien. Barbie arbeitete im
übrigen auch noch für andere Geheimdienste: für den US-Dienst CIC und den
Verfassungsschutz.
Wer glaubt, das Thema Nationalsozialismus sei im Fernsehen „auserzählt“ –
sogar öffentlich-rechtliche Redakteure lehnen mit dem Argument Filmprojekte
ab – wird durch „Nazis im BND“ eines anderen belehrt. Im Oktober läuft noch
eine anders akzentuierte Version dieses Films in der ARD. Für die zweite
Fassung wird Rütten Akten verwenden, die der BND erst herausgerückt hat,
als die Arte-Fassung schon fertig war.
## „Nazis im BND – Neuer Dienst und alte Kameraden“, Dienstag, 22 Uhr, Arte
9 Jul 2013
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DIR René Martens
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