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       # taz.de -- Gesetzesänderung im Asylrecht: Diskriminiert genug?
       
       > Wenn sich Diskriminierungen so häufen, dass sie einer schweren
       > Menschenrechtsverletzung gleichen, kann das künftig dazu führen, Asyl zu
       > gewähren.
       
   IMG Bild: Künftig soll auch Asyl beantragen können, wer „nur“ Diskriminierung vorweisen kann
       
       BERLIN taz | Bald könnten sich die Chancen für Roma erhöhen, in Deutschland
       Asyl zu erhalten. Im Asylverfahrensgesetz wird eine Regel eingefügt, wonach
       Asyl auch bei einer Summierung von Diskriminierungen gewährt werden muss,
       die jede für sich noch nicht asylwürdig ist. Am Freitag wird der Bundesrat
       dieser Gesetzesänderung voraussichtlich zustimmen. Der Bundestag hat das
       Gesetz im Juni schon beschlossen.
       
       Derzeit werden Asylanträge von Roma fast immer abgelehnt. Die
       Anerkennungsquote für Antragsteller aus Serbien und Mazedonien liegt beim
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) regelmäßig bei unter einem
       Prozent.
       
       Roma werden wegen ihrer Ethnie eben nicht gefoltert und ins Gefängnis
       gesteckt. Und die bloße Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, im
       Bildungssystem und bei der Gewährung von Sozialleistungen wird bisher nicht
       als „Verfolgung“ im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt.
       
       Der neue Paragraf 3a des Asylverfahrensgesetzes verspricht Asyl nun aber
       auch bei einer „Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen“, die in der Summe
       so gravierend sind wie eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung.
       
       „Künftig müssen Asylverfahren aufwendiger werden, gerade bei Anträgen von
       Roma, um auch die Summe von Alltagsdiskriminierungen richtig erfassen und
       bewerten zu können“, erklärt Reinhard Marx, der führende deutsche
       Asyl-Anwalt.
       
       In der Praxis findet das Gegenteil statt. Auf Druck von Bundesinnenminister
       Hans-Peter Friedrich (CSU) hat das Asyl-Bundesamt im letzten Sommer ein
       Schnellverfahren eingeführt, nach dem alle Anträge vom „Westbalkan“ binnen
       weniger Tage oder Wochen entschieden sein sollen. Das BAMF sagt dazu, die
       Anträge würden nur „prioritär“, aber nicht oberflächlich geprüft.
       
       ## „Ablehnungsentscheidungen nur noch Textbausteine“
       
       Marx’ Erfahrung ist eine andere: „Das Bundesamt stellt in seinen
       Ablehnungsentscheidungen nur noch Textbausteine zusammen. Selbst
       schwerwiegende Misshandlungen werden nicht mehr erwähnt. Dass unter diesen
       Umständen alltägliche Diskriminierungen angemessen geprüft werden, ist
       nicht zu erwarten.“
       
       Dabei müsste die Verfolgung durch „kumulative Maßnahmen“ schon heute
       geprüft werden. Die EU-Qualifikations-Richtlinie, die Mindeststandards für
       die Asyl-Anerkennung definiert, schreibt dies bereits seit einigen Jahren
       vor. Seit 2007 fand sich auch ein versteckter Passus dazu im deutschen
       Aufenthaltsgesetz. Die Neuregelung im Asylverfahrensgesetz ändert die
       Rechtslage also gar nicht, sondern macht sie nur sichtbarer.
       
       Erstaunlich also, dass es in den vergangenen sechs Jahren kein einziges
       entsprechendes Gerichtsurteil zugunsten von Roma gab. Pro Asyl sucht zwar
       Präzedenzfälle und würde auch einen Musterprozess finanzieren, bisher aber
       ohne Erfolg. „Hauptproblem ist, dass für Roma die alltägliche
       Diskriminierung so normal ist, dass sie das im Anhörungsverfahren in der
       Regel gar nicht vorbringen“, sagt Marei Pelzer, Pro-Asyl-Rechtsexpertin.
       
       In einem Musterprozess müsste auch der Einwand geprüft werden, den das
       Bundesinnenministerium (BMI) geltend macht. „Gegen Diskriminierungen müssen
       erst einmal die Gerichte vor Ort und notfalls der Europäische Gerichtshof
       für Menschenrechte eingeschaltet werden“, sagte BMI-Asylexperte Frank
       Mengel, „nur wenn das scheitert, kann jemand Aufnahme in Deutschland
       verlangen.“
       
       4 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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