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       # taz.de -- Kommentar Ingeborg-Bachmann-Preis: Das achtunddreißigste Jahr
       
       > Für den ORF sind die Summen Peanuts, die sich in Klagenfurt einparen
       > ließen. Etwas, was einmal weggespart wurde, kommt nicht wieder.
       
   IMG Bild: Las am Donnerstag als einer der ersten beim Ingeborg-Bachmann-Preis: der Schriftsteller Joachim Meyerhoff
       
       Niemand hatte die Absicht, einen Bachmannpreis abzuschaffen. Dabei hätte
       man hellhörig werden müssen, als der ORF im vergangenen Jahr völlig
       überraschend die langjährige Organisatorin Michaela Monschein von ihrem
       Posten abzog. Kurz vor Beginn der 37. Tage der deutschsprachigen Literatur
       hat der Sender das Aus angekündigt – aus Kostengründen.
       
       Es gibt in der Debatte über die Abschaffung des Bachmannbewerbs eine
       emotionale und eine rationale Seite. Beide haben ihre Berechtigung.
       Zunächst die rationale: Wenn etwas Etabliertes in Gefahr gerät, treten
       umgehend Menschen auf, die mit Häme verbreiten, dass das, was zu
       verschwinden droht, dies auch verdient habe. Zuletzt war das anlässlich der
       Insolvenz der Frankfurter Rundschau zu beobachten.
       
       Dazu ist zu bemerken: Wann immer ein Text mit der Überschrift „Schafft XY
       ab“ (egal, ob es um den Bundesrat, die Buchpreisbindung oder um den
       Bachmannpreis handelt), erscheint, steckt entweder Profilierungssucht
       dahinter, das Buhlen nach Aufmerksamkeit oder bloße Provokation. Oder ein
       frustrierter Autor, der in Klagenfurt durchgefallen ist oder noch nie
       eingeladen wurde.
       
       Diese Abschaffungsforderungen und der vielleicht voreilige Triumph über das
       Verschwinden sind ausgesprochen borniert. Wenn man sich darüber
       verständigen kann, dass man gemeinsam an und in etwas arbeitet, was sich
       unter dem kleinsten gemeinsamen Nenner „Kultur“ zusammenfassen lässt, dann
       gilt es festzustellen: Ganz gleich, was man davon hält – besser, wenn es
       noch da ist, als wenn es nicht mehr da ist. Denn was einmal weggespart
       wurde, kommt nicht wieder und kann auch nicht verändert werden.
       
       ## Protest gegen die „Abmurksung“
       
       Das gilt für Literaturredakteursstellen wie für den Bachmannpreis.
       Selbstverständlich kann man darüber streiten, ob Klagenfurt der Literatur
       hilft oder nicht. Wer aber behauptet, es würde ihr schaden, kann nicht ganz
       bei Trost sein. Es dürfte schwerfallen, auch nur einen Autor zu finden,
       dessen Schriftstellerkarriere das Klagenfurter Wettlesen verhindert hat.
       
       Der Schriftsteller Michael Köhlmeier widmete [1][seine Eröffnungsrede] des
       diesjährigen Wettbewerbs dem Schriftsteller Jörg Fauser, der 1984 von der
       Jury „in ihrer hinterhältigsten und erbärmlichsten Gestalt“ abgestraft
       worden sei. Auch Köhlmeier leistete am Ende seiner Rede den
       „Gewissensdienst“ und protestierte, „so heftig ich nur kann, gegen die
       Abmurksung“ des Klagenfurter Bewerbs.
       
       Köhlmeier war übrigens 1984 wie Fauser Teilnehmer in Klagenfurt – die Liste
       derjenigen, die hier einen Karriereschub erfahren oder deren Laufbahn in
       Klagenfurt ihren Anfang genommen hat, ist lang und prominent. Es spricht
       nichts gegen, aber vieles für diesen Wettbewerb.
       
       Die emotionale Seite: Klagenfurt im Sommer ist unglaublich schön. Man fährt
       da gern hin. Der Wörthersee schimmert grünblau und hat exakt die richtige
       Temperatur; die Wärme steht in der Stadt, die noch dazu hübsch ist; in der
       Ferne leuchten die Karawanken; man sitzt an den Abenden am Alten Markt oder
       im Maria Loretto; man schwätzt, tratscht, tauscht sich aus, ja: Man
       kommuniziert. Der Kritiker und ehemalige Klagenfurt-Juror Ijoma Mangold hat
       einmal gesagt, er möchte nicht Juror bei einem Bachmannpreis im Ruhrgebiet
       sein, und er hat vollkommen recht damit.
       
       ## Herumnetzwerken
       
       Und es gibt auch nicht das Geringste dagegen zu sagen, dass sich eine von
       Krisen und Anfechtungen gebeutelte Branche, die noch dazu überwiegend aus
       einer Ansammlung von Nomaden besteht, die Tag für Tag an ihrem Schreibtisch
       still vor sich hin arbeiten, herumnetzwerken und viel zu oft in einen
       resonanzlosen Raum hineinsprechen und -schreiben, sich zumindest einmal im
       Jahr an einem fantastischen Ort trifft und sich von öffentlichen Geldern
       (Bürgermeisterempfang, Eröffnungsabend) einen Weißwein spendieren lässt
       oder möglicherweise auch zwei, drei oder vier. Das tun andere auch; die
       mieten dann in Ungarn für mehrere Tage gleich einen ganzen Puff.
       
       Durch den Raum schwirren Zahlen zwischen 400.000 und 800.000 Euro, die der
       ORF sich durch die Einstellung des Wettbewerbs an Einsparungen erhofft.
       Klar, dieses Geld hätte jeder von uns gern auf seinem Konto. Trotzdem sind
       das Peanuts. Das als ernsthafte Option ins Auge zu fassen ist grotesk.
       Schafft die Abschaffer ab!
       
       5 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ingeborg-Bachmann-Preis-2013/!119285/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christoph Schröder
       
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