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       # taz.de -- Snowden und Boliviens Präsident: Verbreitung einer „enormen Lüge“
       
       > Boliviens politische Führung ist verstimmt. Präsident Evo Morales musste
       > auf dem Weg in die Heimat in Wien zwischenlanden – angeblich sei Edward
       > Snowden an Bord.
       
   IMG Bild: Geheimnisvolle Zeichensprache: Boliviens Präsident Evo Morales.
       
       LA PAZ afp/ap/dpa | Der Fall des flüchtigen IT-Spezialisten Edward Snowden
       hat zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Bolivien und westlichen
       Ländern geführt. Wegen des unbestätigten Gerüchts, der
       US-Geheimdienstenthüller befinde sich an Bord, hätten Frankreich und
       Portugal ihren Luftraum für die Präsidentenmaschine gesperrt und der
       bolivianische Staatschef Evo Morales sei zur Zwischenlandung in Wien
       gezwungen worden. Boliviens Außenminister David Choquehuanca sagte am
       Dienstag (Ortszeit): „Wir wissen nicht, wer diese enorme Lüge verbreitet
       hat.“
       
       Das österreichische Außenministerium bestätigte in der Nacht zum Mittwoch,
       dass Morales in Wien landete und erklärte auch, Snowden befinde sich nicht
       an Bord. Choquehuanca zeigte sich „verärgert“ und warf den zuständigen
       Behörden vor, Morales' Leben in Gefahr gebracht und die Rechte des
       Luftverkehrs verletzt zu haben. Nach Angaben des bolivianischen
       Verteidigungsministers Ruben Saavedra, der Morales begleitete, verboten
       auch Italien und Spanien den Überflug. Das französische Außenministerium
       erklärte, über den Vorfall nicht informiert zu sein.
       
       Österreichs Bundespräsident Heinz Fischer räumte am Mittwoch am Wiener
       Flughafen bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Morales das Problem
       aus. Morales könne weiterfliegen, alle Voraussetzungen seien erfüllt, sagte
       Fischer. Wenige Stunden nach dem Vorfall erklärte die bolivianische
       Regierung, Paris und Lissabon hätten ihren Luftraum wieder freigegeben. Als
       letztes Land gewährte auch Spanien Überflugrechte und einen Zwischenstopp
       auf der Kanaren-Insel Gran Canaria zum Auftanken des Flugzeugs, wie das
       Außenministerium in Madrid mitteilte. Daraufhin wurde der Flug nach La Paz
       fortgesetzt.
       
       Morales hatte sich bis Dienstag in Moskau aufgehalten, wo sich Snowden seit
       über einer Woche im Transitbereich des Flughafens versteckt halten soll. Zu
       dessen Asylantrag in Bolivien sagte Morales am Dienstag dem russischen
       Fernsehen, dieser würde „debattiert und berücksichtigt“. Venezuelas
       Präsident Nicolás Maduro nahm Snowden in Schutz. Dieser habe eine „große
       Wahrheit veröffentlicht“, sagte er in Moskau, wo ein zweitägiger
       Energiegipfel stattfand. Der 30-Jährige habe „niemanden getötet und keine
       Bomben gelegt“.
       
       ## Demos vor diplomatischen Vertretungen
       
       In Boliviens Hauptstadt La Paz kam es am Dienstagabend zu spontanen
       Protesten dutzender Demonstranten vor der dortigen französischen Botschaft
       wegen des Vorfalls. „Es lebe Bolivien, es lebe Präsident Evo“ rief die
       Menge. Morales' Anhänger riefen zu weiteren Demonstrationen vor den
       diplomatischen Vertretungen der USA, Portugals und Italiens auf.
       
       Snowdens Vater Lon Snowden schrieb unterdessen gemeinsam mit seinem Anwalt
       einen offenen Brief an seinen Sohn, in dem er ihn als „Patrioten“ lobte und
       mit dem US-Freiheitskämpfer Paul Revere verglich. Snowden rufe „wie ein
       Paul Revere der Moderne“ die US-Bürger dazu auf, gegen die „wachsende
       Gefahr der Tyrannei“ zu kämpfen, hieß es in dem Brief. Darin ermutigen die
       Verfasser den 30-Jährigen, seine Arbeit fortzusetzen.
       
       Snowden wird von den USA wegen Spionage per Haftbefehl gesucht. Er hatte
       enthüllt, dass der britische und der US-Geheimdienst im großen Stil
       Internetkommunikation auch europäischer Nutzer überwachen. Auch in
       EU-Vertretungen in Washington, New York und Brüssel seinen Wanzen
       installiert worden.
       
       ## Kein Asyl für Snowden
       
       Die Liste der Staaten, die Snowden die Aufnahme verweigern, wird derweil
       immer länger: Norwegen bezeichnete es als unwahrscheinlich, dass er dort
       Asyl erhalten würde. Polen erklärte, es werde einen Asylantrag nicht
       befürworten. Österreich, Spanien, Finnland, Irland und Ecuador verwiesen
       darauf, dass ein Asylantrag auf ihrem Territorium gestellt werden müsse.
       
       Indien erklärte, es gebe keinen Grund, Snowdens Asylantrag stattzugeben.
       Brasilien lehnte es ab, auf Snowdens Anfrage auch nur zu antworten.
       Frankreich erhielt nach eigenen Angaben keine Anfrage, und China erklärte,
       man habe keine Informationen über einen Asylantrag. Auch Deutschland nimmt
       Snowden nicht auf. „Die Voraussetzungen für eine Aufnahme liegen nicht
       vor“, teilten das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium am
       Dienstagabend mit.
       
       3 Jul 2013
       
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