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       # taz.de -- Proteste gegen NGO-Räumung in Moskau: „Sie würgen uns“
       
       > Bei einer Demo gegen die Schließung eines NGO-Büros in Moskau sind
       > Bürgerrechtler festgenommen worden. Der Grund für die Räumung ist
       > fadenscheinig.
       
   IMG Bild: Lew Ponomarew nachdem er aus dem Moskauer Büro der NGO „Für Rechte des Menschen“ entfernt wurde.
       
       MOSKAU taz | Auch am Wochenende haben russische Aktivisten vor dem Büro der
       NGO „Für Rechte des Menschen“ im Herzen Moskaus ausgeharrt, das am Freitag
       von Sondereinheiten geräumt worden war. Am Sonntagvormittag nahm die
       Polizei drei Bürgerrechtler in Gewahrsam. Viele Unterstützer, die sich nach
       der schlaflosen Nacht auf Samstag zurückgezogen hatten, kamen am Abend mit
       Decken und Proviantpaketen zurück. „Wir richten uns auf längere Zeit hier
       ein“, meinte der 34-jährige Sergej.
       
       Vor der Eingangstür zum Büro stehen brennende Kerzen und vor dem Fenster
       hängt ein Plakat mit dem Spruch „Wir kapitulieren nicht“. In Abständen von
       50 Metern halten einzelne Protestler Spruchbänder in die Höhe. Kommen sie
       einander zu nahe, wäre das ein Anlass für die Polizei, sie als Teilnehmer
       einer unangemeldeten Demonstration festzunehmen. „Sie würgen uns, bis wir
       keine Luft mehr kriegen“, meint Sergej. Ein Bus mit Sicherheitskräften
       wartet zugriffsbereit in der Gasse. Der Zugang zum Büro ist versperrt. Die
       Schlösser wurden ausgetauscht, eine Gruppe von unbekannten Männern in Zivil
       hält das Büro besetzt.
       
       Für die Aktivisten ist die Räumung nur eine weitere Maßnahme, die die
       russische Zivilgesellschaft einschüchtern und zum Aufgeben zwingen soll.
       Leiter der NGO „Für Rechte des Menschen“ ist der 72-jährige Lew Ponomarew,
       der schon ein bekannter Sowjetdissident und Mitglied des Moskauer
       Helsinki-Komitees war. Das Räumkommando verprügelte den Bürgerrechtler;
       auch der Vorsitzende der demokratischen Partei Jabloko, Sergej Mitrochin,
       wurde bei dem Einsatz am Bein verletzt.
       
       Die Büroräume vermietet die Stadtverwaltung Moskaus. Sie beharrt darauf,
       dass die NGO bereits Anfang des Jahres über die Nichtverlängerung des
       Mietvertrages informiert worden sei. Ponomarew will die Kündigung jedoch
       nicht erhalten haben. Überdies wurde die bevorstehende Räumung vorher nicht
       angekündigt. Auch anderen unliebsamen zivilgesellschaftlichen
       Organisationen versuchte der Kreml zunächst durch Mietstreitigkeiten die
       Arbeit zu erschweren.
       
       ## Zuständigkeiten verschleiert
       
       Unklarheit herrscht über die Herkunft der Einsatzkräfte und wer sich hinter
       jenen verbirgt, die seit zwei Tagen die Räume „sichern“. Moskaus
       Innenbehörde behauptet, Polizisten seien an der Räumung direkt nicht
       beteiligt gewesen, sondern hätten nur das angrenzende Terrain gesichert.
       „Die Polizei ging nicht mit Gewalt vor, die Räumung erfolgte mit Kräften
       eines privaten Sicherheitsdienstes“, hieß es offiziell. Auch dies ist eine
       bewährte Methode: Zuständigkeiten werden gezielt undurchsichtig gehalten.
       
       Der russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin nannte das Vorgehen
       gegen die NGO „eigenmächtig und willkürlich“. Derartige Streitfälle müssten
       Gerichte entscheiden. Er beklagte sich auch, dass er von Vertretern des
       Innenministeriums und der städtischen Behörden gehindert worden sei, den
       Ort des Geschehens in Augenschein zu nehmen. Das sei ein Verstoß gegen die
       Verfassung.
       
       Am Sonntag teilte der russische Milliardär Michail Prochorow mit, er sei
       bereit, die Mietkosten zu übernehmen. Prochorow kandidierte 2012 für das
       Amt des Präsidenten. Würde die NGO durch einen russischen Gönner gefördert,
       entfiele die seit Ende letzten Jahres gültige Verpflichtung, sich als
       „ausländischer Agent“ registrieren zu lassen.
       
       23 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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