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       # taz.de -- Hilfe für „Mondscheinkinder“: Kasse zahlt die Sonnencreme
       
       > Die Barmer GEK zahlt Patienten mit der unheilbaren Krankheit XP ab sofort
       > die schützende Sonnencreme. Eine gesetzliche Regelung steht noch aus.
       
   IMG Bild: So genannte „Mondscheinkinder“ müssen konsequent vor UV-Strahlung geschützt werden.
       
       BERLIN taz | Im Streit um die Erstattung von Sonnencreme und
       UV-Schutzkleidung für sogenannte Mondscheinkinder hat die Barmer GEK jetzt
       als erste Krankenkasse ihre Weigerungshaltung aufgegeben: Patienten mit der
       unheilbaren, genetisch bedingten Krankheit Xeroderma Pigmentosum, kurz XP,
       erhalten ab sofort die Kosten für ihren Sonnenschutz bezahlt.
       
       Anderslautende Entscheidungen aus der Vergangenheit, die die unter einer
       absoluten UV-Intoleranz leidenden Patienten mit den Kosten allein ließen,
       würden aufgehoben, teilte ein Sprecher der Barmer GEK der taz mit.
       
       Möglicherweise würden den Betroffenen auch Ausgaben rückwirkend erstattet.
       „Wir bedauern es sehr, dass die Entscheidung nicht früher revidiert werden
       konnte“, so der Sprecher. Inzwischen wisse die Barmer GEK, dass „XP ohne
       UV-Schutz durch die Entstehung von teils metastasierenden Hautkrebsformen
       eine potenziell tödlich verlaufende Krankheit“ sei. Dies rechtfertige die
       Kostenübernahme.
       
       Die Mutter eines XP-kranken Jungen aus Hamburg hatte sich gegen die
       Ablehnung gewehrt, dass Sonnencreme kein Arzneimittel sei und nicht zum
       gesetzlichen Leistungskatalog gehöre. Denn XP ist keine Allergie, sondern
       eine seltene, tödlich verlaufende Krankheit. Bundesweit leiden etwa 80
       Menschen an ihr.
       
       Der Gendefekt hebelt den körpereigenen Mechanismus aus, selbst kleinere,
       durch Sonnenlicht verursachte DNA-Schäden zu reparieren. Hautkrebs ist die
       Folge, viele Patienten müssen mehrfach jährlich operiert werden. Diese
       Kosten tragen die Kassen, die für die Prävention dagegen bislang nicht.
       Oder nur anteilig, befristet, aus Kulanz.
       
       ## „Tolle Nachricht“ für Erkrankte
       
       Sowohl der Spitzenverband der Kassen als auch der Gesundheitsminister
       Daniel Bahr (FDP) hatten an die Kassen appelliert, bei den XP-Erkrankten
       das „Nikolaus-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts anzuwenden: Danach
       dürfen Heilmittel, die zwar nicht zum Leistungskatalog gehören, aber
       Linderung bringen, Patienten mit lebensbedrohlicher Krankheit nicht
       verweigert werden, wenn keine Behandlungsalternative existiert.
       
       Für die an XP Leidenden „ist das eine tolle Nachricht“, sagte Heike
       Harrison, Sprecherin einer XP-Selbsthilfegruppe. Zwar sei die Entscheidung
       noch keine Garantie dafür, dass bei anderen Kassen Versicherte nun
       ebenfalls auf Erstattung hoffen dürften. Hierfür brauche es eine
       „gesetzliche Regelung“, so Harrison.
       
       Der Schritt der Barmer GEK dürfte dennoch Signalwirkung haben. Der
       Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK)
       Mecklenburg-Vorpommern, Karl-Friedrich Wenz, kündigte an, er werde sich nun
       mit Kassen, die zuvor beim MDK Gutachten zu XP-Erkrankten angefordert
       hätten, darunter der AOK Nordost, in Verbindung setzen: „Die Kassen sollten
       über ihren Schatten springen und die Kosten tragen“, forderte Wenz. Aus
       Sicht des MDK sei „ein permanenter Sonnenschutz unabdingbar“.
       
       ## Bemerkenswerte Kehrtwende
       
       Die Kehrtwende ist bemerkenswert: Zuvor hatten MDK-Gutachter, etwa bei der
       dreijährigen Johanna aus Steinfurt, beschieden, die „medizinischen
       Voraussetzungen für Leistungsgewährung“ seien „nicht erfüllt“; es könne
       „nicht davon ausgegangen werden, dass eine regelmäßig tödlich verlaufende
       Krankheit vorliegt“. Dieses Urteil nannte Wenz „unglücklich“.
       
       Das sieht die AOK Nordost inzwischen offenbar ähnlich. Für Johanna trägt
       sie nach Angaben der Eltern mittlerweile die Kosten für einen zunächst
       abgelehnten UV-sicheren Badeanzug und auch für die Sonnencreme. Um eine
       Hautreparaturcreme werde noch verhandelt. Eine AOK-Sprecherin sagte der
       taz, die Familie habe zudem eine feste Ansprechpartnerin erhalten; der AOK
       sei daran gelegen, zu helfen.
       
       4 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Haarhoff
       
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