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       # taz.de -- DW kooperiert mit Zensursender: Keine Lust auf Protest
       
       > Die BBC hat die Kooperation mit dem türkischen Sender NTV wegen
       > Zensurversuchen beendet. Der deutsche Auslandssender Deutsche Welle
       > nicht.
       
   IMG Bild: Die Deutsche Welle hält fest.
       
       ISTANBUL taz | Es ist einer der wichtigsten Kritikpunkte der türkischen
       Protestbewegung: Die größten Medien des Landes [1][berichten kaum oder nur
       selektiv] über die Bewegung, die Kritik an der Erdogan-Regierung wird
       unterdrückt. Legendär ist mittlerweile die Pinguin–Sendung von CNN Türk,
       während in Istanbul der Taksimplatz brannte.
       
       Aber auch der zweite wichtige Nachrichtensender des Landes, [2][NTV], hat
       seine Zuschauer und Hörer enttäuscht. Auf dem Höhepunkt der zweiten
       Protestwoche demonstrierten selbst Angestellte aus dem umliegenden
       Bankenviertel am Hauptsitz des Senders und erinnerten die Macher des
       Senders daran, für wen sie eigentlich arbeiten.
       
       Als der Chef des Senders sich daraufhin vor seinen Mitarbeitern und damit
       auch vor der Öffentlichkeit für das Versagen von NTV entschuldigte, war der
       Mann wenig später seinen Job los. Denn NTV gehört zur Dogus Holding, einem
       der führenden Konzerne der Türkei, der erst kürzlich die Ausschreibung für
       den Bau und Betrieb des Galataports, des zukünftigen Kreuzfahrtterminals
       von Istanbul gewonnen hat. Angesichts solcher Geschäfte will es sich der
       Konzern mit der Regierung nicht verderben, und dementsprechend ist dann
       auch die Berichterstattung.
       
       Bis vor wenigen Tagen hatte NTV zwei ausländische Partner: die BBC und die
       Deutsche Welle (DW). Die BBC ist aus der Kooperation ausgestiegen, nachdem
       NTV sich geweigert hatte, einen Beitrag zu senden, in dem die schwache
       Vorstellung der türkischen Medien thematisiert worden war. Anders als die
       BBC kooperiert die Deutsche Welle nicht mit dem NTV-Fernsehen, sondern
       lässt an fünf Tagen in der Woche eine in Bonn bei DW erstellte halbstündige
       Rundfunksendung von NTV ausstrahlen.
       
       ## Kündigung wirkt als Solidaritätserklärung
       
       Viele Mitarbeiter von NTV haben die Kündigung des Vertrags durch die BBC
       nach dem Zensurversuch auch als Solidarität mit ihnen empfunden, weil sie
       ständig zur Selbstzensur gezwungen werden. „Wir hätten es deshalb gut
       gefunden, wenn auch die Deutsche Welle eine deutliche Reaktion auf die
       katastrophale Rolle von NTV gezeigt hätte“, sagte Nedim Bora, ein
       Dokumentarfilmer, dessen Vertrag NTV kürzlich kündigte.
       
       Bora, der lange in Köln gelebt und dort für den WDR und auch für die
       Deutsche Welle gearbeitet hat, wandte sich deshalb an den deutschen Sender
       und forderte, die Zusammenarbeit wenn nicht zu kündigen, dann wenigstens
       eine Zeit lang aus Protest zu suspendieren.
       
       Doch die Deutsche Welle sieht keinen Anlass dazu. Auf Anfrage der taz
       antwortete DW-Pressesprecher Johannes Hoffmann, solange die DW ihre
       Sendungen ohne inhaltliche Beeinträchtigung ausstrahlen könne, werde man an
       der hiesigen Praxis festhalten. Erst wenn es Versuche geben würde, die
       Sendungen inhaltlich zu beeinflussen, werde man die Zusammenarbeit
       aussetzen. Gerade in der jetzigen Zeit wolle man nicht darauf verzichten,
       in der Türkei unabhängige Informationen aus deutscher und europäischer
       Perspektive zu verbreiten.
       
       26 Jun 2013
       
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