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       # taz.de -- Finanzdesaster Elbphilharmonie: Frühe Zweifel
       
       > Dass die Elbphilharmonie eine Fehlkalkulation sei, schrieb Hafencity-Chef
       > Bruns-Berentelg schon 2003. Wenige Monate später bestätigte er offiziell
       > das Gegenteil.
       
   IMG Bild: Wollte die Elbphilharmonie anfangs nicht: Hafencity GmbH-Chef Jürgen Bruns-Berentelg.
       
       Dass die Elbphilharmonie – derzeit rund 800 Millionen Euro teuer – zum
       Finanzdesaster werden würde: Im Nachhinein wollen es etliche gewusst haben,
       auch wenn es keiner sagte. Jetzt ist aber bekannt geworden, dass einer es
       sehr früh formulierte: Jürgen Bruns-Berentelg, Chef der Hafencity GmbH, hat
       2003 einen entsprechenden Brief an Alexander Gérard geschrieben.
       
       Der Architekt und Projektentwickler Gérard hatte die Elbphilharmonie-Idee
       überhaupt aufgebracht und bei den Architekten Herzog & de Meuron erste
       Entwürfe in Auftrag gegeben. Das Konzerthaus sollte da stehen, wo
       eigentlich der Media-City-Port geplant war. Doch wegen der Medienkrise
       stagnierte die Planung.
       
       In dieses Entscheidungsvakuum hinein trat Gérard mit seiner
       Konzerthaus-Idee. 77 Millionen sollte der Gesamtbau, 40 der
       Konzerthaus-Anteil kosten. 24 davon wollte man durch den Ertrag aus
       Luxuswohnungen und Hotel drum herum finanzieren.
       
       Das aber, schrieb Hafencity-Chef Bruns-Berentelg in einem der taz
       vorliegenden Brief vom Juni 2003, sei eine Fehlkalkulation. Nicht nur, dass
       der Kaispeicher für eine Musikhalle „der am wenigsten geeignete Standort“
       sei. Auch sei die Finanzierung des 40 Millionen teuren Umbaus des
       Kaispeichers in eine Musikhalle „wirtschaftlich nicht tragfähig“. Zudem
       könne der Erlös der Mantelbebauung „nicht die Hälfte des
       Finanzierungsbedarfs für den Bau der Musikhalle“ decken. Gérards Konzept
       erfordere somit „erhebliche direkte Subventionen“. Sein Vorgehen sei „weder
       zielführend noch vertretbar“.
       
       Gérard sagt heute, jene 40 Millionen Euro seien eine vorläufige Kalkulation
       gewesen. Das letzte Wort seien die 156 Millionen gewesen, die er 2004
       nannte. „Mit diesem Betrag plus Spenden hätte es aufgehen können“, sagt er.
       „80 Millionen davon – finanziert aus Quersubventionen aus der
       Mantelbebauung sowie 60 Millionen Euro Spenden – hätte das Konzerthaus
       gekostet.“ Also keine städtischen Subventionen. Das allerdings nur, wenn es
       keine Veränderungen am Raumkonzept gegeben hätte.
       
       Deren gab es aber reichlich: Nicht nur, dass statt zweier inzwischen drei
       Konzertsäle geplant sind. Auch wurden aus einst 34 Wohnungen 43, und das
       Hotel bekommt 250 Betten statt 200. „Dadurch wurde die Fläche um 42 Prozent
       vergrößert – und auch das Volumen“, sagt Gérard. Der Bau wurde also
       schwerer, und Gérards Idee, nur so viel Gewicht oben draufzusetzen, wie
       einst im Speicher lagerte, war obsolet. Man riss den Altbau ab, setzte
       etliche neue Gründungspfähle, es wurde teurer. Abgesehen davon, sagt
       Gérard, „bezogen sich die 156 Millionen Euro auf die Investition, nicht auf
       den Betrieb“.
       
       Eigenartig ist, dass Bruns-Berentelg, der bis Redaktionsschluss nicht auf
       eine taz-Anfrage reagierte, wenige Monate nach seinem abschlägigen Brief
       ein Plausibilitätsgutachten erstellte. Es besagte, dass Gérards
       „provisorische“ Erstkalkulation tragfähig sei. Das Gutachten hatte
       allerdings der Senat in Auftrag gegeben, der die Elbphilharmonie inzwischen
       intensiv propagierte und sie der Bürgerschaft anempfehlen wollte.
       
       Gérard erklärt den Gesinnungswandel Bruns-Berentelgs indessen damit, dass
       der sich „wohl tiefer in die Materie eingearbeitet hatte“.
       
       3 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Schellen
       
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