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       # taz.de -- Billige Minenräumung in Afghanistan: „Bumm, und weg ist es“
       
       > Als Kind spielte der Designer Massoud Hassani vor den Minenfeldern
       > Afghanistans. Nun hat er ein Gerät entwickelt, das Minen billig
       > explodieren lässt.
       
   IMG Bild: Wie ein Raumschiff in der Wüste: das „Mine Kafon“ sucht Minen.
       
       Wer in New York durch das MoMA, das Museum of Modern Art, spaziert, sieht
       Meisterwerke von Picasso, Monet und Rothko. Doch man kann auch einem Ding
       begegnen, das aussieht wie eine Pusteblume aus dem Weltall.
       
       Das Objekt ist nicht nur eine Skulptur für ein Museum. Es ist ein „Mine
       Kafon“, ein origineller Minendetektor mit Windantrieb, den der 30jährige
       afghanischstämmige Designer Massoud Hassani gebaut hat. Der Mine Kafon
       steht im MoMA in der Ausstellung für Angewandtes Design. „Trotzdem ist es
       komisch, denn es ist keine Kunst“, sagt Hassani. „Ich bin kein Künstler.“
       
       Jedes Jahr werden etwa 26.000 Menschen durch Minen getötet oder
       verstümmelt, schätzt die humanitäre Hilfsorganisation Care. Aber das
       Problem scheint in Vergessenheit geraten zu sein, meint Hassani, obwohl
       weltweit vermutlich mehr als 110 Millionen scharfe Minen verlegt sind.
       Afghanistan gehört zu den am stärksten betroffenen Ländern.
       
       Der 70 Kilogramm schwere Mine Kafon hat einen Durchmesser von 190
       Zentimetern und wird in Handarbeit aus Bambusrohren und biologisch
       abbaubarem Plastik montiert. Wenn er über Minenfelder rollt, bringen die
       Plastikfüße am Ende der Bambusrohre durch ihren Druck die Landminen zur
       Detonation. Hassani hat das Gerät so konstruiert, dass es zwei bis vier
       Explosionen übersteht, ohne kaputtzugehen.
       
       ## Spielen in den Minenfeldern
       
       Hassani und sein Bruder haben während ihrer Kindheit in Afghanistan
       Spielzeuge aus allem gebastelt, was sie in ihrem Dorf fanden. Am liebsten
       windbetriebene Spielzeuge, die sie um die Wette laufen ließen. Dabei wurden
       ihre Spielzeuge oft in die Minenfelder geblasen, in denen einige seiner
       Kinderfreunde ums Leben kamen. Mit vierzehn floh Hassani aus Afghanistan
       über Pakistan und Russland bis in die Niederlande, wo er schließlich
       bleiben konnte.
       
       Hassani hat an einer niederländischen Designakademie studiert, und dort
       wurde auch der Mine Kafon – auf Deutsch: „Lass die Minen explodieren“ –
       geboren. Hassani hatte eine Reihe von Prototypen seiner kleinen,
       windbetriebenen Kinderspielzeuge gebaut und meinte zum Spaß, mit denen
       könne er ja Minen detonieren lassen. Hassanis Lehrer hielt das für eine
       gute Idee und ermutigte ihn, das Projekt zu verwirklichen.
       
       „Jedes Produkt, das man herstellt, hat etwas mit der eigenen Person zu
       tun“, sagt Hassani. „Weil ich so viele Erfahrungen mit diesen Spielzeugen
       hatte und schon so viel recherchiert hatte, fiel mir die Umsetzung von der
       Idee zum Produkt leicht.“
       
       Seine ersten Modelle ließ der junge Designer beim niederländischen Militär
       testen.
       
       „Anfangs war es hart, zusehen zu müssen, wie das Modell explodiert. Ich
       hatte so lange daran gearbeitet, und dann macht es auf einmal bum, und weg
       ist es“, sagt er. „Designer entwerfen normalerweise Stühle und solche
       Dinge, dann hängen sie an das fertige Produkt ein Schild: Bitte nicht
       berühren. Und wir haben das Ding einfach in die Luft gejagt!“
       
       Die niederländischen Militärs zogen sich nach einer kurzen Testperiode aus
       dem Projekt zurück, da der Mine Kafon für ihre Begriffe nicht präzise genug
       funktionierte. Die von Menschen durchgeführte Minensuche sei zwar
       gefährlicher, meinten sie, aber effektiver. Trotzdem ermunterten sie
       Hassani, seine Arbeit fortzusetzen.
       
       ## Ein Bruchteil der Kosten
       
       Mit der üblichen Methode kostet die Räumung einer Mine bis zu tausend
       Dollar. Wenn der Mine Kafon serienreif ist und industriell hergestellt
       werden kann, wird jedes Exemplar nur 40 Dollar kosten. Und da der Mine
       Kafon vor Ort in Handarbeit montiert werden könne, könne er sehr gut von
       humanitären Organisationen eingesetzt werden, meint Hassani.
       
       Im Dezember 2012 hat Hassani eine Fundraising-Kampagne ins Leben gerufen.
       Trotz der vielen Feiertage in dieser Zeit hat er für die Weiterentwicklung
       des Mine Kafon mehr als die erhofften 187.000 Dollar gesammelt. Hassani
       sagt, die überwältigende Unterstützung, die er erfahren habe, sei für ihn
       ein Beweis, wie sehr seine Erfindung gebraucht werde.
       
       Hassani würde gerne sowohl ein zylindrisches als auch ein motorbetriebenes
       Gerät entwickeln, das besser gesteuert werden kann und weniger abhängig vom
       Wind ist. Da das gegenwärtige Modell nur für Wüsten entwickelt wurde, will
       er auch Geräte bauen, die in all den unterschiedlichen Landschaften
       eingesetzt werden können, in denen Minen verlegt sind, wie etwa in Vietnam
       und Angola.
       
       Sobald Hassani die nötigen baulichen Veränderungen vorgenommen hat, will er
       sein verbessertes und viel größeres Windspielzeug später im Jahr dort
       ausprobieren, wo die Idee ihren Ausgang genommen hat: in den afghanischen
       Minenfeldern seiner Kindheit.
       
       Aus dem Englischen von Heike Brandt
       
       21 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jake Cigainero
       
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