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       # taz.de -- Die Wahrheit: Delikate Silberfischstäbchen
       
       > Das Pilotprojekt „McBug“ startet: Rechtzeitig zur Grillsaison 2013 bringt
       > die Bundesregierung nun leckere Insekten-Burger auf den Tisch.
       
   IMG Bild: Gleichermaßen schmackhaftes wie nahrhaftes Ausgangsmaterial für viele neue Madengerichte.
       
       Der sechsjährige Leon beißt genüsslich in seinen Burger. „Was hast’n du
       drauf?“, will die kleine Klara wissen. „Mehlwürmer“, antwortet Leon mit
       vollem Mund. Klara blickt interessiert zwischen die Brötchenhälften. „Die
       zappeln ja noch!“ Sie strahlt Leon an: „Darf ich mal kosten?“
       Verbraucherministerin Ilse Aigner betrachtet die Szene mit Begeisterung:
       „Diese kleinen Verbraucher sollten unsere Vorbilder sein. Sie gehen
       vorurteilsfrei an Neues heran, auch bei der Ernährung.“
       
       Gemeinsam mit Familienministerin Kristina Schröder ist Aigner in die
       Kindertagesstätte „Glühwürmchen“ nach Essen gekommen, um das Pilotprojekt
       „McBug“ ins Leben zu rufen – eine gemeinsame Initiative der Bundesregierung
       und der Gastronomie-Kette McDonald’s. Als bundesweit erste Kita wird sie ab
       sofort mit insektenreicher Kost beliefert. Etwa mit dem Burger „Royal TS“:
       „Aber statt Rindfleisch gibt’s dazu einen
       Termiten-und-Sumpfschrecken-Fladen“, erläutert McDonald’s-Sprecher
       Christian Rache.
       
       Damit folgten Politik und Wirtschaft den Vorgaben der Organisation für
       Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO), erklären die
       Ministerinnen. Die FAO hatte kürzlich rund 2.000 Insektenarten als
       wertvolle Nahrungsmittel bezeichnet und die Bewohner der westlichen Welt
       aufgefordert, den Ekel gegen die eiweißreichen Tiere zu überwinden.
       
       „Das Ernährungsverhalten wird in den ersten Lebensjahren geprägt. Es geht
       um die Zukunft unserer Kinder. Wir wollen Heimchen am Herd!“, ruft Schröder
       und beißt mit erkennbarer Überwindung in ein „Cricket McNugget“ – panierte
       Grillen in Mehlwurmschwitze.
       
       Die Initiative „McBug“ soll dem „noch sehr großen Bedarf an Aufklärung in
       Deutschland nachkommen“, sagt Aigner. „Eine Wanderheuschrecke ist letztlich
       ja auch nichts anderes als eine Garnele an Land. Das muss nur in die Köpfe
       rein.“ Kitas in insgesamt 20 Städten hätten ihre Teilnahme bereits
       zugesagt.
       
       „Wir können mit Fug und Recht verkünden: In Deutschland hat die
       Grillensaison begonnen“, jubelt die Ministerin. Damit stößt sie bei der
       Veganer-Organisation World Wide Veggie Foundation (WWVF) allerdings auf
       massive Kritik. „Bisher völlig unbedrohte Tierarten werden plötzlich
       einfach zur Schlachtung freigegeben“, empört sich WWVF-Sprecherin Sarah
       Frankfurter und warnt: „Deutschland steht kurz vor einem
       Heuschrecken-Holocaust!“
       
       Aigner winkt ab. Der Klimawandel gehe vor. Insekten lieferten schließlich
       nicht nur reichlich ungesättigte Fettsäuren, Mineralien und Vitamine. Ihre
       Aufzucht verbrauche auch wenig Wasser und lasse kaum klimaschädliches Gas
       entstehen. „Wenn jeder Bundesbürger jeden Tag eine Portion Insekten essen
       würde, hätte das einen großen Effekt auf die Umwelt.“ Seit sie selbst
       täglich zwei, drei Silberfischchen vom Badezimmerboden aufklaube, habe sie
       auch viel weniger Probleme mit ihrer Verdauung, berichtet die Ministerin,
       die gerade herzhaft in einen Silver-Burger mit Silberfischstäbchen beißt:
       „Geil!“
       
       McDonald’s sei jedenfalls sofort begeistert gewesen. „Nachhaltigkeit
       bedeutet für uns, dass wir unsere Wertschöpfung sehr genau ansehen,
       insbesondere im Hinblick darauf, wie wir ökologische Aspekte immer besser
       integrieren können“, sagt Sprecher Rache. „Wir möchten einen Beitrag dazu
       leisten, unseren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.
       Und der ist bei Insekten eben viel kleiner als bei herkömmlichem Vieh.“
       
       Während der Sommerferien wolle McDonald’s daher im Rahmen der beliebten
       „Los Wochos“-Aktion bundesweit in allen Restaurants den Burger „Big Made“
       anbieten – mit mexikanischen Mottenraupen. „Die kennen sicher viele Gäste
       schon aus den Schnapsflaschen“, erklärt Rache. „Aber was die wenigsten
       wissen dürften: Die Raupen sind sehr delikat. Ähnlich wie ein halbgares
       Spiegelei, bei dem das Weiße noch so schmaddert.“
       
       Auch auf politischer Ebene will man weiterhin mit gutem Beispiel
       vorangehen, erklärt Aigner. Kanzlerin Angela Merkel habe verfügt, dass nach
       der Sommerpause in der Bundestagskantine täglich ein Insektenmenü angeboten
       wird, nachdem sie neulich bei Vizekanzler Philipp Rösler „diese tollen
       vietnamesischen Vogelspinnen“ gekostet hat.
       
       Die Kanzlerin strebe an, das Label „Made in Germany“ zu einem international
       anerkannten Markenzeichen deutscher Küche zu entwickeln. Und in der freien
       Wirtschaft gibt es weitere Ideen: Unter dem Motto „Bei uns ist der Wurm
       drin“ wird es in der Wintersaison 2013/2014 in der Bordgastronomie der
       Deutschen Bahn besondere Kreationen wie Wasserflohconsommé oder
       Heupferdchen in Bierteig geben – frisch geliefert vom Münchner
       Feinkostunternehmen Käfer.
       
       3 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tanja Kokoska
       
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