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       # taz.de -- Kolumne Knoblauchzone #6: „Folklore haben wir selber genug“
       
       > Sachertorte, Walzerkurs und Schuhplattler: Wie die Kroaten die
       > Österreicher wieder kennenlernen sollen und warum das keinen
       > interessiert.
       
   IMG Bild: „Und der Kaiser von Österreich heißt derzeit Hypo Alpe Adria“: Wenig KuK-Nostalgie in Kroatien.
       
       ZAGREB taz | In dieser Woche sollten die Kroaten „Österreich (wieder)
       kennenlernen“. Im Zentrum Zagrebs verteilten sich am Dienstag Österreicher,
       um den neuen Nachbarn in der EU „willkommen“ zu heißen. Für 1,50 Euro
       konnte der Kroate österreichischen Kuchen und Kaffee im Hotel Dubrovnik am
       Zentralplatz Ban Jelacic erwerben. Kostenlos konnte der Kroate einen
       Walzerkurs, den Auftritt von Kärntner Schuhplattlern und einen EU-Infotisch
       besuchen.
       
       Veranstaltet wurde das Ganze von „Advantage Austria“, einer Homepage der
       österreichischen Wirtschaftskammer, wo sich der Ausländer über die
       österreichischen Unternehmen und andere „Wirtschaftsnews“ informieren kann.
       Neben Wanner, Billa und Julius Meinl waren selbstverständlich auch die
       Erste Bank und die Hypo Alpe Adria Bank Sponsoren der Veranstaltung.
       
       Viel los war nicht. Die Schlangen vor den Ämtern, die die neuen
       Personalausweise ausgeben, die Anträge auf Legalisierung von Bauobjekten
       und Arbeitslosenhilfe annehmen, waren größer.
       
       Schlangen hingegen sieht man jeden Tag in und vor dem kleinen Laden der
       legendären Zagreber Konditorei „Vincek“ auf der Ilica, ein paar Meter neben
       dem Ban Jelacic und auch in der Filiale am weiter östlich gelegenen
       Kvatric. „Ich kenne Österreich schon“, antwortet eine der Kundinnen im
       Vincek auf die Frage, warum sie heute nicht bei den Österreichern Kuchen
       kauft. „Und ich möchte auch keinen Walzer um einen EU-Infotisch tanzen.
       Folklore haben wir selber genug.“
       
       Es ist auch nicht so, dass die Zagreber Cafés leer wären. An den meisten
       muss man vorbeigehen, weil es keinen Platz mehr gibt. Für 1,50 Euro kann
       man überall in Zagrebs tausenden Cafés den ganzen Tag sitzen und zwei
       Kaffee trinken oder, wenn man kein Geld hat, sich zu Bekannten setzen, die
       noch 1,50 übrig haben. Gerne auch kommen jene, die keine 1,50 übrig haben
       kurz vor Mitternacht. Der Kellner kommt dann an den Tisch und sagt höflich
       „Letzte Runde war schon, wir schließen gleich.“ „Macht nichts, dann nehm
       ich nur den Stuhl.“ In der Regel darf man dann sitzen bleiben.
       
       ## Filetstücke für die einen, keine Sachertorte für die anderen
       
       „Den Österreichern gehört eh schon halb Kroatien und dann geben sie nicht
       mal ein Stück Sachertorte raus“, antwortet ein Gast im „Café de Paris“ am
       Blumenplatz auf die Frage nach den Österreichern. „Wir müssen die nicht
       wieder kennenlernen. Wir kennen die seit über 100 Jahren. Und der Kaiser
       von Österreich wird für immer der König von Kroatien bleiben. Und der
       Kaiser von Österreich heißt derzeit Hypo Alpe Adria.“
       
       Dass den österreichischen Banken seit den 90er Jahren die Filetstücke des
       Landes übertragen wurden, ist kein Staatsgeheimnis. Und wer nicht jemanden
       kennt, der jemanden kennt, der an dieser Art der Privatisierung ehemals
       staatlichen oder gesellschaftlichen Eigentums beteiligt war, hat eben auch
       keine 1,50 für Sachertorte übrig.
       
       Mit Walzer und Schuhplattler jedenfalls lassen sich die Kroaten in den noch
       verbleibenden knapp zwei Wochen bis zum EU-Beitritt nicht mehr davon
       überzeugen, dass es ihnen in den Händen der Österreicher jemals besser
       gehen wird.
       
       20 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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